Katias Kolumne

Fall Khashoggi: Schluss mit westlicher Doppelmoral

Ausland
24.10.2018 17:59

Scheibchenweise erfährt die Weltöffentlichkeit Details rund um das Verschwinden des saudi-kritischen Kolumnisten Jamal Khashoggi. Was bisher als gesichert gilt: Anfang des Monats ging Khashoggi in das saudische Konsulat in Istanbul zwar hinein, kam dort allerdings nicht mehr hinaus. Nach der anfänglichen Beschwichtigung, dass das saudische Königshaus nichts vom Verbleib Khashoggis wüsste, ist nun klar: Es war Mord. Kaltblütig und geplant.

Und das bringt vor allem einen in Bedrängnis: Kronprinz Mohammed bin Salman. Als ehrgeiziger Reformer vom Westen umjubelt und als junger Visionär inszeniert, schien er das Wüstenland in kleinen Schritten öffnen zu wollen. Das von ihm initiierte Ende des Fahrverbots für saudische Frauen sollte nur der erste Schritt im Aufbruch in ein Land der Moderne sein, auch ließ die Vergabe von Kinolizenzen nach 35 Jahren der Prohibition leise Hoffnung aufkeimen.

Doch der Fall Khashoggi erinnert einmal mehr daran, dass eine tief greifende und ernst zu nehmende Liberalisierung des wahhabitischen Königreichs noch immer in weiter Ferne liegt. Nach wie vor werden Kritiker, Journalisten, Schriftsteller und Frauenkämpfer verfolgt und eingesperrt, auch vor Mord und Folter scheint der treue Gefolgskreis rund um den Kronprinzen nicht halt zu machen.

... aber Köpfen steht ja ohnehin nicht jeden Freitag am Programm
Und auch sonst gab es kaum Zeichen für Modernisierung. Die saudische, rigid-puritanische Auslegung des Islam gilt als Nährboden des terroristischen Salafismus, der von Saudi-Arabien freundlich unterstützte Bürgerkrieg im Jemen forderte zahllose zivile Opfer und die nach wie vor stattfindenden öffentlichen Enthauptungen passen ebenso wenig ins Bild eines zukunftsweisenden Landes. Aber das passiert - so die scheinheilige Haltung des Westens und wie wir ja spätestens seit der ehemaligen Vize-Generalsekretärin des König-Abdullah-Dialogzentrums, Claudia Bandion-Ortner, wissen - ja ohnehin nicht jeden Freitag.

Günstige Öllieferungen, gute wirtschaftliche Beziehungen inklusive lukrativer Militärexporte sowie ein geostrategisch interessantes Bündnis als Gegengewicht zum Iran ließen den sonst so weit erhobenen moralischen Zeigefinger westlicher Länder dann wohl doch recht schnell wieder im Hosensack verschwinden.

Die Scheinheiligkeit des Westens
Ja, Außenpolitik besteht in der Realität wohl mehr aus strategischen als aus moralischen Überlegungen. Das in Sachen wirtschaftlichem Nutzen für den Westen im Wesentlichen irrelevante Nordkorea lässt sich eben besser für seine menschenrechtsverachtende Politik ächten als ein strategisch wichtiger Bündnispartner - und sei er auch noch so ein Schurkenstaat. Wollen wir aber mit unseren moralischen Ansprüchen an andere in Hinkunft noch ernst genommen werden, ist es an der Zeit, dass wir diese auch selbst ernst nehmen.

Der Mord an Jamal Khashoggi darf auch in der EU nicht konsequenzenlos bleiben. Es wäre zum Beispiel ein guter Zeitpunkt, die Aktivitäten des ohnehin umstrittenen saudischen Dialogzentrums bei uns in Österreich zu hinterfragen. Offenbar hat der interkulturelle Dialog nämlich unsere westlichen Werte nicht besonders erfolgreich nach Saudi-Arabien vermittelt.

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