Fall Krems

Anklage gegen Polizist fertig: Fahrlässige Tötung?

Niederösterreich
04.01.2010 16:48
Mit einer Anklage wegen "fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Umständen" sieht sich jener Polizist konfrontiert, der einen Einbrecher (14) in Krems erschossen hat. Seine Kollegin, die den zweiten, heute 17-jährigen Täter verletzte, muss nicht vor Gericht. Damit ist das Verfahren gegen die Beamtin eingestellt. Der Prozess wird voraussichtlich in Korneuburg und nicht in Krems stattfinden.

"Die Staatsanwaltschaft geht offenbar davon aus, dass die Abgabe des Warnschusses und der Treffer in den Oberschenkel des mittlerweile zu einer hohen Haftstrafe verurteilten Jugendlichen nach dem Waffengebrauchsgesetz gerechtfertigt war", sagt dazu der Wiener Rechtsanwalt Hans-Reiner Rienmüller.

Dem Vernehmen nach wurde indes die fertige Anklage gegen den 34-jährigen erfahrenen Polizisten von der Oberstaatsanwaltschaft bereits abgesegnet. Immerhin billigt die Staatsanwaltschaft dem Beamten die Annahme einer putativen (irrtümlichen) Notwehrsituation zu. Das Strafausmaß beträgt bis zu drei Jahre. Der Prozess könnte in frühestens sechs Wochen und spätestens drei Monaten über die Bühne gehen.

Prozess dürfte in Korneuburg stattfinden
Die Staatsanwaltschaft Korneuburg, die in dieser Sache von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien mit den Ermittlungen betraut worden war, wird den Strafantrag gegen den Polizisten beim zuständigen Landesgericht Krems einbringen. Zugleich wird die Anklagebehörde beantragen, dass nicht in Krems, sondern im Landesgericht Korneuburg verhandelt wird. "Damit soll jedem Anschein einer möglichen Befangenheit vorgebeugt werden", kündigte Behördenleiter Karl Schober an.

Über den Delegierungsantrag muss das Oberlandesgericht Wien entscheiden. Der Verteidiger des Polizisten hat ab Zustellung des Strafantrags zwei Wochen Zeit, diesen zu beeinspruchen.

Jugendliche wollten Supermarkt-Tresor aufbrechen
Der getötete 14-Jährige und sein 17 Jahre alter Freund waren in der Nacht auf den 5. August 2009 in den Supermarkt eingebrochen, weil sie nach Angaben des 17-Jährigen den Tresor aufbrechen wollten. Dabei lösten sie Alarm aus. Als die Polizei eintraf, versteckten sich die Jugendlichen zunächst in einem dunklen Gang vor dem Verkaufsraum.

Dort kam es zu der Begegnung mit den beiden Beamten, die sich im Dunkeln von den Vermummten angegriffen fühlten. Diese hatten eine Gartenharke und einen Schraubenzieher dabei. Während der Polizist zunächst nur einen Warnschuss abgab, feuerte seine Kollegin auf die Beine des 17-Jährigen. Das Projektil drang dem Jugendlichen in beide Oberschenkel.

Der 17-Jährige brach nach dem Treffer unweit der Türe zum Verkaufsraum zusammen, der 14-Jährige lief in den erleuchteten Raum und versteckte sich hinter einer Palette. Der Beamte folgte ihm, den Angaben des Polizisten zufolge soll der Bursche ihn angesprungen haben, als er in die Nähe des Verstecks kam.

Tödlicher Schuss in den Rücken aus zwei Meter Entfernung
Wie der Schießsachverständige Ingo Wieser und der Gerichtsmediziner Christrain Reiter herausfanden, wurde der tödliche Schuss aus einer Entfernung von 1,8 bis zwei Metern abgegeben. Der Beamte dürfte sich vor der Schussabgabe auch nicht hingekniet haben, wie er bei der Tatrekonstruktion behauptet hatte. Vielmehr sehen es die Gutachter als erwiesen an, dass der Polizist im Stehen dem 14-Jährigen in den Rücken schoss.

Da diese Erkenntnisse nicht mit den ursprünglichen Aussagen des Mannes in Einklang standen, hatten es Justizkenner für nicht ausgeschlossen gehalten, dass Anklage wegen eines Vorsatzdeliktes - etwa absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge - erhoben werden könnte.

Für die Staatsanwaltschaft Korneuburg steht allerdings fest, dass ein Fahrlässigkeitsdelikt vorliegt, wie Behördenleiter Schober erklärte: "Im Hinblick auf die vorangegangene Situation in dem dunklen Gang hat der Beamte irrtümlich Notwehr angenommen, weil der Bursche dann offensichtlich hinter dem Stapel hervorgesprungen ist. Wir billigen ihm diese Einschätzung zu, die im Rahmen der Ermittlungen  nicht widerlegt werden konnte. Tatsächlich lag eine Notwehrsituation zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Dass er sie angenommen hat, ist ihm als Fahrlässigkeit anzulasten."

von Florian Hitz und Christoph Budin (Kronen Zeitung) und krone.at

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