„Ausmaß nicht erkannt“

So unbedarft geben App-Nutzer ihre Daten weiter

Web
28.05.2018 08:41

App-Nutzer geben erstaunlich bereitwillig Informationen über Freunde oder Verwandte preis. Das zeigt eine aktuelle Studie der Wirtschaftsuniversität Wien. Demnach räumen bis zu 95 Prozent von ihnen dem App-Anbieter unbedarft Zugriff auf sämtliche Daten auf ihrem Endgerät ein.

Bernadette Kamleitner, Leiterin des Instituts für Marketing und Consumer Research an der Wirtschaftsuniversität Wien, und ihr Team gingen mit Kollegen aus Australien und Großbritannien in ihrer im Online-Fachmagazin „MITSloan Management Review“ beschriebenen Untersuchung der Frage nach, inwieweit Smartphone-Nutzer Apps bereitwillig Zugriff auf Kontaktdaten, Anruflisten oder gar sämtliche auf dem Endgerät gespeicherten Fotos gewähren.

Dazu gaben sie einerseits 287 Londoner Wirtschaftsstudenten und andererseits 505 großteils aus der EU stammenden Teilnehmern einer Umfrage-Plattform fiktiv ein neues Handy und stellten ihnen die Frage, ob sie eine Konversations-App wie WhatsApp und Co. installieren würden und beobachteten dann, wie mit Berechtigungen umgegangen wurde.

Überflogen, akzeptiert und nicht verstanden
Das Interesse daran hielt sich insgesamt in sehr engen Grenzen. Am ehesten interessierten sich die Teilnehmer noch für die Nutzerbewertungen der Apps, so Kamleitner. Entschieden sich die Personen dann für die Installation eines Programms, wurden ihnen die Bedingungen zwei Mal vorgelegt. Bei einer anschließenden Befragung darüber, welche Zugriffsrechte sie damit erteilt hatten, zeigte sich, dass 95 Prozent der Studenten und 71 Prozent der anderen Teilnehmergruppe „nicht das volle Ausmaß erkannten“. Vielen war etwa nicht bewusst, dass sie Zugriff auf die Anruflisten oder SMS gegeben hatten.

In einem weiteren Schritt wollten die Forscher herausfinden, ob den Leuten eigentlich klar ist, dass hier Daten zur Disposition stehen, die auch andere betreffen. Die Teilnehmer wurden nochmals darüber informiert, wozu sie zugestimmt hatten und erhielten eine allgemein verständliche Erklärung darüber, dass sie vielfach Blankoberechtigungen zum Zugriff auf personenbezogene Daten erteilt hatten.

Im Anschluss wurde gefragt, ob sich die Teilnehmer als einzige Person sehen, die über diese Informationen verfügen dürfen. 42 Prozent der Studenten und 49 Prozent der anderen Teilnehmer sahen sich weiterhin alleine als Verfügungsberechtigte. Hier dürfte der Gedanke vorherrschen, „was auf meinem Handy ist, gehört nur mir“, erläuterte die Wissenschaftlerin, die in weiterer Folge herausfinden möchte, warum das derart verzerrt wahrgenommen wird.

Im letzten Schritt fragten die Forscher noch danach, ob die Teilnehmer die App behalten wollen, obwohl sie damit mitunter Geburtsdaten, Adressen, Kosenamen, usw. von anderen weitergeben. Unter den Studenten behielten trotzdem 70 Prozent die Anwendung. In der anderen Gruppe waren es 65 Prozent, denen die Weitergabe der Daten „nicht wirklich wichtig“ war, so Kamleitner.

„Potenziell dramatische“ Folgen
Die Folgen dieses Verhaltens seien jedenfalls „potenziell dramatisch“. So schütze die am Freitag in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung nicht eindeutig vor der freihändigen Datenweitergabe persönlicher Daten anderer an App-Anbieter, betonte die Forscherin. Neben offenen rechtlichen Haftungsfragen sei den allermeisten Leuten einfach nicht klar, was sie hier tun. Kamleitner: „Wenn man Menschen auf der Straße nach der Telefonnummer der Mutter fragt, werden sie empört einen Übergriff in die Privatsphäre beklagen. Kommt aber eine App und möchte Zugriff auf alle Fotos und Kontakte, dann stimmt man einfach zu.“

Großer Unterschied zwischen Offline- und Online-Welt
Hier sehe man einen dramatischen Unterschied in den sozialen Normen, an die sich Menschen in Offline- und Online-Kontexten halten. Neben der Tatsache, dass das vielen nicht bewusst sei, werde im digitalen Bereich vieles extrem verharmlost, unter anderem weil es nicht konkretisiert wird - etwa, wenn neutral die Frage nach Kontakten gestellt wird, anstatt jener nach der Telefonnummer von Freunden oder Verwandten.

Davor gefeit scheint kaum eine gesellschaftliche Gruppe: Auch die Annahme, dass sich die sogenannten Digital Natives hier deutlich besser auskennen und ihre Daten besser schützen, ließe sich kaum halten. Über verschiedene Studien hinweg und auch in ihrer aktuellen Arbeit zeigt sich der Wissenschaftlerin zufolge sogar eher das Gegenteil.

Es brauche vor allem wertgetriebene technische Lösungen, „um Menschen nicht zur Schwachstelle für die Privatsphäre anderer zu machen“, betonte Kamleitner. Wonach es sich nicht „gehöre“ in der Offline-Welt zu fragen, danach solle man auch in der Online-Welt nicht gefragt werden dürfen.

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