Wahrheit und Mythos

„Krone“-Einblick: Das Netzwerk der Freimaurer

Österreich
27.05.2018 13:44

Zwischen Wahrheit und Mythos: Seit mehr als 300 Jahren existiert der hoch einflussreiche Geheimbund der Freimaurer. Ein Mitglied im „Krone“-Gespräch.

Rund 3500 Mitglieder zählen die derzeit 74 Logen in Österreich. Beim laufenden Buwog-Prozess wird wieder mehr über die Bruderschaften und ihre mal außergewöhnliche, mal enden wollende Macht in Politik und Wirtschaft geredet, als den meisten lieb ist. Niemand in diesem elitär-diskreten Kreis mag es, sobald die fünf Grundideale der Freimaurerei - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität - durch wild gewordene oder aufgeflogene Ausreißer in den Dreck gezogen werden.

Aktuell ist Ex-Lobbyist Peter Hochegger so ein Fall. Bis 2011 war er Mitglied der Wiener Großloge, in der Buwog-Affäre soll Hochegger Teil einer Verschwörung seiner mittlerweile Ex-Brüder gewesen sein. Das ortet zumindest der Anwalt des Mitangeklagten Walter Meischberger im Verfahren.

Verstößt einer der Brüder gegen den Kodex, ist er schneller draußen und geächtet, als er es für möglich gehalten hätte. Ein Ausschluss durch ein Logengericht ist unwiderruflich.

Autor beschäftigt sich mit Auswüchsen
Dass Geld und Schlüsselpositionen im Schutz eines eingeschworenen Dachverbandes, dessen Mitglieder zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet sind, auch „schwarze Schafe“ hervorbringen, damit beschäftigt sich der Kärntner Autor Manfred Wrussnig seit Jahren. In seinem in zweiter Auflage erschienenen Buch „Die Freimaurer - Geheime Rituale und Millionendeals“ zeigt er auf, wie einige Mitglieder den guten Ruf der Freimaurer, die seit ihrer Gründung vor mehr als 300 Jahren nach einer Verbesserung der Gesellschaft ganz im Zeichen des Humanismus streben, immer wieder stark beschädigen. Der Massenmörder Anders Behring Breivik, vom Rang her ein Stuhlmeister, gehört dazu. Oder Ex-Chefbanker Wolfgang Kulterer, eine der zentralen Figuren im Hypo-Alpe-Adria-Skandal. Wrussnigs Schwerpunkt liegt auf Machenschaften in Kärnten und Wien. Der eine oder andere Karriereturbo ist ebenso Thema - darunter in der Asfinag oder beim Wiener Krankenhaus-Nord-Direktor Herwig Wetzlinger.

„Geschäftsmaurerei“ bleibt stark verpönt
Doch wie anderswo gilt: Es gibt keine Sippenhaftung. Die Freimaurer (siehe Interview unten) verteidigen ihre Prinzipien, Männerfreundschaften werden geschlossen (Frauen sind nicht zugelassen - es gibt aber Frauenlogen), um im Vertrauen an der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten. Die Mitglieder nennen das die „Arbeit am Rauen Stein“, ein historischer, auf den damals hoch angesehenen Steinmetzen basierender Begriff. Die „Geschäftsmaurerei“ - ein Versuch, wirtschaftliche Vorteile aus einer Logenzugehörigkeit zu ziehen - ist streng verpönt. Eingehalten wird diese Regel - wie die Geschichte zeigt - nicht immer.

Der aus Kärnten stammende und in Wien lebende Investment- und „Playboy“-Banker Florian Koschat (43) - Sohn des früheren SPÖ-Politikers Josef Koschat - sprach als einer der wenigen Freimaurer mit der „Krone“.

„Krone“:Ist eine mehr als 300 Jahre alte Bruderschaft heute noch aktuell? Für was steht sie noch?
Florian Koschat: Aus meiner Sicht sind die Grundwerte der Freimaurerei immer aktuell und natürlich auch in der heutigen Zeit. Sie stehen für Humanität, Toleranz und soziale Gerechtigkeit.

Wer wird oder kann in Österreich eigentlich Freimaurer werden?
Jeder, der sich mit diesen Grundwerten identifizieren kann und bereit ist, an sich selbst zu arbeiten, kann Freimaurer werden. Man kann sich direkt an die Großloge von Österreich wenden oder sich einem Freimaurer anvertrauen. Vorab empfiehlt es sich, entsprechende Bücher zu lesen, um sich auf dieses Thema einzustimmen.

Warum sind Sie Freimaurer geworden?
Weil mir die Brüderlichkeit am Herzen liegt und das Wirken der Freimaurer zu einer besseren Gesellschaft beitragen soll. Durch das Ritual werden wir Freimaurer zur Selbstreflexion angeregt. Dies hilft uns, unsere Gedanken zu veredeln und positiven Einfluss auf das Zusammenleben zu erwirken.

Kann man durch die Aufnahme in eine Loge persönliche oder wirtschaftliche Vorteile erlangen?
Nein. Jeder, der sich Vorteile aus einer Mitgliedschaft bei den Freimaurern erhofft, ist fehl am Platz.

Sie bekennen sich als Freimaurer, dürfen aber andere nicht nennen. Warum wird ein Geheimnis daraus gemacht?
Viele Brüder wollen bewusst ihre Mitgliedschaft nicht offenlegen, um möglichen beruflichen und gesellschaftlichen Vorurteilen entgegenzuwirken. Die Anonymität, also die Deckung eines Bruders, endet mit dem Tod.

Wie definieren Sie die „Arbeit“ eines Freimaurers: eher ein Netzwerker oder eher ein Lobbyist?
Weder noch. Die Freimaurerei soll den einzelnen Bruder veredeln, ihn zu einem noch besseren Menschen machen. Daran wird in den Zusammenkünften gearbeitet. Dieses positive Ergebnis soll dann auch in die Gesellschaft einfließen.

Es ranken sich jede Menge Mythen rund um das Thema, um Aufnahmerituale oder um geheime Treffen wie Riten. Was passiert etwa bei der Tempelarbeit?
Die Mythen sind in Zeiten entstanden, wo Freigeister und tolerante Menschen gesellschaftlich nicht geduldet und verfolgt wurden. Viele Riten aus dieser Zeit sind heute noch Bestandteil der freimaurerischen Tempelarbeit.

Was darf man als Freimaurer überhaupt nicht?
Menschlichkeit und Toleranz missachten.

Haben Freimaurer noch immer so großen Einfluss auf Politik und auf das öffentliche Leben, wie oft und gerne behauptet wird?
Der Einfluss der Freimaurer wird zum Beispiel bei der Entstehung der amerikanischen Verfassung deutlich, weil diese eine sehr humanistische Verfassung war und weil Freimaurer wie der damalige Präsident George Washington daran mitgewirkt haben. Ich bin überzeugt, dass auch heute Freimaurer überall zur Humanität beitragen.

Haben Sie als Freimaurer etwas Gutes, Positives bewegen können?
Ich versuche, in meinem Wirkungsbereich nach unseren Grundwerten Humanität, Toleranz und soziale Gerechtigkeit zu leben. In meinem beruflichen Wirkungskreis unterstütze ich mittelständische Unternehmen, welche eine wichtige Säule unserer Wirtschaft sind. Weiters fördere ich Forschungsprojekte und setze mich stark für die wirtschaftliche Bildung von Jugendlichen ein.

Michael Pichler, Kronen Zeitung

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