Abschiebung

Zogaj-Betreuer verrät Details aus Asylbescheid

Oberösterreich
13.11.2009 14:37
"Suizidgefahr ist kein Grund gegen eine Abschiebung." Details in den Bescheiden des Bundesasylamtes stoßen beim Betreuer der Familie Zogaj, Christian Schörkhuber von der Volkshilfe Oberösterreich, auf Unverständnis. Laut der Behörde sei der Gesundheitszustand von Arigona und ihrer Mutter "nicht so dramatisch" und eine Behandlung im Kosovo zumindest theoretisch möglich. Schörkhuber hingegen sieht eine "absolute Selbstmordgefahr". Die Mutter hatte schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen.

Zwischen 72 und 96 Seiten haben die vier Bescheide, die der Familie am Donnerstag ins Haus flatterten. Darin enthalten sind unter anderem eine Chronologie des Falls sowie Einnahmeprotokolle. Die Begründung für die drohende Abschiebung: Es gebe keine Asylgründe. Es existiere aber keine andere Möglichkeit, gesundheitliche Gründe geltend zu machen, als Asyl zu beantragen, erklärte Schörkhuber das Dilemma der Familie.

Reaktionen auf die geplante Abschiebung findest du in der Infobox!

Die Mutter sei derzeit "kaum ansprechbar", berichtete er. Die beiden jüngeren Kinder, hätten von ihrer Abschiebung ebenso wie ihre große Schwester Arigona in der Schule erfahren. Sie seien "völlig verdattert" gewesen, das kleine Mädchen sei ohnehin sehr zurückgezogen und spreche sehr wenig, ist Schörkhuber besorgt.

"Selbstmordgefahr kein Abschiebungsgrund"
Das Asylamt vertrete die Auffassung, dass Suizidgefahr kein Grund sei, nicht abzuschieben, so der Betreuer der Familie. Auch werde der Gesundheitszustand von Arigona und Nurie Zogaj von offizieller Seite als "nicht so dramatisch" eingestuft, dass eine Behandlung im Kosovo nicht möglich wäre. Es gebe dort eine entsprechende Gesundheitsversorgung und Medikamente, werde argumentiert.

Bereits ein "theoretischer" Zugang zu medizinischen Einrichtungen sei demnach ausreichend, um jemanden abschieben zu können, so Schörkhuber. Die gebe es im Kosovo zwar prinzipiell, "dass dort aber ein Therapeut auf 50.000 Traumatisierte kommt, spielt keine Rolle". Auch die Frage, wer für die Kosten der medizinischen Versorgung aufkomme, müsse vor einer Abschiebung nicht geklärt werden.

"Lex Zogaj" von Innenministerin Fekter
Ein humanitäres Bleiberecht könne die Familie nicht mehr beantragen, erklärte der Flüchtlingsbetreuer weiter. Dazu müsse man 50 Prozent der Aufenthaltszeit legal in Österreich gewesen sein - eine Regelung auf Initiative von Innenministerin Maria Fekter, die Schörkhuber als "Lex Zogaj" bezeichnet. Denn die Familie habe zwar auf Zusage von Fekters Vorgänger Günther Platter, Arigona könne die Schule fertig machen, hierbleiben dürfen, offiziell sei ihr Aufenthalt aber illegal gewesen. "Jetzt bekommen sie die erforderlichen 50 Prozent nicht zusammen."

Für eine "normale Zuwanderung", also ohne Asyl zu beantragen, sieht Schörkhuber ebenfalls schwarz: Denn diese sei nur für Studierende, Schlüsselarbeitskräfte, die mehr als 2.500 Euro netto im Monat verdienen, oder bei Familienzusammenführungen möglich.

Familien-Anwalt derzeit im Ausland
Der Anwalt der Familie, Helmut Blum, weilt derzeit im Ausland. Er will aber sofort nach seiner Rückkehr Berufung beim Asylgerichtshof einlegen. Dazu hat er eine Frist von zwei Wochen. Fix ist derzeit nur, dass die Zogajs bis zum Abschluss des Verfahrens in Österreich bleiben dürfen - ihre letzte Chance im Instanzenzug.

Humanitäres Bleiberecht im Sinne der Verfassung
Der negative Asylbescheid für Arigona Zogaj ist für den Verfassungsrechtler Heinz Mayer "wahrscheinlich rechtlich in Ordnung". Die zentrale Frage aber sei, ob Zogaj ein humanitäres Bleiberecht gewährt werde, so Mayer. "Wenn man die Verfassung ernstnimmt", müsse man das in diesem Fall wohl.

Die einfachgesetzlichen Regelungen zum Bleiberecht sind laut Mayer "sehr restriktiv", was im Hinblick auf den Paragrafen 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) aber bedenklich sei. Abzuwägen sei, ob jemand etwa sozial integriert sei, einen Job habe, strafrechtlich unbescholten sei oder umgekehrt illegaler Aufenthalt über längere Zeit bestand.

"Behörden sehr kleinlich"
Generell würden sich die Behörden in diesen Fällen aber "sehr kleinlich verhalten", meinte Mayer: "Da gehts vielleicht um ein paar 100 Leute". Dabei müsse man bedenken, warum diese bereits so lange im Land seien: "Die sind ja deshalb so lange hier, weil wir nicht in der Lage sind, in vernünftiger Zeit die Verfahren abzuwickeln. Gerade dann sollte man großzügig sein."

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