Ballett der Oper Graz:

Wenn die Sehnsucht ins Leere greift

Steiermark
07.05.2018 09:03

Ein letztes Mal entführt der scheidende Ballettdirektor Jörg Weinöhl mit „Sommernacht, geträumt“ an der Grazer Oper in seine präzise ausgeloteten Zwischenwelten: Frei nach Shakespeare und zu Musik von Mendelsohn sucht er in fantastischen Räumen nach Momenten wahrhaftiger Sehnsucht. Ein traumhafter Abschied.

Es ist wohl kein Zufall, dass Jörg Weinöhl seinen auf Shakespeares „Der Sommernachtstraum“ fußenden Abend als ein „Tanzspiel“ bezeichnet. Denn auch wenn er den großen Dichter teilweise wörtlich nimmt und die Welt im Zauberwald vor Athen Kopf stehen und die Liebenden alles durch die rosa Brille sehen lässt, versucht er keine kohärente Nacherzählung des Klassikers. Vielmehr greift er spielerisch Szenen und Themen auf, gestaltet damit einen assoziativen Parcours zwischen Realität und Traum, gesellschaftlichem Korsett und romantischer Fantasie.

So ist man sich etwa nie ganz sicher, ob die Figuren die Welt, in der sie sich bewegen, auch nur als Abbild wahrnehmen: Die Häuser sind faltbar und die Landschaften bestehen aus Fototapeten, deren Motive sich auch in den tollen Kostümen (beides von Saskia Rettig) wiederfinden. Der Zauberwald scheint bei Weinöhl auf die Metaebene gerutscht zu sein. Dazu passt, dass die Figuren an einem Punkt wie auf einem Laufsteg posen. Stehen sie etwa nur Modell für Konzepte einer Liebesökonomie, die ein großer Dramatiker einst formuliert und ein Choreograph humorvoll weitergedacht hat?

Dennoch - und das ist das spannende an diesem Abend - fühlen sich die Sehnsüchte der Figuren dabei stets wahrhaftig an: Präzise und graziös in Bewegung gesetzt greifen Hermia (Astrid Julen), Helena (Clara Pascual Martí), Lysander (Daniel Myers), Demetrius (Enrique Sáez Martínez) und Zettel (João Pedro de Paula) immer wieder ins Leere, kollidieren miteinander, tänzeln an der großen Liebe vorbei.

Chris Wang nimmt als fantastisch an seiner magischen Vermittlerrolle scheiternder Puck ebenso Abschied aus Graz, wie Bárbara Flora, die in der Doppelrolle Hippolyta/Titania mit sturer Stärke beeindruckt. Und auch Simon van Heddegem (Theseus/Oberon), der nicht nur tänzerisch glänzt, sondern beweist, wie man mit beiläufigen Blicken und kleinen Gesten große Gefühle ausdrücken kann, wird kommende Saison fehlen.

Die Musikauswahl unterstreicht einen melancholischen Grundton: Im Zentrum stehen Werke von Mendelsohn, dessen schwelgerischen Elan die Grazer Philharmoniker unter Robin Engelen fantastisch einfangen. Daneben sind nicht nur Mozart (toll: Pianist Philipp Scheucher) und Lieder von Schubert und Brahms (bewegend: Andrea Purtić und Sieglinde Feldhofer) zu hören, sondern auch Udo Jürgens, denn: „Immer wieder geht die Sonne auf“.

Jörg Weinöhl und seinem Team ist ein traumhafter Abschied gelungen, von dem sich so mancher Grazer Ballettliebhaber wohl wünschen dürfte, er wäre nicht echt.

Infos und Termine finden Sie hier hier

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