"Reality Killed ..."

Robbie Williams: Mit falschem Personal auf Nummer sicher

Musik
10.11.2009 05:26
Die gute Nachricht über Robbie Williams' neues Album "Reality Killed The Video Star": Es macht den Karriere-Selbstmordversuch von 2006 mit "Rudebox" ungeschehen. Die weniger gute: Williams ist noch immer weit entfernt von einem Meilenstein wie "Escapology". Die neue Platte ist ein glattgebügeltes Songbuch geworden, bei dem der 35-Jährige in kritischen Punkten lieber auf Nummer sicher zu gehen scheint. Das meiste verhunzt aber sein Produzent.
(Bild: kmm)

Robbie Williams gehört zur Marke Superstar, die allein nicht überlebensfähig wäre. So wurde er bei der zurechtgeschliffenen Teenie-Band Take That zum Bad Boy erzogen, so setzte sich seine Karriere von den Solo-Anfängen über "Sing-" und "Swing When You're Winning" als geborener Entertainer bis zum Karriere-Höhepunkt mit "Escapology" als egozentrischer Megastar fort. Die Hits, die der Brite alleine schrieb, lassen sich an einer Hand abzählen. Das ist aber bei vielen anderen genauso und tat auch bei ihm nichts zur Sache, solange er jemanden hatte, der seine Bedürfnisse gut genug kannte, um ihm die Musik auf den Leib zu schreiben.

Diesen jemand, den Songwriter und Produzenten Guy Chambers, setzte Williams am Höhepunkt seiner Karriere nach "Escapology" und den legendären Live-Shows in Knebworth vor die Tür. Auf "Intensive Care", produziert und zum Großteil geschrieben von Ex-Duran-Duran-Mitglied Stephen Duffy, floppte "Rudebox", auf dem sich der Popstar mitten in einer Identitätskrise am wenigsten beraten ließ - und am meisten scheiterte. Mit den letzten beiden Alben kehrte auch die legitime Praxis von Williams' Plattenfirma ein, die Alben nicht wie üblich im Voraus an Rezensenten auszuschicken, sondern sie ihnen - aus Angst vor Kritik und Polemik - erst am Tag der Veröffentlichung mit allen anderen Musikrezipienten zugänglich zu machen.

Nach fast drei Jahren Pause begab sich Robbie Williams für sein siebentes Studiowerk in die Hände des britischen Produzenten Trevor Horn. Der 60-Jährige landete mit seiner Band The Buggles einst den Hit "Video Killed The Radio Star" und scheffelt seit den Neunzigern Millionen mit seinen Studioarbeiten für eine illustre Starriege von t.A.T.u. bis zu den Pet Shop Boys, aber auch gefestigten Größen wie Terry Reid, Yes oder Grace Jones. Seine Firma heißt "Perfect Songs" und seine Studios werden in England "Hit Factory" (dt. Hitfabrik) genannt - bewundernd oder abwertend, je nachdem welche Musik-Zeitschrift man zur Hand nimmt.

Horns Keyboard- und Synthie-überladener Sound war einmal bahnbrechend und kreativ. Damit umlullte er Williams und schwatzte ihm mitsamt dessen Managern den auf seinen Song zurückgehenden Albumtitel "Reality Killed The Video Star" statt dem geplanten "Il Protagonista" auf. 2009, in Zeiten der Rückkehr organischer Klänge und echter Instrumente, wirken die Arrangements aus der Horn'schen Soundschmiede aber meistens zu glattgebügelt. Das hört man derzeit im Radio bei der zweiten Single "You Know Me", einer mit Damenchor aufgepoppten American-Diner-Ballade, der aber der Biss fehlt.

Im Gegensatz zum Album-Vorboten "Bodies" klingen einige der Songs auf Williams' neuer Platte auch weniger elektronisch. Der Opener "Morning Sun", einer der auch inhaltlich spannenden Songs, streift am Sound der Beatles und lässt den Sänger mit Zeilen wie "A message to the troubadour, the world don't love you anymore" in unterhaltsamer Weise über seine Erfolgskapriolen sinnieren. Das eher rockige "Do You Mind" überzeugt die ersten zwanzig Sekunden, tauscht die lässige Strophe dann aber gegen einen fast schon belanglosen Refrain.

"Reality Killed The Video Star" ist, wenn man so will, ein ständiges Hin und Her zwischen "Rudebox"-Peinlichkeiten und Glanzmomenten der früheren Alben. "Last Days Of Disco" und "Difficult for Weirdos" sollen wohl betonen, dass der Ausflug ins Elektro-Genre ernst gemeint war, aber erst das Streicher-getragene "Starstruck" schafft es, Williams Stimme in das richtige Soundgefüge einzubetten. Mit "Superblind" knüpft man erfolgreich an die Über-Ballade "Angels" an, "Won't Do That" erinnert an die Lebendigkeit von "Sing When You're Winning" und hat auch ein bisschen vom Swing des Nachfolge-Albums - die beschwingten Covers sind übrigens Williams' meistverkauftes Album - abbekommen. Ironischerweise kommt Robbie Williams auf "Reality Killed The Video Star" seiner alten Höchstform am nähesten mit der Piano-Ballade "Blasphemy", der einzigen Kollaboration auf dem Album mit seinem alten Mentor Guy Chambers. Wenn ihm da nicht mal ein Licht aufgehen sollte...

6 von 10 falschen Personalentscheidungen

von Christoph Andert

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