Starship Cruiser

Diese Mercedes-S-Klasse ist fürs Meer gebaut

Motor
05.05.2018 16:00

Mercedes schickt die S-Klasse baden: Denn wer 2,5 Millionen Euro an Silver Arrows Marine überweist, bekommt die schwimmende Entsprechung zum Flaggschiff aus Stuttgart und wird auch jenseits der Hafenkante zum Star des Sommers.

(Bild: kmm)

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft - seit dem Ende der von Jürgen Schrempp geplanten Welt AG hat Mercedes die ursprüngliche Bedeutung des Sterns ein bisschen außer Acht gelassen und sich allein auf die Straße konzentriert. Doch ihrem Chief Creative Officer Gorden Wagener sei Dank, rücken die anderen Elemente so langsam wieder ins Bewusstsein der Schwaben: Mit seiner vergleichsweise jungen „MB Style“-Abteilung erobert der Designchef peu a peu auch den Rest der Luxuswelt. Nachdem seine Truppe für die echten Highflyer im Jetset bereits einen Hubschrauber gestaltet hat, geht nun auch noch die S-Klasse baden. Denn gemeinsam mit dem eigens für dieses Projekt gegründeten Bootsbauer Silver Arrows Marine hat Wagener ganz nach dem Vorbild des Mercedes-Flaggschiffs eine neue Luxusjacht entworfen, die nach bald fünf Jahren Entwicklungszeit nun endlich in See stechen soll. Über 14 Meter lang und mit einem Preis von 2,5 Millionen Euro deutlich teurer als die eher klassische Konkurrenz zum Beispiel von Riva will sie den Mercedes-Stern dann auch über dem Meer wieder strahlen lassen.

Beim Design haben sich Wagener und die Wassermänner vom Coupé der S-Klasse inspirieren lassen: Die Neigung der Windschutzscheibe, der Bogen der Dachlinie und die leidenschaftlichen Hüften - all das haben sie tatsächlich in einem neuen Maßstab von der Straße auf die See übertragen. Und frei nach dem Motto Silberfisch statt Silberpfeil trägt der futuristische Rumpf den gleichen Alubeam-Lack, in dem Mercedes gerne seine Showcars lackiert.

Zwar strahlt Jacopo Spadolini mittlerweile mit der Sonne an der Cote d’Azur um die Wette, wenn er Gäste oder Interessenten erst aus den Schuhen hilft und sie dann an Deck bittet. Denn die ersten Kaufverträge sind unterschrieben und die Anzahlungen eingesammelt. „Doch wir mussten bisweilen ganz schön schwitzen, um die hohen Ansprüche der Autodesigner umzusetzen,“ stöhnt der Firmenchef und erzählt vom schier endlosen Kampf um Haltegriffe oder Laufwege, die bloß keine Linien zerstören durften. Nicht umsonst hat die Arrow 460 jetzt einen Bug-Anker, der mitsamt seines Teleskopkranes elektrisch im Rumpf verschwindet, wenn er nicht gebraucht wird. Aus guten Grund surrt die Badeplattform wie eine Schublade erst dann aus dem Heck, wenn die Passagiere diese „Terrace by the Sea“ tatsächlich nutzen wollen. Und ganz sicher nicht aus Langeweile hat Spadolini über 70 Schablonen und Formen für die Karbonkonstruktion herstellen lassen, wo normale Schiffe in dieser Größe mit weniger als der Hälfte auskommen.

Und dabei beschränkt sich die Zusammenarbeit nicht auf Äußerlichkeiten. Der Boden der Kabine ist mit denselben Hölzern ausgelegt, wie zuletzt die Showcars aus Stuttgart, die Klimaanlage bläst durch Lüfterdüsen wie in der S-Klasse, es gibt eine Ambientebeleuchung in identischen Farben, selbst die Anzeige des Bordcomputers draußen im Fahrstand an Deck haben die gleiche Grafik und genau wie beim Glasdach von S-Klasse-Coupé oder Mercedes SL kann man auch die Scheiben der Arrow460 auf Knopfdruck dimmen - nur dass sie hier zehnmal größer und viel komplexer geformt sind.

Wie bei der Form bricht die Mercedes-Jacht auch bei der Innenausstattung mit allen Konventionen. Denn wo die Kabine selbst bei den teuersten Booten meist nur eine dunkle Höhle ist, in die man bei schlechtem Wetter flüchtet, hat Wagener für den Wellenreiter mit Stern eine Lounge gestaltet, die nicht minder licht, luftig und luxuriös ist wie der Innenraum der S-Klasse. Und die sich vor allem nach allen Seiten öffnet, statt die Passagiere gefangen zu nehmen. Deshalb hat die Kabine mit dem versenkbaren Glastisch zwischen der mit leichten Netzen bespannten Sofalandschaft und den geschickt getarnten Flachbildschirmen nicht nur eine umlaufende Glasfront wie ein Auto, sondern man kann die rahmenlosen Seitenfenster wie beim S-Klasse-Coupé auch komplett und natürlich voll elektrisch versenken und obendrein auch noch die Frontscheibe aufstellen, bis sie als Pergola zum Schattenspender auf dem Sonnendeck wird.

Ähnlich wie das Coupé der S-Klasse versteht sich die Arrow460 dabei nicht als Rennboot, sondern ist eher zum Cruisen gebaut. „Gran Turismo“ nennt Spadolini das Konzept und demonstriert, wie ruhig der Rumpf nach monatelangem Feinschliff im Labor durch die Wellen schneidet, ohne dass der Chef angesichts des zurückliegenden Mittagessens aus der kleinen Kombüse im Achterdeck um die hellen Bezüge auf der luftigen Sitzgruppe fürchten müsse. Trotzdem hat das Starship aus Stuttgart natürlich jede Menge Dampf - selbst wenn Spadolini der Versuchung widerstanden und doch keine V8-Motoren von AMG eingebaut hat. Stattdessen schuften gut gekapselt im Maschinenraum unter dem Heck zwei gewaltige Yanmar-Diesel, die man im Gegensatz zu den Mercedes-Motoren erstens in jedem Hafen der Welt warten kann und die zweitens zu den leisesten Motoren ihrer Art zählen. Und mit jeweils knapp sechs Litern Hubraum und 440 PS müssen sich die Sechszylinder beim Kräftemessen am Kai trotzdem nicht verstecken. Genauso wenig wie mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 70 km/h, selbst wenn Spadolini ein Reisetempo von maximal 40 Sachen empfiehlt. Erstens, weil es sonst vielleicht doch ein bisschen ungemütlich wird auf dem Luxusliner oder sich Schlangen vor dem kleinen aber feinen Waschraum bilden. Und zweitens, weil der Silberpfeil sonst gar vollends ins Schemenhafte entschwindet und die ganze Mühe der Designer vergebens war.

Zwar hat Silver Arrows tatsächlich ein Schiff auf Kiel gelegt, wie es noch keines gab, und stiehlt mit dem Silberfisch im Mercedes-Design anderen Luxusdampfern in den ausgebuchten Häfen der Cote d’Azur die Schau. Doch bis Spadolini endlich mit der Serienfertigung beginnen konnte, musste er noch einmal an die Konstruktion ran und ein paar Zentner Gewicht einsparen. Denn für das ursprüngliche Lastenheft ist die Jacht ein bisschen schwer geworden - auch da steht sie dem Coupé der S-Klasse offenbar in nichts nach.

(SPX)

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(Bild: kmm)



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