Songwriter-Legende

Paul Anka über Jacko, Sinatra und die Vegas-Mafia

Musik
11.11.2009 11:28
Frank Sinatras "My Way", Tom Jones' "She's A Lady" und den neuen Michael-Jackson-Song "This is It", der nach dem Tod des "King of Pop" jetzt Spitzenplätze in den Charts belegt. Das sind nur ein paar der Hits aus Paul Ankas Feder. Der legendäre Sänger und Komponist gastiert am 16. November in der Wiener Stadthalle. "Krone"-Musikredakteurin Franziska Trost traf Paul Anka in New York zu einem langen Gespräch mit vielen Anekdoten und Erinnerungen; von seinen Anfangsjahren im Mafia-beherrschten Las Vegas über die wilden Zeiten mit dem Rat Pack bis zur Zusammenarbeit mit Jacko.
(Bild: kmm)

"Krone": Sie haben in Ihrem Leben so viele Geschichten erlebt, dass man damit Bücher füllen könnte...
Paul Anka: Das mache ich gerade. Ich stecke gerade in der Mitte meiner Biographie. Ich habe das viele Jahre aufgeschoben, weil ich in meinem Herzen immer gespürt habe, dass ich noch nicht am Ende angelangt bin. Aber nächsten September sollte sie erscheinen.

"Krone": Mittlerweile können Sie auf mehr als 50 Jahre im Musikbusiness zurückblicken...
Paul Anka: Stimmt, ich habe damals in einer Zeit begonnen, als die Pop-Musik gerade in eine neue Phase ging. Damals waren Frank Sinatra und Perry Como in. Mit Elvis Presley, mir und all den anderen sind plötzlich die ersten wirkliche Teenie-Idole der Geschichte aufgetaucht. Sinatra hatte zwar auch schon kreischende Mädchen, aber es war nicht diese Massenhysterie. Wir waren oft alle gemeinsam in Rock'n'Roll-Bussen auf Tour unterwegs. Das war ein großartiges Training für mich. Ich habe schon damals gelernt: In diesem Business ist Gut der Feind von Großartig. Mein Ziel war es immer, großartige Arbeit zu leisten.

"Krone": Sie haben aber schnell erkannt, dass Sie für einen langanhaltenden Erfolg noch mehr machen müssen?
Paul Anka: Meine Teenager-Jahre waren vorbei, ich wusste nicht, in welche Richtung ich mich entwickeln werde. Dann bin ich in das von der Mafia kontrollierte Las Vegas eingetaucht. Ich und mein Kollege Bobby Darin wollten so cool sein wie das Rat Pack. Das Business war damals noch sehr klein, die, die überleben wollten, mussten sehr hart arbeiten. In Vegas hatte man gute Optionen.

"Krone": Waren Sie damals schon ein Fan von Frank Sinatra als Sänger?
Paul Anka: Ehrlich gesagt habe ich erst ab ca. 1960 auf ihn geachtet. Ich bin ja überhaupt nur zufällig zur Musik gekommen. Eigentlich wollte ich Schriftsteller werden. In der Schule habe ich Kurzgeschichten geschrieben und viele Preise für meine Essays über Ghandi usw. gewonnen. Ich hatte einen Job bei einer lokalen Zeitung. Außerdem habe ich begonnen, Steno-Stunden zu nehmen. Aber die Lehrerin hat mich gehasst und ich sie. Also hat man mich aus ihrer Klasse genommen und in die Musikstunden gesteckt. Dort habe ich dann Klavierspielen gelernt. Langsam wurden aus meinen Geschichten Gedichte. Und eines Tages habe ich dieses Mädchen Diana gesehen. Sie war drei Jahre älter und hat mich überhaupt nicht beachtet. Also habe ich ihr den Song "Diana" geschrieben.

"Krone": Haben Sie Diana nach Ihrem Durchbruch je wieder gesehen?
Paul Anka: Als der Song ein Hit wurde, wollte sie plötzlich mehr (lacht). Doch ich war damals schon rund um die Welt gereist und hatte wirkliche Frauen kennengelernt. Die Faszination war weg. Also hatten wir nie eine romantische oder sexuelle Beziehung.

"Krone": Viele Teenager-Stars zerbrechen an ihrem Erfolg. Wie ist es Ihnen gelungen, am Boden zu bleiben?
Paul Anka: Wenn man einen guten Background hat, dann hat man die Chance, nicht in die Fallen des Lebens zu tappen. Ich hatte ein sehr stabiles Familienverhältnis. Mein Vater hat mich gezwungen, die Schule fertig zu machen. Außerdem war ich immer von Mentoren umgeben, die auf mich aufgepasst haben. Michael Jackson z.B. hatte eine schwierige Kindheit. Alle die, die überlebt haben, hatten gute Familien. Außerdem habe ich immer geliebt, was ich mache - und wollte es nie aufs Spiel setzen. Deswegen wollte ich nie so durchdrehen, wie es viele andere taten. Ich war von so vielen Rockstars umgeben, die alle auf Heroin waren. Sie wollten mich auch dazu überreden. Aber ich habe für mich entschieden: Ich will diesen unglaublichen Traum, der wahr geworden ist, nicht verlieren.

"Krone": Ihr Vorteil im Gegensatz zu den jungen Stars heute war aber, dass Sie nicht auf Schritt und Tritt von Paparazzi verfolgt wurden, oder?
Paul Anka: In Amerika nicht, viel mehr in Europa. Aber die Gesellschaft war damals noch nicht so mediengesteuert. Wenn z.B. John F. Kennedy nach Las Vegas gekommen ist, dann waren da Showgirls, Prostituierte, Alkohol und wilde Partys, aber keiner hat sich darum gekümmert oder darüber geredet. Heutzutage können einen die Medien groß machen - aber auch wieder zerstören. Das war damals noch nicht so. Ehrlich gesagt, habe ich im Umgang mit den Medien auch viel von den Mafia-Typen gelernt, die nicht in irgendwelchen Zeitungen auftauchen wollten.

"Krone": War diese Mafia-Welt in Vegas wirklich so, wie wir es heute in den typischen Filmen sehen?
Paul Anka: Es war wirklich zum großen Teil so wie in den alten Filmen. Ich war damals noch ein junger Bub, 18, 19 Jahre alt und in Vegas schon sehr erfolgreich. Die Mafia besaß damals die Clubs, Casinos und Plattenfirmen. Sie waren damals in einem Dilemma - da war dieser Bub, den sie nicht vereinnahmen konnten, weil er noch zu jung war. Er hat ihnen aber viel Geld eingebracht, also haben sie mich in Ruhe gelassen. Und so konnte ich ungestört durch diese Welt spazieren und alles beobachten.

"Krone": Und damals haben Sie dann Frank Sinatra kennen gelernt?
Paul Anka:
Das Rat Pack waren die Herren ihrer Zeit. Wir alle wollten wie sie sein. Ich habe im selben Hotel wie sie gearbeitet. Also haben sie mich unter ihre Fittiche genommen, ich durfte mit ihnen arbeiten und ausgehen. Es war wie in einer Phantasie: Ich, der kleine schüchterne Junge aus Kanada, der kein Date bekommen konnte, war plötzlich auf coolen Parties von Girls umgeben. Das Rat Pack sind Freunde geworden, ich habe so viel von ihnen gelernt. Ich war mit ihnen befreundet, bis sie gestorben sind.

"Krone": Es scheint, dass Sie immer gerne alles selbst in der Hand haben wollten, Sie haben schon früh eigene Firmen gegründet...
Paul Anka: Ich habe schnell gelernt, dass es auch ein Business ist. Ich habe mich immer mit Menschen umgeben, die klüger sind als ich. Ich wollte nie der Klügste im Raum sein. Und wir haben die Entscheidungen dann gemeinsam getroffen, denn am Anfang bin ich viel ausgenutzt und betrogen worden. Wir haben viel Revolutionäres getan. Zum Beispiel haben wir neue Vertriebswege gefunden, über die ich meine Platten auch in den kleinsten Orten verkaufen konnte. Ich habe immer schon sehr global gedacht. Durch meine Reisen wusste ich, dass die Welt immer kleiner wird. Außerdem habe ich andere Kulturen geliebt. Also habe ich begonnen, auch auf italienisch, deutsch, französisch und japanisch zu singen. Das war mein Weg, den Fans weltweit etwas zurückzugeben und ein globaler Künstler zu werden. Es gibt so viele, die man vielleicht in Amerika kennt, nicht aber im Rest der Welt oder umgekehrt.

"Krone": Kennen Sie zum Beispiel Robbie Williams?
Paul Anka: Ich kenne ihn, er war mein Nachbar, aber stimmt, er hat es hier nie geschafft.

"Krone": Sie waren jetzt wieder in den Schlagzeilen, weil sie gemeinsam mit Michael Jackson dessen posthumen Hit "This Is It" geschrieben hatten - das Jackson-Estate hat Ihnen aber anscheinend nicht Bescheid gegeben, dass sie den Song veröffentlichen. Was ist da genau passiert?
Paul Anka: Ich glaube wirklich, dass das einfach ein dummer Fehler war. Das Jackson-Estate ist wirklich ein bisschen chaotisch. Ich kenne die Familie schon seit den 70er-Jahren, als sie eine meiner Shows in Vegas besucht hat. Als ich 1983 von der Idee hörte, dass Michael gerne mit mir für mein neues Album zwei Songs aufnehmen will, habe ich mich gefreut. Wir haben im Studio gemeinsam an den beiden Songs gearbeitet. Doch dann kam der Erfolg von "Thriller" und Jackson war plötzlich so eingespannt, dass wir unser Projekt nicht beenden konnten. Er hat die Bänder aber unerlaubterweise abholen lassen, eigentlich haben sie ja mir gehört. So kamen sie eben in seine Besitz. Und nach seinem Tod hat man sie wieder gefundench dann darauf aufmerksam gemacht, dass der neue Jackson-Song ähnlich klingt, wie der, den ich damals ein junges Mädchen namens Saphire aufnehmen hab lassen. Also habe ich ihn mir angehört und nur gemeint: Der klingt nicht nur so, das ist der Song. Und dann haben auch schon die ersten Zeitungen bei mir angerufen. Doch der Jackson-Clan hat sich schnell bei mir gemeldet und wir haben das Problem gelöst.

"Krone": Wie war denn die Zusammenarbeit mit Michael Jackson?
Paul Anka:
Wir haben uns damals in Carmel getroffen. Ich hatte dort ein schönes großes Haus, weil ich nie in diesem Hollywood-Trubel leben wollte. Michael hat in meinem Gästehaus gewohnt. Gemeinsam haben wir verschiedene Ideen am Klavier ausprobiert. Der kreative Prozess funktioniert bei allen unterschiedlich. Was Michael wirklich von allen anderen unterschieden hat, war die Einzigartigkeit seines Talents. Alles war bereits in seiner Stimme vorhanden, mit ihr konnte er die verschiedensten Sounds kreieren. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung. Ich wusste sofort, dass ich es mit jemanden ganz Besonderen zu tun hatte.

"Krone": Wie ging es Ihnen, als Sie von seinem Tod gehört haben?
Paul Anka:
Es hat mich schon sehr bewegt. Es berührt mich immer, wenn Menschen sterben, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe. Man spürt dann auch seine eigene Endlichkeit. Wir werden für eine lange Zeit keinen Künstler mehr sehen, der diesen Einfluss hatte. Es ist wie bei Elvis oder Sinatra, Jackson hinterlässt eine riesige Lücke.

"Krone": Apropos Sinatra: So wie jetzt Jackson hat auch er dank Ihnen einen Riesenhit gelandet, Sie haben ihm den Text von "My Way" auf den Leib geschrieben. Können Sie uns die Geschichte zu diesem großen Klassiker erzählen?
Paul Anka: Ich war zum Dinner bei ihm eingeladen und er hat mir eröffnet: Ich werde das Showbiz verlassen! Nur noch ein Album, dann gehe ich in Rente. Das hat mich sehr bewegt. Er hat in den Jahren davor immer schon gescherzt: Kid, wann schreibst du mir endlich einen Song? Aber dazu war ich zu schüchtern, ich war jung und hatte bis dahin nur Teenager-Songs geschrieben. Nach dem Dinner bin ich nach New York zurück gereist und habe mich gleich an meine Schreibmaschine gesetzt. Ich habe versucht, mich in ihn hineinzuversetzen: Was denkt Frank jetzt wohl. Und dann kam es ganz einfach: And now the end is near, and so I face the final curtain..." Um 5 Uhr in der Früh war ich fertig, draußen tobte ein irrsinniges Gewitter, es war richtig unheimlich. Ich habe Frank den Song geschickt, und zwei Monate später hat er ihn mir fertig über das Telephon vorgespielt. Als ich ihn singen gehört habe, sind mir die Tränen gekommen.

"Krone": Werden Sie bei diesen Geschichten manchmal ein bisschen nostalgisch?
Paul Anka: Ein bisschen, aber ich lebe nicht in der Vergangenheit, sondern im Moment. Ich habe auch gar keine Zeit dafür.

"Krone": Neben Ihrer Arbeit waren Sie immer ein Familienmensch...
Paul Anka: Ich habe mittlerweile fünf Enkelkinder, fünf Töchter, einen kleinen Sohn und die Tochter meiner Ehefrau Anna.

"Krone": Fünf Töchter waren sicher nicht so einfach...
Paul Anka: Das war wirklich eine Herausforderung. Zum Glück hatte ich eine gute Frau. Aber es war harte Arbeit. Frauen sind Gottes zweiter Fehler (lacht) - der erste waren natürlich die Männer. Ich bin sehr stolz auf sie. Drei leben in Europa, eine ist Anwältin in Italien, ihr Mann arbeitet für Lance Armstrong. Die zweite ist Schriftstellerin, die dritte lebt in Monte Carlo, die vierte arbeitet hier in L. A. als Sozialarbeiterin. Und Amanda arbeitet im Filmbiz, ihr Mann ist der junge Schauspieler Jason Bateman. Sie ist also diejenige, die am meisten mit dem Showbiz zu tun hat.

"Krone": Kommen ihre jetzige Frau Anna und die beiden kleinen Kinder auch mit auf Tour?
Paul Anka: Ich nehme meine Familie fast überall hin mit. In meinem Alter ist mein kleiner Sohn alles für mich, jeder Tag ist wichtig. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viel Freude er mir bringt. Ich bin umgezogen und habe mir im Haus mein Büro eingerichtet, um zuhause arbeiten zu können. Die Luft und die Schulen sind hier besser. Ich habe schon gelebt, der Fokus muss jetzt auf den Kindern liegen.

"Krone": Das heißt, sie kommen auch nach Wien mit?
Paul Anka: Sie kommen wieder mit - wie bei meinem letzten Auftritt. Wir wohnen wieder im selben Hotel, im selben Zimmer, Anna und die Kinder werden auf denselben Spielplatz gehen.

"Krone": Das letzte Mal sind Sie ja in der Staatsoper aufgetreten...
Paul Anka: Mmmhh, ja, das war ein sensationelles Konzert. Das Publikum in Wien ist so anspruchsvoll, die Menschen wissen genau, was sie mögen und was nicht. Für mich ist Wien immer ein Fest der Liebe!

"Krone": Können Sie schon verraten, was die Fans bei ihrem Konzert am 16. November in der Wiener Stadthalle erwarten dürfen?
Paul Anka:
Wir machen unsere Hausaufgaben. Wir schauen, wie viele wieder kommen und wie viele zum ersten Mal. Das werte ich dann aus, spreche mit den Veranstaltern, Journalisten und versuche, herauszufinden, warum die Menschen kommen. Es geht nicht darum, was ich gerne machen will, sondern was die Fans hören wollen. Außerdem habe ich eine großartige Band dabei, die sorgt auch für die Qualität.

"Krone": Hat es Sie eigentlich je gestört, wenn andere Stars mit Songs aus Ihrer Feder einen großen Hit gelandet haben und viele nicht einmal wussten, dass Sie der Urheber sind?
Paul Anka: Gute Frage. Am Anfang hätte es mich vielleicht gestört. Aber ich hatte schon früh viel zu viele Songs und wusste, dass ich alleine nicht mit allen in die Charts komme. Also habe ich damals z. B. einen Song Buddy Holly gegeben. Es gab immer Künstler, die gerade heißer waren. Für andere zu schreiben, hat mir auch geholfen, im Biz zu überleben. Dem Urheber wird immer viel Respekt gezollt. Schließlich beginnt alles mit dem Song, nicht mit dem Star. Mit der Zeit hat es mich dann nicht mehr gestört, wenn andere Erfolg mit meinen Songs hatten. Deswegen kann ich diesen Michael-Jackson-Moment gerade genießen, ich habe eine Nummer 1, das ist doch wunderbar.

"Krone": Sie haben in all den Jahren so viel erreicht, so viele Platten verkauft und Preise eingeheimst - was ist für Sie persönlich ihr wichtigster Erfolg?
Paul Anka: Mein größter Stolz sind meine Kinder. Und das ich immer noch hier bin und wohl die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Am Ende des Tages zählen nicht die Goldenen Schallplatten oder all die Preise, sondern wie man die Menschen berührt hat.

"Krone": Sie werden nächstes Jahr 70, wie halten Sie sich noch so fit?
Paul Anka: Ich achte sehr auf meine Gesundheit, ernähre mich bewusst. Ich spüre mein Alter nicht, nur wenn ich krank bin - und das ist zum Glück selten. Ich muss auf jeden Fall immer aktiv bleiben, das hält jung. Es stört mich nicht, dass ich einmal sterben muss, ich will nur einfach nicht dabei sein, wenn es passiert.

von Franziska Trost

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele