Neues Album

Die Fantastischen Vier: Politisch wie nie zuvor

Musik
03.05.2018 07:00

Knapp vor dem 30-Jahre-Bandjubiläum veröffentlicht Deutschlands erste Hip-Hop-Band mit „Captain Fantastic“ sein zehntes Studioalbum. Dabei greift man nicht nur erstmals auf externe Texter zurück, sondern gibt sich auch so politisch wie nie zuvor. Michi Beck erklärt uns im Interview u.a. auch, warum die Band noch immer relevant ist und was die vier unterschiedlichen Charaktere zusammenhält.

(Bild: kmm)

Nicht erst der ECHO-Eklat rund um Kollegah und Farid Bang brachte die Fantastischen Vier auf die Idee, sich verstärkt mit Politik zu befassen - die Lage der Welt hat dem Erfolgsquartett aus Stuttgart ausreichend Inspiration für eine neue Textausrichtung gegeben. „Geht mir weg mit eurem Stolz auf die eigene Nation, ihr seid nicht das Volk, ihr seid Vollidioten“, rappt Michi Beck etwa auf „Endzeitstimmung“, dem neben „Affen mit Waffen“ oder „Tunnel“ klarsten politischen Track auf dem brandneuen Album „Captain Fantastic“. Fast 30 Jahre lang haben die Fantas gebraucht, um die Angst zu verlieren, auf dem politischen Parkett zu plump oder trivial zu klingen. Doch getreu dem Motto „besser spät als nie“ erweisen sich die Schwaben auf dem neuen Werk als das gute Gewissen der Nation.

Endlich politisch
„Die Zeiten sind heute anders und die Welt wird immer schlechter“, erklärt Beck im Interview mit der „Krone“, „im Prinzip sitzen wir auf einem Pulverfass und die Länder agieren immer populistischer. Das musste auf diesem Album einfach mal raus. Vor allem Smudo hat sich da immer etwas geziert. Er meinte, in der Politik sind die Themen viel zu komplex, um sie in Schlagworte zu packen - es wäre zu trivial, polemisch oder kontraproduktiv. Mit ,Endzeitstimmung‘ haben wir den Kreislauf durchbrochen und wir müssen auch mal Sachen sagen und nicht immer Angst davor haben, dass etwas zu kontrovers oder vereinfacht dargestellt ist.“ Die Band arbeitet nicht nur seit mehr als zehn Jahren mit der Initiative „Laut gegen Nazis“ zusammen, sondern hat auch in Interviews, Fernsehauftritten oder bei Livekonzerten nie einen Hehl daraus gemacht, dass man politisch für Zusammenhalt steht. Nur die Songs selbst wollten die Fantas immer von ihrem Image abtrennen.

„Man wusste bei uns immer, für welche Werte wir stehen, aber fanden es irrsinnig schwierig, das in der Musik vernünftig wiederzugeben. Wir hatten immer Angst, dass wir nur Phrasen dreschen und das in Texten billig wirken würde. Wir haben uns davor gescheut, globale Situationen in einfache Reime zu packen. Manchmal wirken aber einfache Schlagworte wie bei ,Endzeitstimmung‘, wo es heißt ,es wär‘ ´ne wunderschöne Welt ohne Religion‘ oder wenn du sagst ,es geht hier nicht um irgendwelchen heiligen Kram, es geht in Wirklichkeit doch nur um reich gegen arm‘. So ist es eben und über diese Zeilen kann man danach ja noch immer reden. Unsere Maxime war es, über Sachen zu schreiben, die uns beschäftigen und nicht langweilen.“

Ironie notwendig
Den grassierenden Battle-Rap haben sie im Song „Aller Anfang ist Yeah“ mit der Textzeile „Hip Hop ist mehr als Pimmel und Image“ gestreift. Auch hier ist für Beck klar, dass es keine Grenzenlosigkeit in der Provokation geben darf. „Ich mag Rap-Texte grundsätzlich nicht, egal wo sie herkommen. Aber wenn man sich zu ernst nimmt und das mit der Gewalt und den Beleidigungen nicht mit einem Augenzwinkern macht, finden wir das nicht gut. Das verschlimmert die Situation, über die wir rappen. Lagerbildung, Populismus, Verhärtung und der Rückgang von Liebe hin zur Aggression sind furchtbare Dinge. Man darf alles sagen, wenn man es durch eine andere lustige Zeile entkräftet und Ironie erkennbar ist. Wenn Musik nur Aggression und Hass auf jemand anders zurücklässt, dann finde ich das einfach eklig.“

Altgediente Fans müssen sich aber keine Sorgen machen - bei den Fantastischen Vier gibt es auch anno 2018 noch genug Raum für Leichtfüßigkeit und gegenseitige Frotzeleien. Die gehören zum A&O im internen Band-Kanon und sind ein wichtiger Teil davon, dass die Erfolgsmaschinerie, die im deutschsprachigen Raum unaufhaltsam die großen Konzerthallen füllt, gut geölt weiter arbeitet. „Für uns ist diese Art von Sarkasmus oder Selbstironie viel einfacher als reine Angeberei. Das ist unsere Art, uns über uns selbst zu freuen. Wenn wir uns selbst komisch darstellen lassen, können wir uns lange selbst darüber kaputtlachen.“

Der Jedi der „Fantis“
Bei den Fantas stellte sich nach dem im Oktober 2014 veröffentlichten Erfolgsalbum „Rekord“ und der Grenzen sprengenden „25“-Tour wie so oft die Frage, warum man denn eigentlich noch weitermachen solle. Zumal es bekannt ist, dass es sich in keinem Populärmusikgenre so schlecht altern lässt wie im Rap. Der Albumtitel ist trotzdem nicht zwingend als auditives Superheldenepos zu sehen. „,Captain Fantastic‘ ist kein Superheld, aber es ist schon der Begriff für die Art übernatürliche Power, die im Raum sein muss, dass wir nach all den Jahren noch immer in der gleichen Besetzung zusammen sind und Musik machen. Die Superkraft des Gemeinsamen gilt als ,Captain Fantastic‘. Was die Macht für den Jedi ist, ist ,Captain Fantastic‘ für den Fanti. Am Anfang der Platte haben wir uns nicht gefühlt, als hätten wir Superkräfte. Beim zehnten Album nach 30 Jahren Rap ist es nicht einfach zu schreiben.“

Die Trendwende kam erst, als sich die Band in eine Richtung bewegte, die bislang absolut tabu war. „Wir haben uns bei der heiligen Kuh textlicher Input stark geöffnet, wo wir u.a. mit Samy Deluxe, Curse und Damion Davis geschrieben haben. Als wir mit ihnen zusammengesessen sind, kamen wir drauf, dass wir eher altertümlich arbeiteten. Curse meinte, von den deutschen Rappern lassen sich bestimmt 75 Prozent den Großteil ihrer Texte schreiben. International tun das die Großen sowieso - wir sind also in guter Gesellschaft. Wir arbeiten seit etwa zehn Jahren musikalisch mit anderen Produzenten, aber das Thema Texten wollten wir nie aus der Hand gegeben. Das haben wir auch nicht gemacht, aber wir haben gemerkt, wie hilfreich es ist und wie gut es tut, nach all der Zeit diesen Input von außen zu kriegen. Man verrennt sich sonst im Kosmos eines Vierer-Ehepaars und geht sich gegenseitig auf die Nerven.“

Erfolg mit Abstand
Ein Teil der Fanta-Familie zu sein, ist nicht immer so einfach, zumal die vier Charaktere in der Band unterschiedlicher nicht sein könnten. „Wir haben alle vier das gleiche Schicksal erlebt. Vom Durchschnitts-Teenie zu Bravo-Stars und dann weiter zu ernstgenommenen Musikern. Dieses Gefühl teilen nur wir miteinander. Der andere Aspekt ist, dass die Marotten der anderen immer härter werden. Deshalb war es auch immens wichtig, dass wir alle Ende der 90er-Jahre in andere Städte gezogen sind, um den notwendigen Abstand zu haben.“

Auf den Lorbeeren ausruhen kommt für die Band nicht in Frage - deshalb ist die erste Hip-Hop-Band Deutschlands auch voll ungebrochener Motivation. „Der Biss muss da sein. Es reicht nicht, wenn etwas ganz gut ist. Wir wollen ein geiles Album machen und Tracks schreiben, die live gut funktionieren und nicht 08/15 sind. Das ist anstrengend und es ist nicht selbstverständlich, dass wir ein paar neue Songs schreiben und damit wieder auf Tour gehen. Wir haben heute mehr Zuschauer denn je, aber es ist kein Garant dafür, sich auf der Bühne gut zu fühlen. Daran sind schon viele große Stars gescheitert oder haben sich ins Nirwana geschossen, weil man deshalb Depressionen kriegt. Künstlerischer Erfolg lässt sich nicht nur in Zahlen messen, aber die Zahlen sind natürlich hilfreich.“

Live in Wien
Eine garantiert wieder gut gefüllte Stadthalle werden die Fantastischen Vier am 9. Jänner 2019 in Wien vorfinden, wo sie nicht nur die großen Hits ihres neuen Albums „Captain Fantastic“, sondern auch all die großen Klassiker zelebrieren werden - und das erstmals in ihren 50ern. Karten für das Konzerthighlight erhalten Sie unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.

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