A4-Schlepperprozess

Nerven liegen blank: „Wie lange wollt ihr lügen?“

Österreich
20.04.2018 17:05

Turbulenter Gerichtstag im ungarischen Kecskemet, wo derzeit der A4-Schlepperprozess läuft: Nach gegenseitigen Schuldzuweisungen haben sich am Freitag die Angeklagten ein Schreiduell im Gerichtssaal geliefert. Es ging darum, wer welche Rolle bei der tödlichen Schlepperfahrt in der Nacht zum 27. August 2015 bzw. beim Kauf jenes Kühl-Lkws gespielt hatte, in dem 71 Flüchtlinge qualvoll erstickten. Der an sich ruhige 31-jährige afghanische Hauptangeklagte verlor die Fassung und brüllte: „Wie lange wollt ihr noch lügen?“

Vor der Aussage des Afghanen kam jener Autohändler, der den Todes-Lkw an die Bande verkauft hatte, als Zeuge zu Wort. Er berichtete, dass der Hauptbeschuldigte, sein Vize und ein Komplize - ein bulgarisch-libanesischer Staatsbürger - als Vermittler beim Kauf dabei waren. Der Autohändler erzählte, dass dieser Vermittler berichtet habe, dass sich der 31-jährige Bandenboss sehr für den Lkw interessiere - so etwas habe er immer gesucht, sagte er laut dem Zeugen.

Der Autoverkäufer erklärte den Männern, wie die Kühlung ein- und ausgeschaltet wird. Er sagte ihnen auch, wie die Schließvorrichtung bei dem Kühl-Lkw funktioniert. Als er ihnen das Schwerfahrzeug verkauft hatte, habe es keine zusätzliche Versperrung gegeben, sagte er gegenüber Richter Janos Jadi. Der Händler sagte auch, dass es nicht möglich gewesen wäre, die Tür vom Inneren des Laderaums zu öffnen. Und der Lkw wäre in einem guten Zustand gewesen.

„Fürchte dich vor Gott!“
Den Aussagen des Autohändlers widersprach der Erstangeklagte. Er habe sich nach der Luftzufuhr erkundigt, aber der bulgarisch-libanesische Komplize hätte ihn beruhigt, dass genügend Luft über die Kühlanlage in den Frachtraum strömen würde. Der Afghane beschwerte sich lautstark, dass ihm der Komplize und sein Vize nun alles in die Schuhe schieben wollen. „Wie lange wollt ihr noch lügen?“, brüllte er. Er hätte doch nur gezahlt, der Komplize das Auto aber beschafft. „Fürchte dich vor Gott“, schrie der Komplize, weshalb Jadi zur Ordnung rief.

Hauptangeklagter: „Ich verstand statt Sauerstoff Luft in den Reifen“
Wie es zu seiner Aussage „Die Flüchtlinge sollen ruhig sterben“ gekommen sein soll, erklärte der Afghane einerseits mit sprachlichen Missverständnissen und andererseits mit dem Stress, den der zweitangeklagte Chef der Fahrer am Telefon gemacht habe, als die im Lkw eingesperrten Flüchtlinge nicht zu schreien und zu klopfen aufhörten. Während der Bulgare auf Serbisch vom Sauerstoffmangel im Frachtraum gesprochen hatte, verstand der Bandenchef, der die Sprache nicht so gut beherrscht, laut seinen Angaben die Luft in den Reifen.

Die zahlreichen Anrufe des Zweitbeschuldigten hätten ihn so nervös gemacht, dass er sich zu der bereits erwähnten Aussage habe hinreißen lassen. Er habe das nicht so gemeint, versicherte der Hauptangeklagte dem Senat.

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