Poly-Medikation:

Senioren-Studie: Viele Pillen sind nicht notwendig

Salzburg
19.04.2018 15:05

Von Oktober 2016 bis Dezember 2017 wurden in Seniorenheimen in Salzburg 611 Bewohner und ihre Medikationen genauer unter die Lupe genommen. Fazit:  Bei knapp 35 Prozent der Heimbewohner gaben die Apotheker insgesamt 502 Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation ab. In 121 Fällen war eine unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung der Grund: Kognitionsstörungen, Erbrechen, Durchfall, Blutdruckabfall, Elektrolytstörungen sowie Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion. Meist wurde empfohlen, bestimmte Medikamente abzusetzen (43 Prozent) bzw. die Dosis anzupassen (23 Prozent). 

Die österreichische Bevölkerung wird immer älter. 2016 lag der Anteil der 60- bis 80-Jährigen bei 32,5 Prozent. Umso wichtiger ist die medizinische Betreuung der älteren Generation. Denn drei Viertel der Alters- und Pflegeheimbewohner nehmen täglich über fünf Wirkstoffe ein - die Polymedikation wird zunehmend zum Problem, warnten Expertinnen und präsentierten ein Projekt, das Abhilfe versprach.

Durch die Kombination von verschiedenen Medikamenten kann es nämlich zu gefährlichen Neben- und Wechselwirkungen kommen. Gerade Pflegeheimbewohner sind aufgrund ihrer gesundheitlichen und altersbedingten Einschränkungen besonders empfindlich für unerwünschte sogenannte Arzneimittel-Ereignisse wie Schwindel, Verwirrtheit oder Stürze. Oft geht es den Betroffenen so schlecht, dass sie eine ärztliche Behandlung oder die Einweisung ins Krankenhaus benötigen. Das wäre vermeidbar, erklärten Diemut Strasser und Elisabeth Kretschmer, Projektleiterinnen von „Gemed“ (Multiprofessionelles Geriatrisches Medikamentationsmanagement).

Pflegekräfte, Apotheker und Hausärzte eingebunden

Von Oktober 2016 bis Dezember 2017 wurden in Seniorenheimen in Salzburg 611 Bewohner und ihre Medikationen genauer unter die Lupe genommen. Das Durchschnittsalter betrug knapp 84 Jahre. Ein Drittel waren Männer, zwei Drittel Frauen. Pflegekräfte, Apotheker und Hausärzte wurden ins Projekt miteingebunden. Somit wurden die Bewohner durch die Experten einer regelmäßigen monatlichen Analyse ihres Medikamentenkonsums unterzogen. 377 der 611 Bewohner konnten über den gesamten Beobachtungszeitraum betreut werden.

Bei knapp 35 Prozent der Heimbewohner gaben die Apotheker insgesamt 502 Empfehlungen zur Überprüfung der Medikation ab. In 121 Fällen war eine unerwünschte Neben- oder Wechselwirkung der Grund: Kognitionsstörungen, Erbrechen, Durchfall, Blutdruckabfall, Elektrolytstörungen sowie Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion. Meist wurde empfohlen, bestimmte Medikamente abzusetzen (43 Prozent) bzw. die Dosis anzupassen (23 Prozent). Zu 64 Prozent nahmen die Ärzte die Empfehlungen durch Apotheker und Pflegepersonal an. 85 Prozent der Mediziner beurteilten diese Empfehlungen als sehr hilfreich bzw. hilfreich.

Gefahr auch für zu Hause lebende ältere Menschen

„Das Ergebnis ist alarmierend“, meinte Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, „wenn man bedenkt, dass man 43 Prozent der Medikamente streichen könnte“. Hier seien Heimbewohner untersucht worden, doch die größere Gefahr seien der Medikamentenkonsum der Menschen, die zu Hause leben. Immerhin werden 45 Prozent der älteren Menschen von Angehörigen gepflegt.

Deshalb würden sich 70 Prozent der Apotheker, 93 Prozent der Pflegefachkräfte und 60 Prozent der Ärzte eine Weiterführung des Projekts wünschen, sagte Projektleiterin Kretschmer. Für ein weiteres Jahr sei nun ein Folgeprojekt in den Salzburger Heimen geplant, erklärte ihre Kollegin. Doch für eine Ausweitung in andere Gebiete braucht es die Sicherstellung des Honorars für diese Dienstleistung, sagte Strasser. „Es gibt Interesse aus anderen Bundesländern“, berichtete Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, die das Projekt mitfinanziert hat. Das werde nun evaluiert. „Arzneimittel können sehr viel Gutes tun, aber auch viel Schaden anrichten“, meinte Projektleiterin Strasser.

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