Live in der Stadthalle

Imagine Dragons: Bombastshow mit Botschaft

Musik
16.04.2018 00:38

Vor 14.500 Fans legten die Imagine Dragons in einer ausverkauften Wiener Stadthalle Sonntagabend ihren bislang größten Österreich-Auftritt aufs Parkett. Mehr als zwei Stunden lang begeisterten Dan Reynolds und Co. ihre Anhänger mit einer fulminanten Show, hatten aber massive Probleme, den Spannungslevel aufrechtzuerhalten.

(Bild: kmm)

Vor etwa viereinhalb Jahren schwappte der Hype ihres Debütalbums „Night Visions“ nach Österreich und plötzlich ging für die Imagine Dragons alles sehr schnell. Beim Frequency 2013 noch am Nachmittag im Einsatz, war für das Jahresende eine Show im Flex geplant - die Nachfrage lag aber im 8.000er-Bereich, wodurch die Veranstalter schnell in die Stadthalle ausweichen mussten. Gute vier Jahre, zwei weitere Alben und unzählige Chart-Spitzenplätze später füllt das Quintett aus Las Vegas die Stadthalle schon Wochen vorher bis auf den letzten Rang und steckt vor dem unbändigen Jubel von 14.500 Fans im Backstagebereich im Vorbeigehen auch noch schnell eine Platinadelung für das aktuelle Album „Evolve“ ein. Ein modernes Popmusikmärchen das im kriselnden Business tatsächlich zu einer Rarität geworden ist.

Single-Künstler
Dabei ist das Erfolgsrezept der Amerikaner ein denkbar einfaches - sie spielen Konsens-Pop. Das muss man nicht automatisch negativ konnotieren, trifft aber eben exakt den Geschmack der breiten Masse. Hier etwas Alternative Rock, dort ein paar Hip-Hop-Einsprengseln, viel kantigen US-Pop und in den ruhigen Momenten irisch angehauchten Folk. Das fügen die Fünf so geschickt zusammen, dass dabei Gassenhauer wie „Radioactive“ oder „Believer“ entstehen, die jeder Teenager vom Vers über die Strophe bis zum Refrain in- und auswendig mitsingen kann. Songs, die schnell ins Ohr gehen, dort verhaften bleiben und dabei exakt die „Generation Spotify-Playlist“ erwischen: nur nicht zu viel und bitte kurz und knapp. Die Imagine Dragons sind eine Band, die sich branchenthematisch geschickt auf das Kreieren eindringlicher Singles konzentriert, um damit ein Maximum an Erfolg herausziehen zu können. Ein Kracher folgt dem anderen, dementsprechend schnell verlieren sich die „Filler“ der Setlist aber auch in der Beliebigkeit.

Nummern wie „Gold“, der Love-Song „I’ll Make It Up To You“ oder das mit theatralisch-kitschigen „Ooohoho“-Chören verstärkte „Rise Up“ sind ebensoschnell wieder vergessen, wie sie in der grell flackernden Stadthalle aufgeführt werden. Vor der überdimensionalen Videowall thront Frontmann Dan Reynolds, ein fitnessgestählter Künstler-Cyborg mit Pferdelunge, Kondition eines Sportlers und der Optik eines aufgeblasenen Justin Timberlake. Seit seinen letzten Österreich-Gastspielen hat er eindeutig die Liebe zum Fitnesscenter entdeckt, ansonsten wäre eine mehr als zweistündige Show mit derartiger Athletik aber auch gar nicht zu schaffen. Zum gegenwärtigen Trend müssen auch die Looks der Bandmitglieder passen. Da dürfen Hosen natürlich nicht über die Knöchel gehen und golden glitzernde Gitarren sollen den neuen Karrierestatus verbildlichen. Passend zum physischen Prunk ihres Frontmannes geizt die Band auch nicht mit optischem Pomp und Trara. Schon beim Opener „I Don’t Know Why“ wird der erste Konfettiregen durch die Halle geblasen - das Schauspiel wird sich im Laufe des Sets noch viermal wiederholen. Höher, schneller, weiter.

Seelenstriptease
Dazwischen bleibt auch Zeit, für die verbale Rettung der Welt. Bei „Believer“ bietet der Frontmann allen Anwesenden einen sicheren Platz fernab von Kriegen, Politik oder Religionen an. Vor dem einstigen Single-Hit „Demons“ spricht Reynolds freimütig und offen über die schweren Jahre, während denen er an Depressionen litt und bietet Gleichgesinnten zumindest metaphorisch eine Schulter zum Anlehnen. „Nehmt euch nie das Leben. Wir brauchen euch und eure Einzigartigkeit.“ Das ist kein effektheischender Bono-Monolog, sondern ein Seelenstriptease mit Gänsehautgarantie, der zwischen all dem audiovisuellen Bombast wie eine Bombe einschlägt. Neben all der inhaltlichen Brisanz darf auch die Vorbildwirkung für die vielen jungen Fans nicht vernachlässigt werden.

Einen zweiten „Unplugged“-Moment gibt es im Schlussdrittel, wo die Band eng beieinanderstehend auf einer Minibühne „Next To Me“, „Dream“ und „I Bet My Life“ intonieren. Wenige Momente des Durchatmens in der Hochgeschwindigkeitselegie, die auch von den Fans volle Kraft fordert. Reynolds ist mit seiner Bühnenpräsenz dabei ein Nick Cave für Teenager. Er predigt ihnen ebenso zu, kniet sich ein ums andere Mal demütig auf den mit LED-Lichtern durchzogenen Bühnenboden und fühlt sich sichtlich wohl, wenn ihm die treu Ergebenen frenetisch zujubeln. Das abgedrehte „Thunder“ intoniert der Sänger mit K. Flay, die im Vorprogramm mit düster-rockigen Hip-Hop-Songs wie „Giver“ oder „Blood In The Cut“ eine große Talentprobe abgab, aber besser in einen schummrigen Club passen würde.

Da capo im August
Die Imagine Dragons hingegen bereiten sich wohl schön langsam auf eine Zukunft mit Stadienshows vor, sofern die Popularität um die Hitparadenstürmer weiterhin derart breitflächige Wurzeln schlägt. Die Nähe zu Coldplay oder den Kings Of Leon ist nicht von der Hand zu weisen und mit Sicherheit kein kommerzieller Nachteil, zudem wissen die Amerikaner mittlerweile, wie man eine souverände Show aufs Parkett zaubert. Zuerst gibt es in knapp vier Monaten aber ein Wiedersehen beim Frequency Festival - Karten dafür gibt es noch unter www.frequency.at.

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