„Helfen statt strafen“

Drogen-Tatort Schule: Kartelle nützen Kinder aus!

Österreich
16.04.2018 06:01

Drogenhandel vor den Augen der Lehrer, Suchtmittel-Konsum im Pausenhof: An Österreichs Schulen fallen alle Hemmungen. So wie im Fall jener 16-Jährigen, die völlig ungeniert in ihrer Eisenstädter Schule Drogen verkaufte. Sie hatte Cannabis, Ecstasy und Amphetamin im Sortiment, 50 Abnehmer und machte 200.000 Euro Umsatz! Aber ist das nur ein Einzelfall oder bereits Realität in Österreichs Klassenzimmern?

Leider wohl Letzteres - denn mittlerweile kann jeder kinderleicht über das sogenannte Darknet Suchtgift bestellen und dieses dann teurer an diverse Abnehmer (etwa Mitschüler) weitergeben. Die Verkäufer sitzen meist im Ausland und tarnen ihre Drogenlieferungen geschickt als harmlose Versandhausbestellungen. Deren Kunden bezahlen üblicherweise in der anonymen Kryptowährung Bitcoin.

Handel in den feinen Elite-Gymnasien
Hauptzielgruppe des schwunghaften Handels mit „Gras“, Pillen und Co. sind Jugendliche, die sich durch den Weiterverkauf auf dem Pausenhof oder gleich direkt in der Schulklasse ein schönes Extra-Taschengeld verdienen. Besonders alarmierend: Mittlerweile zählen nicht nur Haupt-, Neue Mittel- und Berufsschulen zu den „Brennpunkt-Standorten“ Österreichs, sondern auch die sogenannten feineren Bildungseinrichtungen. Ein Insider zur „Krone“: „Wer glaubt, dass in unseren Elitegymnasien nicht gedealt oder gekifft wird, täuscht sich gewaltig. Gerade die Kinder prominenter Eltern verfügen über die nötigen Mittel, um sich illegale Substanzen zu besorgen.“

„Cannabis verzögert Gehirnreifung“
Einer, der die Drogensituation in unserem Land kennt wie kaum ein anderer, ist Kurosch Yazdi, Suchtmediziner am Linzer Kepler-Universitätsklinikum und Autor des Buches „Die Cannabis-Lüge“. Als problematisch empfindet er, dass der Konsum von „Gras“ vor allem von Schülern verharmlost wird: „Viele junge Menschen glauben, es könne nicht süchtig machen, sei ,gesünder‘ als Alkohol und Zigaretten. Doch das ist ein Irrglaube.“ Und er warnt eindringlich: „Cannabis ist eine Einstiegsdroge und verzögert die Gehirnreifung!“

Faßmann will „helfen statt strafen“
Die „Krone“ fragte auch bei Bildungsminister Heinz Faßmann nach, wie er die Drogensituation an den Schulen bewertet?
Heinz Faßmann: Mit dem 2016 eingeführten Straftatbestand §27/2a Suchtmittelgesetz konnte die Suchtgiftszene durch Schwerpunktaktionen nachhaltig bekämpft werden. Mehr Kontrollen führen natürlich zu einem Anstieg von Anzeigen.

Was wird getan, um Drogendeals bzw. -konsum in Klassen zu verhindern?
Schulen sind verpflichtet, jungen Menschen, die illegale Suchtmittel missbrauchen, gezielte Hilfe anzubieten. Das Gesetz ermöglicht es Schulen zu helfen, ohne dabei zu strafen, ohne Anzeige und ohne Diskriminierung. Hat jemand einem Mitschüler allerdings Suchtmittel überlassen oder beschafft, hat dies Konsequenzen: Schwere Delikte, wie etwa die Weitergabe von Drogen an Minderjährige, das gewerbsmäßige Dealen oder das Begehen von Suchtmitteldelikten als Mitglied einer Bande, werden natürlich stets mit dem Schulausschluss zu ahnden sein.

Welche Konsequenzen gibt es aus schulischer Sicht, wenn Schüler mit Drogen erwischt werden?
Der Konsum von legalen und illegalen Suchtmitteln kann an einer Schule nicht toleriert werden. Bei einem begründeten Verdacht muss nach einem Ablaufplan gehandelt werden, der das Prinzip „Helfen statt strafen“ in den Mittelpunkt stellt. Aus pädagogischer und rechtlicher Sicht braucht es eine Haltung, die zum Ziel hat, den betroffenen Schülern Unterstützung zu bieten und ihnen zu helfen, einen Schulabschluss zu erreichen und weitere problematische Konsum-Entwicklungen zu verhindern.

„Kartell nützt Kinder aus“
Für die „Krone“ packt nun zudem ein Schüler aus einer Landeshauptstadt aus: Fakt sei, so der 17-Jährige, der aber anonym bleiben will, „dass 14-Jährige aus unserer Schule bereits dealen“. Angeführt werde das Ganze von Tschetschenen, die die Kinder unter Druck setzen. „Sie geben ihnen am ersten Tag des Monats zehn Gramm Cannabis (1 Gramm kostet ca. 10 Euro), welches diese ,Marionetten’, wie wir solche Kinder nennen, dann bis zum Ende des Monats verkaufen müssen. Bringen sie nur 5 Gramm ,weiter’, müssen sie für die restlichen 50 Euro selbst aufkommen. Können sie das nicht, drohen ihnen die Kartellbosse mit Waffen.“

Zur Polizei zu gehen, sei für diese Kinder auch keine Alternative, sagt der Schüler. Da in Österreich das Dealen im Jugendalter, also ab 14, „zu stark bestraft“ wird. Im Grunde seien das ja Kinder, „die wegen des enormen Schuldrucks, Mobbings und Problemen im Elternhaus da hineingeraten sind“. „Anstatt mit ihnen gemeinsam gegen die Kartelle vorzugehen, geht die Polizei gegen 14-Jährige vor, sodass es für die meisten fast unmöglich ist, aus dem Kartell legal auszutreten bzw. dabei Hilfe zu bekommen.“

Gerald Schwaiger, Kronen Zeitung

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