Kunstverein:

Blick, der bis in die Poren dringt

Salzburg
16.04.2018 06:57

Buchladen und  Tanz des Widerstands:

„Als ich Katarina Zdjelar Arbeit “AAA (Mein Herz) letztes Jahr bei einer Ausstellung in Amsterdam sah, war ich so berührt, das ich Gänsehaut bekam„, so Kunstverein Direktor Seamus Kealy.

Verständlicherweise, denn die Videoprojektion der Belgrader Künstlerin zeigt eine junge Frau, die einen, während sie musikalische und literarische Werke von Rachmaninoff , Womack & Womack, Wojaczek und Schubert wiedergibt, mit einem Blick fesselt, der jede einzelne Pore unseres Körpers zu durchdringen zu scheint! Während sie uns nicht mehr aus den Augen lässt wechseln Stille, Musik, Klang und Worte bzw. kollidieren miteinander, so dass man automatisch davon ausgeht, die Videoprojektion besteht aus unterschiedlichen Fragmenten, die einzeln gefilmt und anschließend zu einem Ganzen zusammengeschnitten wurden. Dem ist allerdings nicht so. Vielmehr hat Zdjelar die Videoarbeit in einer einzelnen Einstellung gedreht und widersetzt sich somit der Konstruktion von Information und damit einhergehenden Manipulation!

Widerstand ist auch Thema ihrer neuesten Arbeit “Not A Pillar Not A Pile (Tanz für Dore Hoyer)„, die sich aus vier Monitoren und einer Bodenskulptur zusammensetzt. Für dieses Projekt ließ sich die 38-Jährige von zwei Frauen inspirieren, die sich in ihrem künstlerischen Schaffen politischen Systemen der Vor- und Nachkriegszeit widersetzten. Dore Hoyer, eine deutsche Ausdruckstänzerin und Choreografin, die 1945 in Dresden ein rein weibliches Tanzstudio gründete und als “erste Existenzialistin des Modern Dance„ galt, und Käthe Kollwitz, die in ihren grafischen Arbeiten die Folgen von Armut, Hunger und Krieg für die Arbeiterklasse in Deutschland thematisierte.

Zdjelar bezieht sich in ihrer skulpturalen Installation auf Hoyers Stück “Tanz für Käthe Kollwitz„, das 1946 an der Dresdner Staatsoper Premiere hatte, und übersetzt es quasi in die Gegenwart. Ihre Darsteller unterschiedlicher Hautfarbe bewegen sich in Hoyers Manier zunächst synchron zueinander, brechen dann aber aus dieser harmonischen Beziehung aus, verrenken und verbiegen ihre Körper und verharren minutenlang in bewegungslosen Posen, bis ihre Gesten anfangen politische Bedeutungen anzunehmen wie z.B. die geballte Faust des antifaschistischen Widerstands.

“Zdjelar erforscht wie Menschen anhand von Gesten, Sprache und Stimme ihre Identität darstellen und erfinden. Indem sie nahtlos zwischen natürlichen und inszenierten Aktionen und Persönlichkeiten hin- und herpendeln, bewegen sich Zdjelars Filme zwischen Künstlichkeit und Wirklichkeit - sie fordern uns auf, die Zweideutigkeit, die Konflikte und die Schönheit der menschlichen Erfahrung zu bedenken„, so Kealy.

Als Aufforderung Bücher nicht gegen Kindle & Co. zu tauschen, soll man die temporär installierte Buchhandlung im Kabinett sicher auch auffassen. In erster Linie kann man dort bis Anfang Juli neben raren Exemplaren von Künstler-Publikationen, aber in den „Black Pages“ von Christoph Meier, Ute Müller und Nick Oberthaler blättern. Das Künstler- und Publizistenkollektiv hat in den letzten neun Jahren 80 „Hefte“ in limitierter Auflage von Künstlern wie Rebecca Morris, Lawrence Weiner, Hayley Tompkins oder Gerwald Rockenschaub ganz nach ihren Vorlieben gestalten lassen. Da lohnt sich nicht nur ein Blick, sondern auch der Kauf - es kostet nämlich nur 2 €!

Tina Laske
Tina Laske
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