Konzert & Interview

The Wombats: Würdevoll durch die Zeit getaucht

Musik
13.04.2018 08:34

Mit „Beautiful People Ruin Your Life“ haben die Wombats unlängst ihr bestes Album seit ihrem kultigen Debüt 2007 veröffentlicht. Nach mehrjähriger Abwesenheit waren Sänger Murph und Co. damit auch endlich wieder auf Tour und machten Donnerstagabend in der ausverkauften Wiener Arena Station. Vor dem energetischen Gig trafen wir den Frontmann zum entspannten Gespräch über musikalischen Zeitgeist, Yoga und eine eventuelle Ver-Amerikanisierung des Bandsounds.

(Bild: kmm)

Von allen britischen „The“-Bands waren die erst 2007 ins breite Licht der Öffentlichkeit gerückten The Wombats schon immer die tanzbarsten und hittauglichsten. Ganze drei Jahre ließ sich das Trio aus Liverpool nicht mehr in Österreich blicken, überspielt haben Matthew „Murph“ Murphy und Co. ihr Publikum aber ohnehin nie so stark, wie andere, dauertourende Bands. So war der Hunger der Fans groß und die Wiener Arena schon Wochen im Vorfeld ausverkauft. Das geschah nicht nur aufgrund der vielen Hits aus der Vergangenheit, sondern auch wegen des neuen Albums „Beautiful People Ruin Your Life“, mit dem die Briten vor knapp zwei Monaten ein zweites Mal den dritten Platz der englischen Albumcharts eroberten.

Keine Perfektion
Mehr Gitarren und weniger Synthiespuren waren die oberste Prämisse für das vierte Werk und das wusste das Trio auch in Wien hervorragend umzusetzen. Von den ersten Klängen der neuen Single „Cheetah Tongue“ an hatten die Wombats ihr Publikum fest im Griff und konzentrierten sich mehr auf Energie und Spielfreude, denn auf Perfektion. Dass „Emoticons“ aufgrund technischer Probleme sogar abgebrochen werden musste, tat der Stimmung keinen Abbruch. Neben dem deutlich erschlankten und vitalen Frontmann stachen besonders der stets über die Bühne tänzelnde Bassist Tord Knudsen und die üppigen Lichteffekte heraus.

In den Bann ziehen sie ihre Anhänger mit den unzähligen Hits. „Kill The Director“, „Jump Into The Fog“, „Moving To New York“ oder der Durchbruchssong „Let’s Dance To Joy Division“ - beneidenswert, wie leicht den Mittdreißigern memorable Kompositionen über die Jahre aus der Hand flossen. Verstärkt mit den famosen Songs des aktuellen Albums, des wohl besten seit ihrem Debüt vor elf Jahren, ergibt das eine schweißtreibende Hochgeschwindigkeits-Indierockshow, die nur beim nachdenklichen „I Don’t Know Why I Like You But I Do“ kurz den Fuß vom Gaspedal nimmt. Mit Songs wie „Turn“ und vor allem „Lemon To A Knife Fight“ sind die Wombats, die am Ende selbige Tiere in Kostümen auf der Bühne tanzen lassen, leichtfüßig und mühelos in der Gegenwart angekommen. Humor und Spielfreude hielten sich stets die Waage und nach 90 Minuten wussten so einige: da wäre sogar noch mehr gegangen. Vielleicht als Zugabe ja bald auf einem Festival. Mehr zu den Vorkommnissen in der Band verriet uns Murph davor im Interview.

„Krone“: Ihr füllt noch immer gut die Hallen, habt auch auf der aktuellen Tour nicht nur heute in Wien, sondern auch in anderen Städten alles ausverkauft. Ist das Prickeln und Feuer des Livespielens heute immer noch so vorhanden wie vor zehn, zwölf Jahren?
Matthew „Murph“ Murphy:
Letzte Nacht waren wir in Zürich und vor der Show waren wir tatsächlich total demotiviert, müde und wollten nur schlafen. Aber als wir erstmals die Bühne betraten, war diese Müdigkeit wie weggewischt. Die Amps waren auf Anschlag und wir voll im Geschehen. Wir lieben das Livespielen immer noch und haben sehr viel Spaß dabei. Egal ob viel oder wenig Publikum da ist. Die einzige Schwierigkeit ist heute nur, meine Stimme über eine ganze Tour zu halten, das war in den früheren Jahren wesentlich leichter.

Gibt es Tricks, wie du die Stimme über mehrere Wochen in Schuss hältst?
Ich singe viel im Vorfeld und bin oft im Fitnesscenter, um mich auch physisch fit zu machen. Als 20-Jähriger konnte ich ein Konzert spielen, mich die folgende Nacht besaufen und war am nächsten Tag spätestens zu Mittag wieder voll da. Das geht überhaupt nicht mehr. Das Rockstarklischee leben wir nur mehr sehr selten. (lacht)

Auf eurem neuen Album „Beautiful People Ruin Your Life“ habt ihr die Synthesizer stark zurückgestellt und die Gitarre dafür in den Vordergrund gerückt. So hat das Album einen ziemlich nostalgischen 90er-Rock-Touch. War das eine bewusste Entscheidung?
Wir wollten einfach organischer klingen. Ich will nicht immer den Radiohead-Vergleich auf den Tisch bringen, aber wollte schon so etwas machen wie sie damals mit „In Rainbows“: großartige Songs, erdig produziert und ohne große Zaubereien oder Tricksereien. Einfach an die Instrumente gehen und loslegen. Beim Produktionsprozess war ich der böse Junge, der die Synthie-Spuren stark zurückstellte, weil das Album einfach organischer klingen sollte. Man sollte das Selbstbewusstsein des Albums zu jeder Zeit hören können.

Habt ihr euch dabei auch bewusst gegen den Trend der Pop- und mittlerweile auch Rockindustrie gestellt, der immer stärker auf elektronische Spielereien und Synthie-Retroklänge setzt?
Nicht direkt. Ich bin der Überzeugung, dass die Synthiepop-Musik nicht wirklich gut altert. Wir wussten, dass dieses Album gut werden müsse und so haben wir ihm die Chance gegeben, nicht den Zeitgeist zu erwischen, sondern auch in vier Jahren möglichst aktuell zu klingen. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich so erpicht darauf war, die Synthesizer so weit wie möglich zurückzustellen.

Denkst du beim Songschreiben bewusst daran, etwas Zeitloses erschaffen zu wollen? Ist das ein wichtiger Teil des gesamten Zugangs zu deiner Arbeit?
Dieses Mal vielleicht. Ich würde niemals behaupten, dass dieses Werk zeitlos sein würde, aber die Chancen dafür stehen höher als bei den letzten Alben.

Ich finde das Album auch melancholischer und in gewisser Weise dunkler. Zumindest im Direktvergleich mit dem Vorgänger „Glitterbug“.
Ich bin mir nicht sicher, ob das so ist. Ich finde das Album eigentlich sehr positiv, vor allem eine Nummer wie „Turn“. Ich habe schon bewusst versucht, eine Geschichte heute anders zu erzählen als früher. Da ging es immer im gleichen Schema voran: ein Mädchen trifft einen Jungen, der Junge versaut alles und sie hasst ihn - das war’s mit dem Song. Dieses Mal versuchte ich mehr um das Kernthema herumzublicken. Ein gutes Beispiel ist die Single „Lemon To A Knife Fight“, die von David Lynch inspiriert ist. Ich versuchte verschiedene Zugangsweisen zu finden und hoffte, am Ende ein großes Ganzes herauszubekommen. Vielleicht ist das Album auch negativer als ich es mir eingestehen will. (lacht)

Diese Single handelt im Prinzip von einem Streit zwischen dir und deiner Frau in deiner neuen Heimat Los Angeles.
Das ist korrekt. Wir haben uns einen Lynch-Streifen reingezogen, sind dann über den legendären Mulholland Drive in L.A. nach Hause gefahren und hatten einen echt intensiven Streit. Die ganze Szenerie mit der abendlichen Beleuchtung und der Stille in der Urbanität sorgten dafür, dass sich dieser Song im Endeffekt fast selbst schrieb.

Sind Filme oder bestimmte Regisseure eine wichtige Inspirationsquelle für dich und deine Kunst?
Zumindest für diesen Song. Das war etwas verrückt, denn hier fand die gesamte Szenerie statt, bevor der Song überhaupt angedacht war. Ich habe beim Schreiben viel an „Blue Velvet“ und seine sonderbaren Streifen gedacht.

Auch dieses Mal verwendest du irrsinnig viele Metaphern, um deine Gedanken auszudrücken. Willst du dich damit hinter etwas verstecken?
Vielleicht ist das richtig, ein guter Punkt. Wenn ich etwas sehr unverblümt und direkt sagen würde, hätte es vielleicht nicht denselben Effekt, wie wenn ich es in eine Metapher packe. Ich spiele sehr gerne mit der Sprache und will den Hörern immer etwas Neues anbieten. Dass ich mich wo verstecke, das ist wohl die Wahrheit. Vielleicht ist verbergen ein treffenderes Wort dafür, denn sonst wäre etwas für die Hörer zu eindeutig und würde keinen Interpretationsspielraum mehr anbieten. Ich finde meinen Zugang dazu einfach künstlerischer.

Du schreibst auch immer gerne sehr persönliche Songs, die aus deinem Leben gegriffen sind. Wo ziehst du da die Grenze?
Auf meinen iPhone schreibe ich zuerst Songtitel und gewisse Sätze, die mir einfallen. Später einmal schaue ich mir das durch und wenn mich etwas anspricht oder mir Kreativität verschafft, kann ich versuchen, daraus einen Song zu machen. Das ist immer sehr persönlich, aber alles andere würde mir nicht gelingen. Das klingt immer extrem scheiße und wirkt sonderbar. Ich sehe mich aber prinzipiell nicht als guten Schreiber für universelle Themen. Das liegt mir eher auf musikalischer Ebene. Halt mache ich aber vor nichts, zumindest nicht bewusst. Das Leben ist zu kurz, um zu sehr darauf zu achten. Mir ist egal, was die Leute denken - außer natürlich was meine Frau denkt. Aber die kritisiert mich sowieso, ist schwer zufriedenzustellen. (lacht)

Eure Songtitel waren immer sehr griffig und leicht merkbar, das hat sich auch auf dem neuen Album nicht geändert. Legst du besonders viel Wert darauf, die Hörer damit schnell in eure Musik zu ziehen?
Für mich ist ein Songtitel fast das Wichtigste. Wenn ich daran glaube oder davon gefangengenommen werde, dann kann ich mir auch alle Möglichkeiten ausmalen, die damit schaffbar wären. „Lemon To A Knife Fight“ ist so ein cooler Titel, der einfach alles offen lässt. Wenn ich so einen Titel stehen habe, entspannt mich das. Ob ich eine Woche oder fünf Monate für den Song brauche ist dann nicht mehr so wichtig, denn der Titel hat mich gepackt. Je bizarrer und eigenartiger ein Song heißt, umso schneller hat er meine Aufmerksamkeit.

Was steckt hinter dem Albumtitel? Ist dir in die Richtung mal etwas passiert oder arbeitest du hier wieder metaphorisch?
Meine Frau ist aus Los Angeles und anfangs hatten wir eine Fernbeziehung nach London, was wirklich hart war. Es ist eine Art zu sagen, dass du dich öffnen musst, weil dich die inneren Konflikte in gewissen Situationen nachhaltig schädigen können. Ich habe sehr viel evaluiert bis das Album feststand. Warum mache ich gewisse Dinge und wieso andere nicht? Ich bin dann draufgekommen, dass es immer Menschen und Begebenheiten sind, die mich zur Musik inspirieren - oder auch dumme Dinge, die ich selbst gemacht habe. Insofern machte der Albumtitel dann irgendwann Sinn. Zumindest für mich.

Ihr habt mit Los Angeles, London und Oslo in drei verschiedenen Städten an dem Album gearbeitet.
70 Prozent schrieb ich in Los Angeles, aber den Rest haben wir fast gemeinsam in Oslo gemacht. Aufgenommen haben wir dann in London.

Oslo ist das absolute Gegenteil von Los Angeles - in so ziemlich allen denkbaren Bereichen. Hat sich das aktiv auf das Album ausgewirkt?
Mit Sicherheit, denn in L.A. habe ich ganz alleine geschrieben und in Oslo war die wichtigste Prämisse für das Teamwork. Ein Song wie der Album-Closer „I Don’t Know Why I Like You But I Do“ hat für mich etwas Skandinavisches. Er ist anders, als alle anderen und sticht in gewisser Weise heraus. Ich weiß nicht warum, es passierte auch ganz sicher unbewusst.

Da hätten wir schon die Melancholie, die ich eingangs ansprach. Auch in einem Song wie „Out Of My Head“, wo es die Textzeile „I want to be human but that never works“ gibt.
Das ist definitiv Melancholie, da kann ich mich nicht dagegen verwehren. Ich zog damals von London nach Los Angeles, ich heiratete meine Frau und es gab so viele Dinge, die mein gewohntes Leben einfach komplett durchrüttelten. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich nicht die Kontrolle über mich, meine Familie und die Band verlieren würde. Mittlerweile bin ich aus dieser Bredouille rausgewachsen, aber das hat mich damals definitiv beschäftigt.

Hat dich Los Angeles als Musiker und noch viel mehr als Mensch verändert? Auch hier ist der Gegensatz zu London kein geringer…
Meine Frau und die Umgebung haben mich sicher verändert, mich zu einem besseren Menschen gemacht. Ich fühle mich heute viel sicherer und verstehe, wer ich bin und was ich mache. Los Angeles ist einfach gesünder für mich als London. Ich war neun Jahre in London, es ist toll dort, aber der Lifestyle wirklich alles andere als gesund. In L.A. sind alle total fixiert darauf, fit zu sein und gut auszusehen. Das nimmt man an. Vor wenigen Jahren habe ich noch über Yoga gelacht und heute bin ich besessen davon - genauso geht es mir mit Training und Fitnesscenter. Für mich ist L.A. einfach eine gesündere Umgebung.

The Wombats wurden oft als eine der klassischen britischen Indie-Rock-Bands tituliert. Besteht die Gefahr, diese Art von Marke und Identität zu verlieren, wenn du dauerhafter US-Amerikaner bleibst?
Wir haben uns nie darauf berufen, nach Liverpool zu klingen, auch wenn wir natürlich stolz auf die Geschichte sind, die diese Stadt musikalisch zu bieten hat. Unsere Einflüsse waren immer mehr amerikanisch denn britisch und den Liverpool-Einfluss hörst du maximal noch, wenn ich singe. Es ist schwer zu sagen, aber wir fühlen uns eher global als regional eingeschränkt. Wir sind eine internationale Band, die aus Liverpool stammt. Das ist eine interessante Frage, vielleicht ändert sich das mit fortlaufemden Alter auch.

Ihr drei kennt euch noch aus Uni-Tagen und es gab in gut 15 Jahren der Bandgeschichte nie einen Besetzungswechsel. Ist diese alte Freundschaft heute noch so leicht aufrecht zu erhalten, wo sie ja nicht mehr unschuldig, sondern in gewisser Weise auch knallhartes Business ist?
Die Dinge verändern sich, aber wir hatten niemals wirklich große Probleme oder Streitereien. Wir sind so reif, dass diese Gefahr nie bestand. Es war auch eine gute Idee, dass wir umzogen und heute in drei verschiedenen Städten leben und uns hauptsächlich auf Tour sehen. Man braucht einfach einen gewissen Abstand und muss sich vorwiegend um das eigene Leben kümmern. Das hält die Band zusammen.

Was ist die Essenz der Wombats im heutigen Musikmarkt? Was definiert euch nach vier Alben?
Oh Mann, ich bin furchtbar schlecht in Selbstpromotion. Ich denke einfach, dass wir immer eine frenetisch aufspielende und aufregend anzusehende Liveband waren. Außerdem waren unsere Texte und Inhalte oft bizarr oder fernab jedweder moralischen Botschaften, was sicher einen großen Teil des Erfolgs definiert. Wir haben niemals bewusst einen Nummer-eins-Hit gesucht oder auf die Billboard-Charts geschielt. So etwas wie es Walk The Moon machten, war für uns nie ein Thema. Wir hatten stets eine Vision und ich glaube, dass wir deshalb immer größer wurden, weil wir dieser Vision kompromisslos gefolgt sind. Wir haben der Musikwelt einen Stempel aufsetzen können, worüber wir sehr glücklich sind.

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