Immer mehr Abhängige

Moderne Süchte auf dem Vormarsch

Gesund
14.04.2018 06:00

Das Internet hat uns fest im Griff, manche kommen gar nicht mehr ohne Online-Spiele, Social Media, Mail-Check oder Pornoseiten aus. Diese meist jungen Menschen müssen wieder vermehrt ins „reale Leben“ zurück geholt werden.

Kennen Sie dieses unangenehme Gefühl, das sich im Bauch ausbreitet, wenn Sie einmal das Handy zu Hause vergessen haben? Die irrationale Angst, nicht erreichbar zu sein. „Wenn jetzt etwas passiert, wer kann mich erreichen?“ - solche Fragen schwirren dann im Kopf herum. Das neuartige Symptom nennt sich „Nomophobie“ (no mobile, kein Handy-Angst). Erschreckend, wenn man in solchen Momenten bemerkt, wie abhängig man sich bereits von der Elektronik gemacht hat

„Digitale Medien verführen uns alle durch ihren leichten Zugang, nicht jeder entwickelt jedoch gleich eine Sucht. Dennoch ist die Abhängigkeit vom Internet jene, die am stärksten zunimmt, einfach, weil auch das Angebot immer größer wird. Bei Familien mit Kindern besteht die Chance für einen Zugang zum WWW immerhin zu fast 100 Prozent“, erklärt Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Prim. Dr. Roland Mader, Leiter der Abteilung III am Anton-Proksch-Institut in Wien. „Hoch im Trend stehen bei jungen Männern hier nach wie vor Online-Spiele. In der Social Media wie Facebook oder Instagram verlieren sich hauptsächlich Frauen. Das Suchtverhalten der Mädchen ufert immer mehr aus.“

Als problematisch empfindet der Experte vor allem, dass geschützte Bereiche wegfallen, da man sein Handy auch in der Freizeit oder im Urlaub stets mit sich führt. Weswegen sich Cybermobbing so verheerend auswirkt: Früher konnte die Familie die jungen Menschen zu Hause „im sicheren Hafen“ auffangen. Heute passieren Anfeindungen im Netz von der Früh bis zum Schlafengehen. Am schnellsten wächst jedoch der Zweig der Internet-Pornografie, immer mehr Menschen werden süchtig nach Cyber-Sex. „Er ist leicht verfügbar, man kann vieles ausprobieren, was im echten Leben nicht möglich ist“, beschreibt Prim. Mader. „Grundsätzlich beobachte ich, dass Beziehungen vermehrt im Netz gelebt werden, und der normale Alltag vernachlässigt wird. Vor allem Menschen, die sich ohnehin mit zwischenmenschlichen Kontakten schwer tun, versinken dann immer mehr in der digitalen Welt.“

Auch der Shopping- oder Glücksspielsucht eröffnet das Internet neue Möglichkeiten, wobei sich letztere durch den Onlinezugang nicht so sehr gesteigert hat, wie man erwarten könnte. Im Netz einzukaufen macht hingegen immer mehr Menschen abhängig. Die ständige Erreichbarkeit fördert ebenfalls die Arbeitssucht, die einzige Abhängigkeit, die sozial hoch im Kurs steht - bis die Betroffenen mit körperlichen oder seelischen Beschwerden reagieren. „Während beim Glücksspiel die Abstinenz als Therapieziel gilt, gestaltet sich das beim Internet-Konsum, Einkaufen oder Arbeiten schwierig“, gibt Prof. Mader zu bedenken. „Patienten müssen deshalb einen gesunden Umgang damit erlernen, also z. B. nur bestimmte Spiele dürfen gespielt oder Zeitausgleich im Job muss unbedingt genommen werden.“

Zur Vorbeugung gibt Prim. Dr. Mader besorgten Eltern folgende Tipps:

  • Grenzen im Umgang mit den elektronischen Medien setzen! Umso jünger die Kinder sind, desto schwerer fällt die Selbstkontrolle.
  • Leben Sie vor, dass es auch ohne Handy geht! Eltern sollten es zu Hause ebenfalls öfter weglegen und sich mit den Kindern beschäftigen.
  • Erklären Sie den Esstisch zur Telefon-freien Zone - für jeden Einzelnen!
  • Lassen Sie Teenager das Smartphone nicht über Nacht im Zimmer anstecken, nur außerhalb.
  • Planen Sie immer wieder - als ganze Familie - handyfreie Tage ein. Machen Sie doch gemeinsam einen Ausflug. Am Abend werden alle bemerken, dass im digitalen Leben gar nicht so viel passiert ist.

Eva Greil-Schähs, Kronen Zeitung

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