„Krone“-Interview

Kamelot: Metallische Schattenphilosophie

Musik
09.04.2018 07:00

Die US-Power-Metaller Kamelot haben mit durchdachten Alben und extensiven Tourneen in den letzten Jahren den Weg in die Mainstream-Charts und großen Hallen gefunden. Mit „The Shadow Theory“ legt das Quintett aus Florida dieser Tage ein neues, konzeptionell angetriebenes Werk vor, das sich intensiv mit Dystopie und künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Gitarrist Thomas Youngblood und Sänger Tommy Karevik gaben uns genauere Auskunft darüber.

(Bild: kmm)

Der Schweizer Persönlichkeitstheoretiker Carl-Gustav Jung hat sich weiland intensiv mit dem zentralen Ich und unterschiedlichen Bewusstseinsfeldern des Menschen beschäftigt. Zu seinen wichtigsten Theorien gehört jene des Schattenkonzepts, indem sich grob umrissen jedes Individuum mit seinem eigenen Schatten und der damit einhergehenden dunklen Seite seines Selbst auseinandersetzen muss. Damit hat sich auch Kamelot-Mastermind Thomas Youngblood auseinandergesetzt und daraus in detaillierter und gewohnt akribischer Arbeit das Konzeptalbum „The Shadow Theory“ geformt. Für die international erfolgreiche Power-Metal-Band aus Florida das bisher ambitionierteste Projekt, dass die Tür zur Breitenwirksamkeit noch weiter aufstoßen soll.

Dreiteiliges Konzept
„Dieser Schattenaspekt, dass jeder einen unbewussten Schatten besitzt, der eine Person stark verändern kann, wenn man ihn nicht selbst aktiv erforscht, hat mich ungemein fasziniert“, erklärt der Gitarrist im „Krone“-Gespräch, „es war die Initialzündung für das gesamte Album und von da an wussten wir ziemlich genau, in welche Richtung wir gehen möchten.“ Anstatt einer linearen Geschichte erzählen Kamelot auf ihrem neuen Werk in drei Unterkapiteln einzelne Aspekte, die von einem konzeptionellen Überbau getragen werden. „The Shadow Theory“ dreht sich darum, wie mächtige Menschen einfache Bürger durch die Kanalisierung von Informationen kontrollieren. „The Shadow Key“ behandelt den in der Geschichte vorkommenden Schlüsselhalter, der Widerstand leistet und die Menschen in der aufkommenden Revolution anführt und „The Shadow Wall“ erzählt vom Kampf gegen die dominanten Obrigkeiten.

Eine Thematik, die sich nicht nur aus einem psychologisch angehauchten Fantasiegebilde zusammensetzt, sondern in seiner Machart durchaus realitätsnahe Bezüge aufweist, wie Sänger Tommy Karevik erklärt. „Thomas und ich verschlingen gerne Bücher, die sich um Dystopien und künstliche Intelligenz drehen. Es ist unumstößlich, dass die KI immer stärker und realer wird, sie ist der nächste Schritt in der menschlichen Evolution und wird die Welt verändern.“ Youngblood wurde vor allem vom Science-Fiction-Film „Ghost In The Shell“ inspiriert. „Der Film ist ganz sicher kein Glanzstück, aber die zugrundeliegende Idee, dass es möglich ist, das menschliche Gehirn zu schützen und in einen Roboter einbauen zu können, hat mich fasziniert. Man kommt damit dem Konzept des ewigen Lebens ziemlich nahe und das Thema hat mich auch zu unserem Cover-Artwork verleitet, das einen Hybriden aus Mensch und künstlicher Intelligenz zeigt.“

Für das Miteinander
Aktuelle Ereignisse konnte die im künstlerischen Sinne bewusst unpolitische Band nicht ganz ausklammern. „Natürlich beeinflusst mich die Lage der Welt im Songwriting. Viele Menschen in den USA haben im letzten Jahr gemerkt, dass sie ziemlich depressiven Zeiten entgegenblicken. Viele Künstler und Bands artikulieren sich sehr offen gegen Donald Trump, aber ich glaube nicht, dass das irgendetwas ändert“, merkt Youngblood nachdenklich an, „wir versuchen eher die Botschaft zu vermitteln, dass ein Miteinander wichtig ist und wir uns gegenseitig möglichst gut behandeln sollten.“

Dass sich Kamelot in ihren Texten gesellschaftskritischen und zukunftsorientierten Themen widmen, war noch vor einigen Jahren undenkbar, denn dort frönte man lieber dem Genre-Klischee und sang sich durch mehr oder weniger spannende Fantasy-Themen. Heute hat sich der Wind um 180 Grad gedreht. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir diese Plattform haben und fühle mich verantwortlich dafür, sinnvolle Texte und Botschaften in die Außenwelt zu tragen. Ich habe früher viele Texte geschrieben, mit denen ich heute nicht mehr glücklich bin, aber das Vergangene sollte man auch irgendwann ruhen lassen.“ Der Erfolg gibt Kamelot Recht - nicht nur in den USA, auch im deutschsprachigen Raum landet die international zusammengestellte Band regelmäßig in den Albumcharts. Obwohl man musikalisch weit vom Mainstream-Geschmack entfernt ist, werden die zu bespielenden Hallen mit jedem Album größer und größer.

Bitte keine Trends
„Das letzte Album ,Haven‘ war auf Platz eins in den amerikanischen Hard-Rock-Charts, was schon ein Riesenerfolg war“, erinnert sich Youngblood zurück, „ich denke aber nicht in Genres, sondern eher daran, dass wir im großen Rock- und Metalteich eine relevante Rolle spielen können. Am Wichtigsten ist mir ohnehin, zeitlose Musik erschaffen zu können. Der Dubstep ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie sinnlos es ist, immer auf einen Trendkarren aufzuspringen. Danach kräht heute kein Hahn mehr, obwohl die großen Künstler dieser Szene vor wenigen Jahren noch Riesenarenen füllten. Wir kennen unsere Stärken und forcieren sie weiter - es ist schön zu sehen, dass wir unsere Fanbase mit jedem Album natürlich erweitern können.“ Mit Sicherheit auch durch das neue, mit vielen industriellen Einflüssen garnierte Album. Ein Österreich-Livetermin steht trotz angekündigter Tour noch aus.

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