Nach Strom-Drama:

„Es erfordert sehr viel Mut, Nein zu sagen“

Tirol
17.03.2018 16:25

Sie beißen in Waschmittel-Tabs als Teil von „Internet-Challenges“, laufen über Bahngleise oder klettern auf Güterzüge – dabei enden jugendliche Mutproben immer wieder tödlich. Erst am Donnerstag verstarb ein 14-jähriger Schüler in Münster, weil er auf einen Stromkasten kletterte und in die 25.000 Volt-Leitung geriet. Aber was steckt hinter der hohen Risikobereitschaft und wie können derartige Unfälle vermieden werden?

Der Schock und die Betroffenheit nach dem Tod eines 14-jährigen Berliner Schülers in Münster sitzt tief – trotzdem sei es gerade jetzt wichtig, über die zum Teil tödlichen Gefahren von Mutproben zu sprechen. Denn während viele Einzelfaktoren zur hohen Risikobereitschaft von Jugendlichen führen, gibt es eigentlich nur eine Maßnahme, mit der dagegen gesteuert werden kann: Aufklärung.

Offene Kommunikation als wichtige Maßnahme
„Es ist wichtig, solche Geschehnisse nicht von den Jugendlichen fernzuhalten, sondern sie zu besprechen. Zuhause, in der Schule und in der Gesellschaft“, erklärt Miriam MacGowan, Klinische und Gesundheitspsychologin aus Tirol. Jugendliche seien sich zwar durchaus über Gefahren bewusst, dass es aber wirklich tödlich enden kann, sei für die meisten nicht greifbar. „Viele haben sich in dem Alter noch nie schwer verletzt“, erklärt MacGowan, „Gefahren werden falsch eingeschätzt.“

Identität, Grenzen und viel Druck von Außen
Grundsätzlich aber sind es viele individuelle Einzelfaktoren, die auf die Teenager einwirken: „Gerade im Jugendalter werden Grenzen ausgetestet und die eigene Identität gesucht“, erklärt die Psychologin. Eine große Rolle spiele das soziale Gefüge, denn „eine Mutprobe ist keine Mutprobe, ohne Zuschauer. Jugendliche wollen dazu gehören, mutig sein, sich beweisen, Bewunderung erlangen. Dabei sind sie oft großem sozialen Druck ausgesetzt und denken so die Szenarien nicht bis zum Ende durch,“ schildert die Psychologin ihre Erfahrung. Deshalb sei es wichtig, den Kindern und Jugendlichen mitzugeben, dass sie toll sind, so wie sie sind. „Wertschätzung ist wichtig, um die Jugendlichen zu stärken, so dass sie in einer Situation, in der es darum geht, sich zu beweisen, auch den Mut besitzen, Nein zu sagen“, erklärt die Psychologin.

Überlebender: „Jeder Unfall ist einer zu viel“
Auch Simon (Name geändert) stimmen derartige Unfälle nachdenklich. Der 19-jährige Tiroler geriet im März 2016 selbst in eine Hochspannungsleitung eines Bahnhofs – damals war er gerade 17 Jahre alt. Er ist einer der wenigen Menschen, die einen solchen Stromunfall überlebten. Heute sagt er: „Jeder, der da rauf steigt, ist für mich einer zu viel.“ Etliche Operationen dauerte sein Kampf zurück: „60 Prozent meiner Haut sind betroffen. Klingt schlimmer als es ist, ich könnte auch tot sein“, schilderte der junge Mann kürzlich im im "Krone"-Gespräch.

„Aufklärung und Sensibilisierung“
Damit hat er Recht, denn: „Stromunfälle bei Bahnanlagen enden in 99,9 Prozent der Fälle tödlich! Das klettern auf Eisenbahnwagons ähnelt sich nicht mit dem russischen Roulette, weil 15.000 Volt sind immer tödlich,“, sagt Herbert Hofer Pressesprecher der ÖBB. Vielen sei die große Gefahr im Bereich von Bahnanlagen oft nicht bewusst, so der Sprecher. Die ÖBB setzt deshalb auf Sicherheitskampagnen, um solchen Unfällen so gut wie möglich vorzubeugen.

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Tirol



Kostenlose Spiele