Nach Zuma-Rücktritt

Südafrika: Nelson Mandelas veruntreutes Erbe

Ausland
16.02.2018 15:52

Südafrika könnte ein Paradies sein, wäre es nicht vom Skandal-Präsidenten Jakob Zuma in Grund und Boden regiert worden. Der 75-Jährige erklärte nun unter dem Druck der Regierungspartei ANC nach rund neun Jahren an der Macht seinen Rücktritt – und kam einem geplanten Misstrauensvotum im Parlament zuvor. In einer Ansprache an die Nation erklärte Zuma abschließend: "Ich habe den Menschen Südafrikas so gut gedient, wie ich konnte." Ihm folgt nun ANC-Vorsitzender Cyril Ramaphosa ins Präsidentenamt nach. Eine Bestandsaufnahme.

Südafrika gedachte diese Woche des 100. Geburtstags des Nationalhelden Nelson Mandela, einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: 29 Jahre Kerker und danach nicht die geringsten Rachegefühle. Ihm übergaben die Weißen das Land - das höchstentwickelte des Kontinents. Der "afrikanische Gandhi" machte die Versöhnung zu seinem Regierungsprogramm. Er schuf die "Regenbogennation" der elf Völker, in der jeder, egal ob schwarz, braun oder weiß, seinen Platz in der Gesellschaft finden soll. Doch Mandela fand keinen Nachfolger seines Niveaus. Die Partei, der ANC, ist tief zerstritten, und Präsident Zuma hat das Land in Grund und Boden regiert.

Ein Skandal um Zuma jagte den anderen
Das Wunder, das Nelson Mandela geschaffen - und von den Weißen geerbt - hatte, ist in existenzieller Gefahr. Südafrika ist zwar noch immer eine in Afrika ganz seltene Demokratie und der wirtschaftlich stärkste Staat auf dem Kontinent, aber es geht immer rascher bergab. Die Unzufriedenheit der Schwarzen darüber, dass die Übernahme der politischen Herrschaft mit keiner Besserung ihres Lebensstandards einhergegangen ist, gefährdet die Stabilität der Republik.

Der total unfähige Jacob Zuma war seiner historischen Aufgabe überhaupt nicht gewachsen. Noch schlimmer: Er dilettierte dahin als schlechte Witzfigur. Ein Skandal jagte den anderen. Zuma machte sich einerseits zum Gespött, andererseits entwickelte er sich zum Meister der Korruption und Vetternwirtschaft, und er war gerissen genug, seine Absetzung durch den ANC mit immer neuen Gegenforderungen, wie Amnestie vor mehr als 100 Klagen, hinauszuzögern. Auch die drohenden Anwaltskosten wollte er vom Staat bezahlt haben.

Für die meisten Südafrikaner ist Jacob Zuma, obwohl ein hartnäckiger Überlebenskünstler, schon Geschichte. Der heute 75-Jährige hat zehn Heldenjahre Gefängnis, bewaffneten Kampf gegen das Apartheid-Regime, zahlreiche Skandale und ebenso viele politische Intrigen überstanden.

Zumas Beliebtheit erreichte schon bald nach seinem Amtsantritt 2009 einen Tiefpunkt, als bekannt wurde, dass er seinen Familiensitz unter dem Vorwand von besonders nötigen Sicherheitsvorkehrungen mit Staatsgeldern in Höhe von rund 250 Millionen Rand (derzeit rund 17 Millionen Euro) ausbauen hatte lassen. Das entsprach etwa dem Preis von 100 Einfamilienhäusern in Johannesburg - und das in einem Land, in dem die meisten Menschen noch immer in Armut leben.

Zumas zweite Amtszeit ab 2014 wurde überschattet von Vorwürfen, er habe einer befreundeten Unternehmerfamilie, den indisch-stämmigen Gupta-Brüdern, Geschäfte zugeschustert und ihnen unzulässig Einfluss auf die Politik gewährt - bis hin zur Ernennung von Ministern und Managern staatlicher Unternehmen.

"Gegen AIDS hilft heißes Duschen"
Nach der ersten demokratischen Wahl 1994 war Zuma unter Staatspräsident Mandela Minister geworden, fünf Jahre später unter Staatschef Thabo Mbeki Vizepräsident. Zur selben Zeit befand er sich auch wegen angeblicher Vergewaltigung einer HIV-positiven Frau vor Gericht. Für Kopfschütteln sorgte seine Erklärung, er habe nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr heiß geduscht, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Zuma wurde freigesprochen und bereitete sein Comeback vor.

"Ein Zulu braucht mehrere Frauen"
Zuma, der zur größten südafrikanischen Volksgruppe der Zulu gehört, ist bekennender Polygamist: "Ein Zulu braucht mehrere Frauen." Er hat sechsmal geheiratet und soll mehr als 20 Kinder haben, auch uneheliche. Bei politischen Auftritten begeisterte er die Massen immer mit Gesang und Tanz.

Die Republik Südafrika mit 54 Millionen Einwohnern ist ein Mitglied im Club der BRICS-Schwellenländer, doch unter Zuma stagnierte die Wirtschaft. Staatliche Firmen sind überschuldet, das Bildungssystem ist marode, die Arbeitslosenquote liegt nach offizieller Lesart bei knapp 28 Prozent - der reale Wert liegt wohl darüber. Millionen Südafrikaner sind noch immer so arm, dass viele meinen, ihr Los habe sich seit dem Ende der Apartheid 1994 nicht bedeutend verbessert.

Die linke Opposition geht deswegen mit dem Slogan der "wirtschaftlichen Apartheid" hausieren: Demnach sind wenige im Land (Spitzname: Schwarze Diamanten) vermögend geworden, während die Masse nichts hat. Die Einkommensverteilung in Südafrika ist der Weltbank zufolge in der Tat so ungleich wie kaum woanders in der Welt. Doch Südafrika ist auch die fortschrittlichste Volkswirtschaft des Kontinents, mit guter Infrastruktur und einer noch ziemlich unabhängigen Justiz.

Unter Zuma hatten sich aber alle Probleme des Landes seit dem Ende der Ära des Nelson Mandela nur weiter verschlimmert.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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