Katias Kolumne

Das Binnen-I zahlt keiner Frau die Miete

Österreich
14.02.2018 11:55

Frankreich ist bekannt für seine Weine, die zu den besten der Welt zählen, die elegant-verspielte Damenmode à la Coco Chanel, seine bedeutenden Philosophen und Literaten und für das Tamtam, das rund um seine Amtssprache gemacht wird. Um seiner Bedeutung gerecht zu werden, findet sich Französisch als "Sprache der Republik" in der Verfassung, über deren korrekten Gebrauch nun seit fast 400 Jahren die einst höfische Academie francaise wacht, mit dem Ziel, die französische Sprache "rein und eloquent“ zu halten.

Entsprechend groß war der Aufschrei der Academie, als im September des Vorjahres ein Pariser Verlag ein gendergerecht gehaltenes Schulbuch herausbrachte, in dem Frauen und Männer gleichermaßen mittels sogenanntem "point milieu", einem Punkt in der Mitte, bedacht wurden. So wurde in besagtem Lehrbuch für Grundschüler aus der Ansprache von sowohl männlichen als auch weiblichen Freunden, also aus "chers amis", nun mit Mittelpünktchen "cher·e·s ami·e·s", aus den Chefitäten wurde genderkonform"les chef·fe·s" und aus Wählern korrekterweise "les électeur·rice·s".

Auch im deutschen Sprachraum kämpfen Gender-Verfechter schon seit Langem gegen das generische Maskulinum, also gegen die männliche Form als Bezeichnung für mehrere Personen. Das im Laufe der 80er-Jahre durchgesetzte Binnen-I soll allerdings heute nicht mehr ausreichen, schließlich würde es jene Personen diskriminieren, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. "Transsexuelle, Transgender und intersexuelle Personen würden so unsichtbar gemacht und diskriminiert", heißt es in einem Antrag der deutschen Grünen zur geforderten sprachlichen Gendergerechtigkeit.

Sternchen, Unterstriche oder X – wie hätten Sie es denn gerne?
Entsprechend wurde in demselben Antrag der Grünen die Einführung des noch korrekteren "Gender-Stars" gefordert, der auch Personen einschließt, die sich weder männlich noch weiblich fühlen. So sollen nunmehr Schüler*innen von Lehrer*innen unterrichtet werden, es könnte schließlich ein Transgender-Schüler oder eine intersexuelle Lehrerin diskriminiert werden. Ebenso akzeptiert wird der sogenannte Gendergap, verehrte Leser_innen. Oder, sollten Sie eher mittels überhaupt geschlechtsneutralem "Exit Gender" angesprochen werden, liebX LeserX (gesprochen: liebiks Leseriks), möchte ich Ihnen dies selbstverständlich ebenso wenig verweigern.

Aber zurück nach Frankreich: Dort hat Regierungschef Edouard Philippe vor Kurzem seinen Beamten untersagt, die französische genderkonforme Pünktchenschreibweise zu benutzen. "Die wichtigen Staatsverwaltungen müssen sich aus Gründen der Verständlichkeit und der Klarheit an die grammatikalischen und syntaktischen Regeln halten", begründet er seine Weisung. Der "point milieu" würden den Lesefluss stören.

Mehr Gleichstellung, weniger Sprachpolizei
Ob nun point milieu, Gender-Star, Gendergap oder Exit Gender – das Bestreben, niemanden durch Sprache diskriminieren zu wollen, ist mit Sicherheit ein hehres, allerdings läuft man mit Sternchen, Pünktchen und Unterstrichen samt Empörung, sollte das Gendern einmal vergessen werden, Gefahr, dass das größere Ziel dahinter – die Gleichstellung von allen Menschen unabhängig ihres Geschlechts – dadurch in den Hintergrund tritt oder sogar der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Vielmehr sollten die tatsächlich haarsträubenden Ungerechtigkeiten effizient bekämpft werden, wie beispielsweise der Umstand, dass Frauen selbst in einem hoch entwickelten Land wie Österreich noch immer bei gleicher Arbeit um mehr als zehn Prozent weniger verdienen als Männer, als eine scheinbar männerdominierte Sprache. Ein korrekt gesetztes Binnen-I zahlt nämlich keiner arbeitenden Frau die Miete.

Katia Wagner

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