Das große Interview

Verkauft alles: Gehen Sie im Zorn, Herr Stronach?

Österreich
11.02.2018 08:01

Frank Stronach zieht sich aus Österreich zurück. Im Abschieds-Interview mit Conny Bischofberger spricht der 85-Jährige über Fehler und Enttäuschungen, Streithansln und Berufskiller und seinen steirischen Beichtvater.

Nach dem Flop mit seinem Team Stronach – es löste sich nach fünf Jahren in Streit und Chaos auf – verkauft Frank Stronach nun auch Industrieliegenschaften, einen Wohnpark und das Magna Racino, und zieht so einen Schlussstrich unter seine wirtschaftlichen Projekte in Österreich. "Meine Kinder haben keinen Bezug dazu", sagt der steirische Milliardär beim "Krone"-Interview im Golfclub Fontana, der bereits dem Manager Siegfried Wolf gehört. "Für den Wohnpark habe ich auch schon einen mündlichen Vertrag mit dem Sigi" – Wolf war lange sein Generaldirektor in der Magna-Europazentrale – nur die Zukunft des Magna Racino stehe noch in den Sternen. "Als Logistikzentrum könnte ich es sofort verkaufen", meint Stronach, "aber ich will, dass es für den Pferdesport erhalten bleibt." Es fällt dem erfolgsverwöhnten 85-Jährigen nicht leicht, über das Ende der von ihm gegründeten politischen Partei zu sprechen. Und über den wirtschaftlichen Abschied von Österreich. Trotzdem bewahrt er in unserem Gespräch Contenance und Humor.

"Krone": Herr Stronach, der Verkauf Ihrer Firmen und Liegenschaften in Österreich soll 100 Millionen Euro bringen. Können Sie das bestätigen?
Frank Stronach: Über Geld rede ich ganz selten, aber, ja … kann sein.

Also ist es Ihnen nicht so wichtig, ob es jetzt 90, 100 oder 110 Millionen sind?
Geld ist immer wichtig, ohne Geld dreht sich die Welt nicht (lacht).

Haben Sie es als Vater verabsäumt, Ihren Kindern die Heimat näherzubringen?
Ihnen fehlt tatsächlich der Bezug, obwohl sie eine österreichische Mutter und einen österreichischen Vater haben. Aber sie sind drüben aufgewachsen und sehr unabhängig. Als Vater gibst du vielleicht eine Richtung vor, aber letztendlich müssen Kinder ihre eigenen Wege gehen. Der Erfolg der Erziehung kann nur daran gemessen werden, wie glücklich sie sind.

Wie glücklich sind Sie beim Gedanken, Ihre Zelte in Österreich abzubrechen?
Meine Wohnung hier behalte ich ja. Und wenn ich hierher komme, kann ich sagen: Da habe ich was gebaut, und da habe ich auch was gebaut. Ich werde sehr oft angesprochen von Menschen, dass sie darüber sehr froh sind. Das ist ein schönes Gefühl - und das bleibt.

Wie oft werden Sie in Zukunft da sein?
Das hängt von meiner Gesundheit ab. Ich bin sehr gesegnet und war eigentlich noch nie krank. Klopft auf Holz. Also wenn das so bleibt, werde ich alle zwei Monate kommen. Bis jetzt war ich alle vier Wochen da.

Wie ist das für Sie, auf Holz zu klopfen, das Ihnen nicht mehr gehört?
Lacht. Stimmt, der Tisch gehört schon dem Sigi. Schau, ich hab' drüben in Amerika genug Tische und Gegenden, die mir gehören. Wenn ich in den Wald gehe, muss der Baum, unter den ich mich setze, ja auch nicht mir gehören.

Gehen Sie im Zorn?
Zorn ist eine negative Energie. Natürlich macht es mich nachdenklich, und es kommt vor, dass ich derzeit vielleicht ein bisschen ernster schaue. Aber Zorn: Nein.

Enttäuscht?
Es ist, was es ist. Enttäuscht bin darüber, dass es so schwierig ist, in diesem Land etwas zu verändern. Aber ich bin, wer ich bin. Und mein Gewissen hat mir gesagt: "Pass auf, rüttle an diesem Käfig!"

Haben Sie die österreichische Politik unterschätzt?
Ich möchte nicht sagen, dass ich es unterschätzt habe. Ich möchte auch nicht sagen, dass es mir leidtut. Natürlich, wenn man zurückschaut, würde man immer alles ein bisschen anders machen.

Was denn?
Ich hätte nicht in die Politik gehen, sondern mich auf die Wirtschaft konzentrieren sollen. Denn ohne Wirtschaft kann auch die Gesellschaft nicht funktionieren. Das müsste man schon den Kindern in der Schule beibringen. Um was dreht es sich, was ist der ... Purpose? Ich war über 60 Jahre weg, im Deutschen muss ich manchmal ein bisschen länger nachdenken, um das richtige Wort zu finden. Im Englischen kann ich philosophischer sein, da fließt es mehr.

Hat Ihnen das bei Ihren Fernsehauftritten geschadet, dass Ihr Deutsch manchmal holprig war?
Noch einmal: Ich bin, wer ich bin, und ich habe das gemacht, was mein Gewissen mir gesagt hat. Ich bereue es nicht. Fertig, Schluss.

Aber Sie stimmen mir zu, dass das Team Stronach ein Misserfolg war?
Ich sehe das nicht, ich glaube, es hat schon Denkanstöße geliefert, und die Grundidee war gut. Aber es gibt ja von Mao diesen Spruch: "Ferne Wasser löschen nicht." Ich war natürlich viel weg. Und hatte nicht die nötige Zeit, mir die Leute im Team genau anzuschauen. In der Wirtschaft hatte ich diese Zeit immer, da habe ich selten Fehler gemacht.

Welche Denkanstöße? Ihre Partei hat Pfefferspray verteilt, Flüchtlinge als "Neandertaler" bezeichnet, viele Presseaussendungen zu Palmöl verfasst und untereinander gestritten …
Ich möchte nicht mehr über diese Dinge sprechen. Ich will auch niemandem anderem die Schuld geben. Letztendlich war es meine Entscheidung, letztendlich habe ich die Leute ausgewählt. Und wenn du mit diesen Leuten nicht oft beisammen bist, kannst du Fehler machen. Aber ich muss auch sagen, dass ich selbst nie länger als ein Jahr im Parlament bleiben wollte. Das habe ich von Anfang an immer betont.

Wenn Sie einmal das Buch Ihres Lebens aufschlagen, ist Ihr Engagement für Österreich und für die Politik am Ende ein großes Kapitel oder eine kleine Fußnote?
Ich schaue nach vorne, nicht zurück. Wenn man mich zwingt zurückzuschauen, dann würde mir dazu einfallen, dass ich den gleichen Fehler hoffentlich nicht noch einmal mache. Meine Programme - Wirtschaft, Umwelt, Soziales - hatten aber Hand und Fuß, die kann man jederzeit analysieren, und irgendwann wird mir die Geschichte Recht geben.

Inwiefern?
Letztlich wirst du am Lebenswerk gemessen. Ich mache mir da keine Sorgen. Ich weiß, wer ich bin, und ich kann gut in den Spiegel schauen.

War Ihr Ausflug in die Politik nicht ein teures Experiment?
"Teuer" ist sehr relativ. Was wird das gekostet haben? 25 Millionen oder so etwas. Jede Person soll einen Teil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke, für eine bessere Gesellschaft zur Verfügung stellen. 

War das Team Stronach ein wohltätiger Zweck?
Letztendlich ja.

Haben Sie Neid gespürt?
Solche Emotionen lasse ich gar nicht in mein Denken eindringen. Wenn ich Leute treffe, die so eine Auffassung haben, dann denke ich mir höchstens: "Schade, dass sie es nicht verstehen." Ich habe in den letzten Monaten öfter "schade" gedacht.

Mit einer Aussage haben Sie sich in die Nesseln gesetzt. Nämlich als Sie die "Todesstrafe für Berufskiller" gefordert haben. Würden Sie das noch einmal sagen?
Wenn du bewusst planst, einen Menschen hinzurichten, bei klarem Verstand, und das für Geld? So etwas würde die Todesstrafe verhindern. Da gab es natürlich einen Aufschrei.  Aber schauen wir uns einmal an, was zum Beispiel in der Massentierhaltung passiert! Da bleibt der Aufschrei aus. Ich habe mit einem gequälten Kalb mehr Mitleid als mit einem Auftragskiller.

Verfolgen Sie noch die österreichische Innenpolitik?
Ich verfolge sie ein bisschen, ja.

Welches Zeugnis stellen Sie Kanzler Sebastian Kurz aus?
Er hat sich mit 31 Jahren zur Nummer eins in diesem Land hochgearbeitet. Das verdient Respekt. Aber seine Regierung hatte noch wenig Möglichkeiten, Veränderungen herbeizuführen. 

Frage an Sie als Auslandsösterreicher: Leidet das Ansehen Österreichs durch die FPÖ in der Regierung?
Es kann nur durch einzelne Personen leiden, aber das Grundmandat ist demokratisch. Wichtig ist, dass Leute, die nicht zivilisiert sind, isoliert werden. Es muss klar sein, dass in Österreich kein Platz für Rassismus ist.

Wie ist es bei Ihnen drüben, mit einem unberechenbaren Donald Trump?
Donald Trump wird nur in Europa so dargestellt. Ich kenne ihn persönlich, den Donald, er ist eine gute Person. Holt sein Handy aus der Jackentasche, sucht ein Selfie von sich und Trump und hält es in die Kamera.

Wird er eine zweite Amtszeit schaffen?
Ich halte das nicht für ausgeschlossen. Er ist für Amerika momentan der richtige Mann. Wenn du genau hinhörst, was will Donald Trump? Dass wieder in Amerika produziert wird, dass alle einseitigen Handelsverträge aufgelöst werden. Wenn du hier in Europa in ein großes Kaufhaus hineingehst, siehst du kaum noch Waren, die in Europa gemacht werden. Wo kommen wir da hin? 

Herr Stronach, sind Sie gut im Abschiednehmen?
Ja. Wenn irgendetwas zerbricht, dann sage ich nur: Schade.

Kommt bei Ihnen gar nie Traurigkeit auf?
Von Zeit zu Zeit gehen wir alle durch das Tal der Tränen. Das gehört zum Leben dazu. Bei mir dringen die Tränen nicht nach außen, sie fließen nach innen. Weil ich ein sachlicher Mensch bin und die Welt optimistisch sehe.

Nie geweint?
Höchstens nasse Augen.

Wann?
Ich hatte einmal ein Rennpferd, er hieß "Glorious Song" und war ein wahrer Champion. Ich musste es verkaufen, weil ich das Geld gebraucht habe. Eine Million Dollar. Dafür sind Tränen nach innen geflossen.

Wem vertraut sich ein Mensch wie Sie eigentlich an?
Dem Pfarrer (lacht). Ich habe ja ziemlich große Summen in die Agrarwirtschaft investiert. Da ging es um die Frage: Soll ich Tiere aufziehen und dann schlachten? Das habe ich zum Beispiel mit meinem Pfarrer, dem Andreas, beraten. Er ist Steirer wie ich, ein Urgestein. Ich rufe ihn immer wieder an, dann gehen wir Mittagessen, trinken ein Glas Wein zusammen und er nimmt mir dann gleich die Beichte ab und vergibt mir meine Sünden. Allein dafür werde ich regelmäßig nach Österreich kommen.

Denken Sie auch manchmal an den Tod?
Natürlich müssen wir alle einmal sterben. Und je älter man wird, desto mehr denkt man – nein, nicht über den Tod, sondern über den "Purpose of Life" nach. Für mich ist der Sinn des Lebens, einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten.

Was wird einmal von Frank Stronach bleiben?
Der Frank-Spirit. Das ist es, was von allen Menschen bleibt: die Seele, die weiterlebt.

Zur Person
Geboren am 6. September 1932 als Franz Strohsack in Kleinsemmering in der Steiermark. Erlernter Beruf: Werkzeugmacher. Mit 22 wandert er per Schiff nach Kanada aus und gründet mit Magna den größten Autozulieferer der Welt (35 Milliarden Dollar Umsatz, 152.000 Mitarbeiter). Im September 2012 steigt der Milliardär (geschätztes Vermogen: 1,4 Milliarden Euro) mit dem Team Stronach in die österreichische Politik ein. 2013 erreicht die Partei 5,7 Prozent der Stimmen, Ende 2017 löst sie sich auf. Stronach gab unlängst sein Buch "The Questions of All Questions" bei Xlibris heraus. Privat ist er verheiratet mit Elfriede, zwei Kinder (Andrew und Belinda).

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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