"Krone"-Interview

Drama am Nanga Parbat – “Wolfgang ist tot”

Oberösterreich
14.07.2009 15:05
Der Tod des Traunkirchener Extrembergsteigers Wolfgang Kölblinger (Bild rechts) scheint nun traurige Gewissheit zu sein. Der am Nanga Parbat in Pakistan seit Freitagabend vermisste 55-Jährige ist laut seinen Kameraden abgestürzt. "Krone"-Redakteur Werner Kopacka hat via Satellitentelefon mit Expeditionsleiter Gerfried Göschl (Bild links) aus Liezen gesprochen, der sich im Basislager des Nanga Parbat von den Strapazen der Suchaktion und des eigenen Gipfelganges erholt.

Gerfried, warum bist du so sicher, dass dein Freund Wolfgang "Wolf" Kölblinger nicht mehr am Leben ist?
"Mein kanadischer Partner Louis Rousseau und ich waren als Erste an der Stelle, an der der Wolf verschwunden ist. Zuerst haben wir seinen Rucksack gefunden, der lag auf 8.064 Metern Höhe, also kaum 100 Meter unter dem Gipfel. Skistöcke und Pickel waren dabei. Der Wolf wollte nach dem Gipfelgang wohl wärmere Kleidung anziehen. Dabei muss ihn eine Sturmböe aus dem Gleichgewicht gebracht haben und er ist abgestürzt."

Könnte er sich dort oben nicht einfach verirrt haben?
"Unmöglich. Direkt unter dem Rucksack beginnt im Firn eine typische Absturzspur. 50 Meter weiter unten haben wir seine Haube gefunden, nach weiteren 50 Metern einen Handschuh. Dort fällt die Eiswand 3.000 Meter tief ab. Wolfgang muss am 10. Juli um 18.30 Uhr verstorben sein. Aufgrund der Länge des Absturzes, der Höhe des Ortes und der extremen Kälte besteht keine Überlebenschance."

Louis Rousseau und du seid danach weiter auf den Gipfel gegangen. Was habt ihr dabei empfunden?
"In der Hoffnung, den Wolf noch lebend zu finden, sind wir extrem rasch von Lager vier auf 7.150 Metern aufgestiegen. Wir waren völlig ausgepumpt, ich hab dazwischen sogar Halluzinationen gehabt. Als mir dann klar war, dass mein Freund tot ist, sind wir händehaltend weitergestiegen. Das hat uns beiden irgendwie neue Kräfte gegeben. Ich habe mir gerade diesen Gipfelsieg so sehr gewünscht. Erstmals habe ich einen Achttausender auf einer völlig neuen Route, ohne Sauerstoffflaschen, im alpinen Stil geschafft. Aber um welchen Preis?"

Wie schwierig war der Abstieg? Hatte sich der Sturm vom Vortag gelegt?
"Im Gipfel hat's noch arg gestürmt. Aber 100 Meter darunter war's etwas ruhiger. Da hab' ich mich in den Schnee gesetzt und minutenlang geweint. Beim Aufstieg hatten wir die Koreaner getroffen, mit denen der Wolf am Gipfel war. Die haben gesagt, dass er dort in sehr gutem Zustand und glücklich war. Das hat mich irgendwie getröstet. Er ist nach einem großen Glücksmoment gestorben. Er hat nicht gelitten, er war sofort tot."

Apropos Koreaner - auch in deren Gruppe hat es dann einen Todesfall gegeben.
Die waren völlig erschöpft, weil ja auch sie zu lange am Berg waren und den Gipfel zu spät erreicht hatten. Wolfgang Kölblinger war kein schneller, aber ein sehr ausdauernder Bergsteiger. Er hat sich ihnen angeschlossen. Die waren zu siebt und alle gingen am Seil. Der Wolf hinterher. Im Lager vier haben wir Funksprüche der Koreaner empfangen. Es ginge ihnen schlecht. Damals hab' ich mir gedacht, der Wolf sei ja bei ihnen, der würde ihnen mit seiner Erfahrung helfen können. Beim Aufstieg haben wir sie dann getroffen und geschockt festgestellt, dass mein Freund nicht mehr dabei war.

Uns hat die Nachricht erreicht, dass mit Go Mi Sun eine der erfolgreichsten Höhenbergsteigerinnen in den Tod gestürzt ist.
Der Nanga war ihr elfter Achttausender. Sie ist unten, auf etwa 6.100 Metern völlig entkräftet über eine 1.000-Meter-Wand gestürzt.

Du wolltest ja nach dem Nanga Parbat auf den K2 - wie schaut's damit aus?
Dieser Berg wäre mein siebenter Achttausender - so viele hat noch kein Österreicher geschafft - mein nächster Traum. Ich reise jetzt einmal hin und schau mir alles an. Ob ich es psychisch packen werde, weiß ich noch nicht. Wolfs Tod wird mich sicher begleiten.

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