Turbo eingelegt

Speed bis der Finger knackst: iPhone 3GS im Test

Elektronik
26.06.2009 11:25
Die Österreicher-Mentalität fühlt sich nach dem ersten Kontakt mit Apples neuem iPhone 3GS bestätigt: Raunzen bringt ja doch was! Fast ein Jahr lang haben Kunden und Kritiker den Computerhersteller aus Cupertino mit Wünschen und Beschwerden bombardiert. Kein Copy/Paste, Kamera zu schwach, lächerliche Akkulaufzeit, keine Videofunktion - mit der dritten Auflage des "Königs der Mobiltelefone" sind all diese Kinderkrankheiten ausgebügelt worden. Das neue iPhone ist sozusagen "das iPhone, das wir immer wollten". krone.at hat noch vor dem offiziellen Start am 26. Juni zwei Tage mit einem Test-3GS des Providers T-Mobile verbracht.

Understatement gehört wohl zu den Arbeitsprinzipien der Apple-Designer. Oft versteht man sich auch auf das Sprichwort "never change a winning team". Beim iPhone 3GS wurde beides angewandt: Das Außenkleid hat sich im Vergleich zum Vorgänger überhaupt nicht verändert. Derselbe Kunststoffrücken, dieselben verchromten Plastiktasten an der linken Außenkante - nicht einmal bei den Farben wurde die Auswahl von Schwarz oder Weiß erweitert. Wer auf die Rückkehr des Alu-Kleids der ersten Generation gehofft hat, wird enttäuscht.

Die "Revolution" tobte beim 3GS im Inneren: Das Highspeed-iPhone läuft mit einem bedeutend schnelleren Prozessor, der zwar schon vor einem Jahr verfügbar gewesen wäre, damals aber noch zu teuer für ein Massenprodukt, wie das Apple-Handy mittlerweile eines geworden ist, war. Die schnelle CPU hätte damals wohl auch wenig genützt, denn erst das vor einer Woche für alle Generationen ausgelieferte Softwareupgrade 3.0 reizt die Möglichkeiten der Hardware-Architektur so richtig aus. Das in Sachen (Hintergrund-)Prozesse runderneuerte Betriebssystem bringt dabei auch eine Verlängerung der Akkulaufzeit mit sich und ist zu einem großen Teil für das Speed-"S" verantwortlich.

Hier die Testeindrücke zu den wichtigsten Neuerungen:

Mehr "Speed"
... gibt es beim iPhone 3GS an zwei Fronten. Und zwar wurde der Modem-Chipsatz im Apple-Handy auf HSDPA aufgerüstet, was in der kurzen Testzeit zumindest beim Empfangen von E-Mail-Anhängen deutlich bemerkbar war. Die Speedtest-App am iPhone bescheinigte im burgenländischen Eisenstadt eine Downloadgeschwindigkeit von stets über einem MBit/s. Dass Websites nun wieselflink im Browser aufgebaut werden, dürfte aber vor allem am schnelleren Prozessor liegen. Wie auch die Benutzeroberfläche des Apple-Handys nun so schnell auf den Bildschirm gebeamt wird, dass selbst flinke Finger an ihre Grenzen kommen können. Das Adressbuch ist schneller da, als man die angezeigten Namen lesen kann. Das Kamerabild (mehr dazu unten) wird in Rekordzeit initialisiert. Sogar in den Apps (intensiv getestet: Facebook, Google Earth und Maps, AIM, AP Mobile, NY Times und natürlich krone.at und krone.tv) sind die massiv verkürzten Render- und Ladezeiten zu spüren. Überraschend zügig bringt auch die neue Spotlight-Suchfunktion (am Homescreen nach rechts wischen) Resultate auf den Bildschirm.

Kamera
Drei Megapixel sind schön und machen definitiv bessere Bilder, vor allem, wenn gedruckt werden soll oder nur Ausschnitte benötigt werden. Als viel interessanter zeigte sich im Test jedoch die Autofokus-Funktion am neuen Apple-Handy. Ein Tipp ins Motiv und es wird - leider nicht in Rekordzeit - an der gewünschten Stelle scharfgestellt. Ein richtiger Tiefeneffekt lässt sich wie bei jeder Handykamera aufgrund der Bauart natürlich nicht kreieren, für ein bisschen mehr Charakter und Schärfe im Bild reicht's dennoch. Die neue Videofunktion nimmt allen iPhone-Konkurrenten mit einem Schlag den Wind aus den Segeln. Nicht nur ist die Qualität der Bewegtbilder absolut YouTube-tauglich, durch die integrierte Trimmfunktion, die 1:1 aus dem dem Apple-Programm iMovie stammt und kinderleicht zu bedienen ist, ist man dem Mitbewerb gleich einen Schritt davongelaufen. Das Hochladen eines Videos auf YouTube oder die eigene MobileMe-Plattform im Web dauert zwar auch über Wi-Fi seine Zeit, ist aber durchaus machbar.

Navigation
Die neue Apple-Applikation Kompass mag auf den ersten Blick recht unnütz erscheinen. Wer bewegt sich schon mit einer Magnetnadel (ausgerichtet wird sie am iPhone 3GS per GPS-Peilung) durch die Straßen oder bekommt Längen- und Breitengrade statt einer Adresse angesagt? Aber der Kompass ist ja nur dazu da, um von anderen Applikationen verwendet werden zu können. Verschiedene Navigationslösungen (Stichwort: TomTom) sind bereits angekündigt, auch die integrierten Maps verwenden den Kompass und richten sich jetzt beim Navigieren in die richtige Richtung aus, so dass "geradeaus" nun auch auf dem Display Richtung 12 Uhr ist. Im direkten Vergleich mit einem analogen Kompass zeigt sich eine minimale Abweichung, die beim Zufußgehen nicht auffällt.

"Push Notification"
Mit der in Software 3.0 integrierten "Push Notification"-Architektur löst Apple das Problem der Echtzeitalarmierung bei Nachrichten-Feeds, Instant Messaging und Social-Networking-Applikationen. Über einen eigenen Server können sich Apps jetzt am Handy selbstständig "melden", so als würden sie nach dem Beenden weiterlaufen. Etwa mit einer neuen Schlagzeile oder mit einer neuen Nachricht aus einer laufenden IM-Unterhaltung. Durch die Tunnel-Lösung erspart man sich Hintergrundprozesse und damit Leistungsreserven und Akkulaufzeit. Derzeit wird Push Notification aber nur von einer handvoll Apps unterstützt. Die Testresultate waren durchwachsen: Funktionierte die Alarmierung bei Nachrichten-Feeds recht gut, so verweigerte die IM-App beim Chatten plötzlich den Dienst und gab keine Rückmeldung mehr über neue Nachrichten.

iPhone wird zum "Schüttelhandy"
Ein "side effect" der Tastenlosigkeit: Wer bald iPhone-Besitzer in aller Öffentlichkeit beim begeisterten Schütteln ihres Mobiltelefons beobachtet, braucht sich nicht zu wundern. Mit der S-Version kommt nämlich noch mehr Bewegung in die Sache. Verpeilt sich etwa die Kompass-Applikation, so müssen zur Kalibrierung achtförmige Bewegungen gemacht werden. Die Shuffle-Funktion im iPod-Modus lässt sich jetzt ebenfalls durch Schüttelbewegungen aktivieren. Mit den bestehenden "Shake To Reload"-Funktionen diverser Apps steht einem fröhlichen "Schüttler-Dasein" als iPhone-Besitzer nichts mehr im Wege.

Akku-Laufzeit
Das Apple-Versprechen einer verlängerten Akkulaufzeit kann man für voll nehmen. Allerdings ist es auch mit dem 3GS möglich, fast jede Nacht an die Steckdose zu müssen. Wer MobileMe-Pushing aktiviert hat, alle 15 Minuten seine E-Mail-Accounts aktualisiert und UMTS und GPS stets eingeschaltet hat, muss bei hoher Beanspruchung nach rund 24 Stunden laden. Im Vergleich zum 3G sind das aber immer noch ein paar Stunden mehr...

Tethering
Auf vielen Smartphones Standard, beim iPhone erst mit Software 3.0 integriert: Tethering. Man verbindet sein iPhone per USB oder Bluetooth mit dem Computer und surft über das Handy-interne Modem im Internet. Das iPhone fungiert dabei als "Router", der keinerlei Einrichtung am (Mac-)Computer bedarf und in Sekundenschnelle ohne Einwahlzeit bereit ist. Die Funktion wird aber nicht von jedem Provider unterstützt, zum Beispiel schauen die US-Amerikaner beim iPhone-Monopolisten AT&T durch die Röhre. In Österreich lassen T-Mobile (generell) und Orange (per Zusatzpaket) ein iPhone als Alternative zur Datenkarte zu (mehr zu den Austro-Tarifen siehe Infobox). Gleichzeitig telefonieren kann man mit einem gekoppelten Apple-Handy allerdings nicht. Im Test mit einem MacBook Pro war mit dem Ende des Telefonats aber umgehend wieder eine Internetverbindung verfügbar. Laut Speedtest.net war sie zwischen 1,1 und 1,6 MBit/s schnell. Bei eingehenden Anrufen bleibt die Verbindung aufrecht, so lange man nicht abhebt. E-Mail und Apps können im Tethering-Betrieb ganz normal verwendet werden. Die Tethering-Funktion gehört zu Software 3.0 und ist auch auf älteren iPhones verfügbar.

Weitere neue Funktionen
Groß beworben hat Apple die Sprachsteuerungsfunktion für das iPhone. Die Software ist im Grunde ein Ur-Gestein des Mac OS und wurde für das 3GS inklusive sämtlicher altbekannter Macken adaptiert. Spätestens hier zeigt sich, dass die Wunderwuzzis von Apple auch nur mit Wasser kochen und in welchem Maße das iPhone vom Apple-Betriebssystem für Computer profitiert - oder eben auch nicht. Im Test erwies sich die Sprachbefehlsaufnahme einerseits als viel zu umständlich, noch dazu ist das iPhone schwerhörig. Einsatzgebiet für Sprachsteuerung bleibt damit weiterhin das Auto (Headset zu empfehlen) und die Verwendung durch Mitmenschen mit Handicap.

Als sehr praktisch erwies sich im Test die neue Sprachmemo-App. Das iPhone 3GS eignet sich jetzt auch zum Aufzeichnen vonfür stundenlange Aufnahmen steht ja genug zur Verfügung, wenn man das Handy nicht gerade bis aufs letzte Megabyte Speicher vollgepackt hat. Zwei der am vehementesten geforderten Funktionen sind seit 17. Juni nicht nur dem 3GS, sondern auch allen anderen iPhones mit Software 3.0 zugänglich geworden: Copy/Paste und Breitformat-Tastatur. Beide Funktionen sind praktisch und versehen fehlerfrei ihren Dienst. Nach so langer Vorbereitungszeit wäre alles andere auch peinlich...

Fazit: Dass man das neue iPhone fast nur loben kann, könnte einem direkt peinlich sein. Doch es scheint, als hätte Apple seine Hausaufgaben gemacht und alle Eventualitäten berücksichtigt. Die Checkliste der "Dinge, die man auf einem iPhone nicht machen kann" ist im Prinzip abgearbeitet. Ein normales 3G sollten sich Neueinsteiger jetzt auf keinen Fall mehr zulegen.

von Christoph Andert

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