Präsident beruhigt

Türken akzeptieren mögliches Veto zu EU-Beitritt

Ausland
23.05.2009 12:18
Der türkische Präsident Abdullah Gül hat genug von der ständigen Debatte über die Sinnhaftigkeit von EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Land. Ankara werde den etwaigen negativen Ausgang eines Referendums über seine EU-Mitgliedschaft "natürlich" respektieren, sagte Gül der slowenischen Tageszeitung "Dnevnik" (Wochenendausgabe). "Keinesfalls können wir aber Versuche akzeptieren, den festen türkischen Willen zu Beitrittsverhandlungen zu brechen", sagte Gül in Anspielung auf Versuche, Ankara mit dem Angebot einer raschen "privilegierten Partnerschaft" anstelle der langwierigen Beitrittsgespräche zu ködern.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy haben zuletzt immer wieder offen gegen einen EU-Beitritt der Türkei Stellung bezogen, über den seit vier Jahren offiziell verhandelt wird. Merkel und Sarkozy würden sich mit ihren Aussagen "nur das Leben schwer machen", sagte der frühere türkischen Außenminister. "Solche Aussagen dürften Führer so bedeutender Staaten nicht tätigen, weil sie ziemlichen Schaden anrichten können", kritisierte Gül die seiner Meinung nach "im Dienste der Innenpolitik" stehenden Positionen der beiden Politiker.

Priviliegierte Partnerschaft unbeliebt
Die Türkei habe "zahlreiche Alternativen" zu einem EU-Beitritt, doch dem Angebot einer "privilegierten Partnerschaft" unterhalb der EU-Vollmitgliedschaft könne er nichts abgewinnen, sagte Gül. "Eine solche besondere Beziehung oder privilegierte Partnerschaft haben wir ja bereits", erinnerte der Präsident an die bestehende Zollunion zwischen der EU und der Türkei. "Die Türkei ist äußerst willig und unnachgiebig in ihren Bemühungen, die Beitrittsverhandlungen abzuschließen", erteilte Gül allen Spekulationen, Ankara werde angesichts des schleppenden Fortgangs der Gespräche das Handtuch werfen, eine klare Absage.

"Werden Ergebnis respektieren"
Von der Festlegung Frankreichs - aber auch Österreichs - auf ein Referendum über den EU-Beitritt der Türkei zeigte sich Gül indes unbeeindruckt. "Wenn die Türkei den europäischen Prozess erfolgreich abschließen und die Europäische Kommission feststellen wird, dass die Türkei die europäischen Standards erreicht hat, Frankreich aber trotzdem ein Referendum über unseren Beitritt abhalten wird, das vielleicht negativ ausgeht, werden wir ein solches Ergebnis natürlich respektieren", sagte er.

Gül gesteht vorerst EU-Unreife ein
Gül räumte ein, dass es in der Türkei noch einige "Unzulänglichkeiten" in Hinblick auf die EU-Reife gebe. So seien etwa im Bereich der öffentlichen Verwaltung bestimmte Reformen bereits beschlossen, "aber sie müssen noch zur Gänze durchgesetzt werden". Mängel gebe es auch in den Bereichen Meinungsfreiheit und Polizeigewalt. "Das alles verfolgen wir aufmerksam und wir bemühen uns, dass die Gesetze zur Gänze ausgeführt werden", betonte der Politiker der regierenden islamisch-orientierten AK-Partei.

Kurdische Separatisten an Verzögerungen schuld
Einer der wichtigsten Gründe für die Verzögerung der Reformen sei der Terrorismus kurdischer Separatisten. "In einem Umfeld, in dem es Terrorismus gibt, ist die Demokratisierung eines Landes äußerst schwierig. Wenn es den Terrorismus nicht gäbe, könnte die Türkei die Reformen bestimmt schneller umsetzen." Gül betonte, dass die kurdische Volksgruppe umfassende Rechte genieße, etwa durch eigenen Schulunterricht oder Medien in kurdischer Sprache. Die kurdischen Mitbürger hätten "völlige Freiheit, wo immer und worüber auch immer auf Kurdisch zu sprechen", unterstrich der Präsident.

Armenier-Völkermord eine Sache für Historiker
Im Konflikt um den angeblichen Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich sprach sich Gül dafür aus, dass Experten und Historiker die Fakten feststellen. Politikern stehe es nicht zu, Urteile abzugeben, warf der türkische Politiker der armenischen Diaspora vor, "die schmerzhafte Vergangenheit zu instrumentalisieren". "Ich bin der Meinung, dass wir uns für nichts zu entschuldigen haben. Im Jahr 1915 haben alle beteiligten Parteien gelitten. Dieses Leid war Teil des Ersten Weltkriegs."

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