Urlaubs-Albtraum

Vier Steirer erlebten Piratenangriff vor Somalia

Steiermark
17.05.2009 12:13
Für zwei steirische Ehepaare ist der lang geplante Traumurlaub auf der "MSC Melody" vor der Küste von Somalia zum Albtraum geworden. Alfred Prietl und seine Frau Margaretha (Bild oben) aus Stainz sowie der Geschäftsmann Erich Fasching und dessen Gattin Erna (unten) aus Untergroßau bei Sinabelkirchen waren an Bord, als das Schiff in der Nacht des 27. April im Indischen Ozean von somalischen Piraten angegriffen wurde.

Nein, der 53-jährige Versicherungsmakler Alfred Prietl aus Stainz ist kein ängstlicher Typ. Als erfahrener Weltreisender - Australien, Neuseeland, Fidji, Südafrika, Peru, Sri Lanka - hat er sich oft aus brenzligen Situationen manövrieren müssen. "Aber das, was ich während meiner jüngsten Reise, einer scheinbar harmlosen Luxuskreuzfahrt, erlebt habe, hat meine Knie schon leicht schlottern lassen."

Einschussloch in Fenster
"Ich spiele selbst Klavier, hauptsächlich Klassik, da hat es mich Abend für Abend dorthin gezogen, wo ein Pianist gekonnt für leichte Unterhaltungsmelodien gesorgt hat", sagt Prietl. Am Morgen nach dem Angriff ist sein Herzschlag gestiegen, als er feststellen musste, dass exakt in jenem Fenster, vor dem er sich stets in den Lehnstuhl geknotzt hatte, ein Einschussloch war.

Traumreise von Durban nach Genua
Die Prietls ("es war unsere erste Schiffsreise") und die Faschings (die Kreuzfahrt  war das Geburtstagsgeschenk für Gattin Erna) waren nach Durban (Südafrika) geflogen und dort mit etwa 1.000 anderen Passagieren am 17. April an Bord der "MSC Melody" gegangen. Über die Trauminseln Mauritius und jene der Seychellen sollte es auf dem etwas veralteten, aber noch immer recht luxuriösen italienischen 30.000-Bruttoregister-Dampfer bis Genua gehen. Ankunft: 8. Mai.

"Reederei hat uns total beruhigt"
"Natürlich haben wir schon bei der Buchung gewusst, dass wir durch die Piratengegend fahren würden. Man hat ja immer wieder in den Medien über Überfälle berichtet. Die Reederei hat uns aber total beruhigt". Ein Auszug aus  dem Informationsschreiben: Als Folge der letzten Entwicklungen, was mögliche Piratenattacken an der somalischen Küste betrifft, werden MSC Schiffe während der Fahrt in dieser Zone für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen sorgen und die Gefahr auf ein Minimum reduzieren. Dazu wurde auch die ursprüngliche Route verändert. Die neue Route ist um etwa 400 Seemeilen länger und das Schiff hält einen beträchtlichen Abstand von der somalischen Küste.

"Dachten an ein Feuerwerk"
Trotzdem kamen sie, die Piraten. Alfred Prietl und seine Frau waren früher als sonst in die Kabine gegangen. Im Salon konzertierte noch das Bord-Orchester. "Beim Schlafengehen haben wir Knaller gehört und zunächst an ein Feuerwerk gedacht. Das hat eine Weile gedauert. Dann haben wir die Durchsage des Kapitäns über Lautsprecher gehört. In vier Sprachen. 'Piraten im Angriff', hat er gesagt, dann: 'Bitte machen Sie alle Lichter aus und bleiben Sie in den Kabinen!' Das haben wir auch getan. Meine Frau wollte noch zum Bullauge und dort ein paar Fotos machen. Ich hab sie zurückgezogen und geschimpft: 'Bist wahnsinnig, wenn die den Blitz sehen, schießen sie auf dich.' Als es still geworden ist, hat's lange gedauert, bis wir eingeschlafen sind."

"Das sind Schüsse!"
Erich Fasching hat den Piratenangriff noch intensiver erlebt. Auch der 60-Jährige und seine Erna befanden sich bereits in der Kabine. "Ich habe ebenfalls  zunächst an ein Bord-Feuerwerk geglaubt. Schließlich waren wir ja in der Nähe des Äquators. 'Wir haben ihn wohl grad überquert und das wird oben gefeiert', hab ich gedacht. Aber dann habe ich näher hingehört und gewusst: das sind Schüsse!"

"Immer wieder hat es 'ping' gemacht"
Der Oststeirer, Feuerwehrhauptmann von Untergroßau, hat dann aus dem Bullauge in die Nacht geschaut. "In der Gischt, die unser Schiff erzeugt hat, habe ich plötzlich ein kleines Schnellboot gesehen. Ich glaube, dass sechs Menschen an Bord waren. Das Boot ist an unserer Backbordseite entlang geschossen und ich habe beobachtet, dass die Insassen auf unser Schiff gefeuert haben. Es waren viele Schüsse, Dauerfeuer würde ich sagen. Immer wieder hat es laut 'ping' gemacht, wenn die Kugeln vom Schiffsrumpf abgeprallt sind. Auch den Faschings gelang es trotz der Aufregung einzuschlafen. Erst am nächsten Morgen erfuhren sie, wie knapp sie dem Desaster entgangen waren.

"Deutsche  Passagiere waren unsere Retter!"
"Nicht die Mannschaft, wie später über die Medien verkündet, sondern ein paar deutsche Passagiere haben das Schiff in Wahrheit vor den Piraten gerettet", sagt Erich Fasching. "Die sind vom Konzert-Salon auf das Deck gegangen, weil sie rauchen wollten. Als sich eine Frau über die Reling beugte, sah sie, dass ein Pirat gerade dabei war, über ein Seil, das mit einer Art Anker versehen und hochgeworfen worden war, auf ein unteres Deck zu klettern. Die Passagiere, vor allem ein Mann namens König, mehr weiß ich über ihn nicht, haben Deckliegen und Stühle hinabgeworfen. Der Pirat hat dadurch den Halt verloren und ist ins Meer gestürzt. Zugleich ist einer losgelaufen, um die Mannschaft zu alarmieren. Fast zehn Minuten sind vergangen, bis bewaffnete Sicherheitsleute aufgetaucht sind und mit aus dem Kapitäns-Tresor geholten Pistolen zurückgeschossen haben. Das Feuergefecht hat eine halbe Stunde lang gedauert. Erst dann haben die Piraten-Boote - es waren zwei, eines an Steuer- eines an Backbord - abgedreht."

"Piraten hätten wieder kommen können"
Am nächsten Morgen gab's dann die Beruhigungsrede vom italienischen Kapitän. Erich Fasching: "Da war vom heldenhaften Einsatz der Crew die Rede und dass die 'MSC Meldody' das einzige Schiff sei, das in diesem Gewässern allein einen Piratenangriff abwehren konnte. Und dass ein spanisches Kriegsschiff unterwegs sei, um uns während der restlichen Fahrt zu beschützen." Die Fregatte "Numancia" (im Bildvordergrund) wurde um 16 Uhr gesichtet. "Bis dahin sind für alle an Bord bange Stunden sehr langsam vergangen", sagt Alfred Prietl, "die Piraten hätten ja jederzeit wiederkommen können..."

Verzichtbar...
Beide Paare würden sofort wieder auf Kreuzfahrt gehen. "Aber ohne Piraten-Nervenkitzel. Es war ein Abenteuer, stimmt, aber darauf verzichten wir gern."

von Werner Kopacka, "Steirerkrone"

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