Langes Krebsleiden

Monica Bleibtreu gestorben

Österreich
15.05.2009 15:04
Monica Bleibtreu ist tot. Die aus Wien stammende Schauspielerin starb nur wenige Tage nach ihrem 65. Geburtstag in der Nacht auf Donnerstag in Hamburg. Sie hatte Krebs. Bleibtreu, die Mutter des deutschen Mimen Moritz Bleibtreu, war eine der gefragtesten TV- und Kino-Schauspielerinnen des deutschen Sprachraums. Nach ihrer Ausbildung am renommierten Max-Reinhardt-Seminar in Wien arbeitete sie aber auch an den bedeutendsten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Ihr Sohn führt die Schauspiel-Tradition der Familie fort.

Eine Grande Dame am Theater und im Film bis zum Tod - beliebt, begehrt und bescheiden: Mit Monica Bleibtreu verliert die Schauspielwelt eine ihrer ganz Großen. Als eigenwillige Charakterdarstellerin spielte sich die Grimme- und Filmpreisträgerin vor allem in den vergangenen Jahren in die Herzen der Zuschauer. Die wandlungsfähige Mimin mit dem eindringlichen Blick galt als eine der gefragtesten Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum.

Wie berührend war ihre Darstellung einer vom Krebs gezeichneten Frau, als sie in "Marias letzte Reise" (2005) aus der Klinik flieht, um zu Hause zu sterben. Wie tragisch das Schicksal, dass sie selbst jahrelang den Kampf gegen den Krebs aufnehmen musste - und ihn nun, kurz nach ihrem 65. Geburtstag, verloren hat.

Schauspielerin mit Leib und Seele
Die Österreicherin, die in Wien und Hamburg lebte, war eine Schauspielerin mit Leib und Seele. "Der Beruf ist eine Gnade. Wenn ich den nicht hätte, wäre ich eine unleidliche, missgünstige, hysterische Person", beschrieb sie ihre Leidenschaft. Auf der Bühne und vor der Kamera stand sie schon sehr früh, einem größeren Publikum bekannt wurde sie jedoch erst sehr spät. Die gebürtige Wienerin (geboren am 4. Mai 1944) hatte es nie auf den Erfolg angelegt, sondern ihn geradezu gefürchtet. "So schlampig wie du mit Deinem Talent umgehst, hast du es eigentlich weit gebracht", habe jemand mal zu ihr gesagt. "Ich hatte immer Angst vor Erfolg. Wenn es danach gerochen hat, war ich schon wieder weg." Erst von ihrem Sohn Moritz Bleibtreu, mit dem sie 1998 in dem Kinohit "Lola rennt" spielte, lernte sie, "dass man den Ruhm auch als Bereicherung erfahren kann".

Schon in den 60er-Jahren übernahm Bleibtreu kleinere Rollen in TV-Produktionen, 1969 besetzte sie Franz Peter Wirth im Fernsehspiel "Change", 1972 folgte ihr Kinodebüt mit "Ludwig - Requiem für einen jungfräulichen König" - und die Goldene Kamera. Lange Zeit interessierte sich vor allem das Theater für die Absolventin des Max-Reinhardt-Seminars. Bleibtreu trat an renommierten Spielstätten wie dem Burgtheater Wien, dem Schauspielhaus Zürich, dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg, den Münchner Kammerspielen und an mehreren Häusern in Berlin auf. Schon früh war ihr Weg in das Metier vorgezeichnet, entstammte sie doch einer Theaterdynastie und war bald selbst auf der Bühne ihres Vaters zu sehen. "Für meinen Vater stand immer fest, dass ich Schauspielerin werde, deswegen habe ich auch schon früh angefangen."

Ihr Sohn ist die vierte Schauspieler-Generation
Vom "Tatort" bis zum "Pfundskerl" - die Schauspielerin wirkte seit den 70er-Jahren in zahlreichen Fernsehproduktionen mit. Sie spielte am Theater, nahm sich Zeit für ihren Sohn Moritz aus einer Beziehung mit dem Kollegen Hans Brenner. Dessen Berufswahl erfreute die Mutter - in den 90er-Jahren Schauspiel-Professorin in Hamburg - zunächst jedoch nicht: "Moritz ist jetzt die vierte Schauspieler-Generation in unserer Familie, es hätte auch ein anderer Beruf sein können." Sie selbst sei sich "lange hinterhergelaufen". "Ich wusste nicht, was ich will, vom Leben und von mir selbst." Erst spät kam für sie der große Durchbruch.

Bleibtreu war die Helene Weigel in "Abschied - Brechts letzter Sommer" (2000), mimte das mütterliche Familienoberhaupt im Grimme-Preis-gekrönten TV-Dreiteiler "Die Manns - Ein Jahrhundertroman" (2001) von Heinrich Breloer, gab im selben Jahr eine brummige Bäuerin in "Verlorenes Land". Für "Marias letzte Reise" erntete sie ebenso Preise wie für die Rolle einer 80-jährigen Klavierlehrerin in "Vier Minuten". Ihre jüngste Auszeichnung wurde ihr erst vor kurzem zuteil, als sie den österreichischen Fernsehpreis Romy bekam. Ihr Dank wurde nur auf der Leinwand eingespielt - wohl kaum jemand wusste da von ihrer schweren Krankheit.

Regisseure schwärmten von ihrem Blick
Regisseure gerieten ins Schwärmen ob ihrer großen Präsenz. "Das war es eben: Dass sie nur da sein musste. Die große Präsenz ihrer Persönlichkeit: Ihre Augen, ihr Blick - das war es, was sie zu einer großen Schauspielerin gemacht hat", sagte Breloer nach ihrem Tod. Vor allem auf den Film konzentrierte sich Bleibtreu zuletzt, die Theaterarbeit, die sich mit Dreharbeiten nur schwierig koordinieren ließ, rückte in den Hintergrund. Als sie dann aber im Jahr 2007 im Hamburger St. Pauli Theater erstmals mit dem szenischen Monolog "Nachtgespräche mit meinem Kühlschrank" als abgetakelter Schauspieler Ulrich Bunzel auftrat und sich von ihrer komischen Seite zeigte, überschlug sich die Kritik.

"Pflegeleichte Schauspieler bringen pflegeleichte Resultate"
Den Trubel um sie kommentierte die Schauspielerin immer ein wenig mit Erstaunen: "Ich mache den Beruf jetzt seit über 40 Jahren, und plötzlich tun alle so, als wäre ich vom Himmel gefallen", sagte sie. So wunderte sie sich etwa über Preise für ihre Rolle als Katia Mann, denn "im Endeffekt habe ich ja überhaupt nichts gemacht, ich habe Tee gebracht und ein bisschen geguckt". Sie habe nie so richtig Ehrgeiz entwickeln müssen und eher für den Moment gelebt als zielgerichtet. Dass sie als schwierige Künstlerin gilt, war ihr nur recht: "Pflegeleichte Schauspieler bringen oft nur pflegeleichte Resultate." Über den Tod sagte sie: "Ich schiebe den Tod so vor mir her und vergesse gern meine Endlichkeit. Ich habe Angst vor Schmerzen, vor Siechtum. Davor, von anderen abhängig zu sein. Aber wenn die Sonne untergeht, geht sie unter."

Reaktionen auf Bleibtreus Ableben
Bestürzt über das Ableben der Schauspielerin zeigte sich SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen: "Monica Bleibtreu war eine faszinierende Schauspielerin, die nicht nur auf den Theaterbühnen, sondern auch im Fernsehen und Kino unvergessliche Rollen gespielt hat. Als Professorin für Schauspiel hat die renommierte Grimme-Preisträgerin ihr Wissen und Können an junge Darstellerinnen und Darsteller weitergegeben, mit ihrem schauspielerischen Talent hat sie einen fixen Platz in der Theater- und Filmlandschaft", so Muttonen in einer Aussendung.

Einen "unwiederbringlichen Verlust für die Film- und Theaterlandschaft" nannte der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) den Tod der Schauspielerin. "Unvergessen wird ihre Darstellung einer einsamen und verhärteten Klavierlehrerin in dem Kinofilm 'Vier Minuten' bleiben." Sie habe Rollen verkörpert, "die in ihrer Intensität, ihrer Glaubwürdigkeit und Wandlungsfähigkeit ihres Gleichen suchen". Erschüttert reagierten auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der ihr erst im Oktober 2008 in Frankfurt den Ehrenpreis Hessens überreicht hatte, und die Geschäftsführerin der "Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein", Eva Hubert.

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler schickte an Moritz Bleibtreu zum Tode seiner Mutter ein Beileidstelegramm: "Mit Monica Bleibtreu verliert der deutsche Film eine wunderbare Schauspielerin, die vielen großen Rollen auf eindrucksvolle Weise Gestalt, Stimme und Charakter verliehen hat. Ungezählte Menschen hat sie mit ihrem Spiel begeistert." Hamburgs Kultursenatorin Karin von Welck würdigte Bleibtreu ebenfalls als "eine der vielseitigsten Schauspielerinnen". "Tragisch ist, dass sie in 'Marias letzte Reise' ihr eigenes Schicksal ein Stück weit vorweggenommen hat und viel zu früh von uns gehen musste", sagte sie.

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