Nach EU-Urteil

Intel erwartet jahrelangen Rechtsstreit

Elektronik
14.05.2009 11:07
Nach der Rekordkartellstrafe der EU-Kommission gegen den weltgrößten Chiphersteller Intel erwartet der Konzern einen jahrelangen Rechtsstreit. Die angekündigte Berufung werde sich wohl über zwei bis drei Jahre hinziehen, sagte Konzernchef Paul Otellini am Dienstag in einer Telefonkonferenz. Otellini schloss Auswirkungen der Entscheidung auf die Größe der Teams für Verkauf und Marketing in Europa nicht aus. Ausdrücklich bekannte er sich aber zu Intels europäischen Investitionen, Werken und dortigen Arbeitsplätzen. Sie seien von der Entscheidung nicht beeinflusst.

Die EU-Kommission hatte es nach jahrelangen Ermittlungen am Mittwoch als erwiesen angesehen, dass Intel seine dominante Marktstellung bei Prozessoren missbraucht hat, um durch unzulässige Rabatte und direkte Zahlungen an Hersteller und Händler vor allem den Rivalen AMD klein zu halten. Die europäischen Wettbewerbshüter ordneten an, dass Intel diese rechtswidrige Geschäftspolitik umgehend einstellen muss und verdonnerten den Konzern zur Zahlung von 1,06 Milliarden Euro. "Das ist das höchste Bußgeld, das wir jemals beschlossen haben", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes am Mittwoch. Es hätte allerdings noch höher ausfallen können. "Millionen Verbraucher in Europa waren über fünf Jahre hinweg betroffen - die Höhe des Bußgeldes sollte deshalb keine Überraschung sein."

Keine AMD-Prozessoren bei Media Markt und Saturn
Die Auswirkungen der Machenschaften von Intel konnten Computer-Käufer sehr konkret erleben. So suchten sie in den Märkten der Media Saturn Holding häufig vergeblich nach Rechnern, die mit einem Mikroprozessor des Intel-Konkurrenten AMD laufen. Intel hatte den Märkten nach Einschätzung der EU illegal direkte Zahlungen zukommen lassen, damit dort beispielsweise nur Notebooks mit Prozessoren von Intel verkauft werden.

Nicht einmal geschenkt genommen
Intel mischte sich aber nicht nur in den Vertrieb von Personal-Computern ein, sondern beeinflusste mit wettbewerbswidrigen Rabatten die Produktpolitik einzelner Hersteller. So wurde beispielsweise ein führender PC-Produzent finanziell dafür belohnt, dass er den Marktstart einer Produktlinie mit einem AMD-Prozessor künstlich verzögert hatte. Andere "OEM" (Original Equipment Manufacturer) erhielten Sonderrabatte, wenn sie ausschließlich Chips von Intel im Programm hatten. In einem anderen Fall schlug ein Produzent sogar das Angebot von AMD aus, eine Million Prozessoren kostenlos zu bekommen.

Intel über EU-Urteil entsetzt
Bei Intel ist man über das Urteil der EU-Kommission entsetzt. Was von der EU als rechtswidrige Geschäftspolitik verurteilt wird, rechtfertigt der Marktführer als legales Rabattsystem, von dem vor allem der Verbraucher durch niedrigere Endkundenpreise profitiere. "Wir glauben, dass die Entscheidung falsch ist", sagte Intel-Chef Otellini. Es habe absolut keinen Schaden für den Verbraucher gegeben. Intel-Chefjurist Bruce Sewell bestritt, dass sein Unternehmen Computerherstellern und Handelsketten direkte Zahlungen für den Einbau und den Verkauf von Intel-Produkten habe zukommen lassen. Intel habe lediglich Rabatte für den Kauf größerer Mengen gewährt.

EU: "Verstoß kann nicht hingenommen werden"
Aus Intel-Kreisen wird in diesem Zusammenhang immer wieder darauf verwiesen, dass es für alle Mitarbeiter strikte Anweisungen gebe, gegenüber Wettbewerbern fair aufzutreten. So dürften beispielsweise selbst in internen E-Mails die Produkte der Konkurrenten nicht madig gemacht werden. EU-Wettbewerbshüterin Kroes beeindruckte das wenig: "Intel hat Millionen europäischer Verbraucher geschadet, indem es viele Jahre lang gezielt versucht hat, Wettbewerbern den Zugang zum Computerchipmarkt zu verwehren. Ein derart schwerer und anhaltender Verstoß gegen das EU-Kartellrecht kann nicht hingenommen werden."

Jubel bei Intel-Konkurrent AMD
Bei AMD knallten nach dem Urteil die Sektkorken. "Mit dieser Entscheidung wird der Monopolist in seine Schranken gewiesen. Nun kann die Marktmacht dahin gehen, wo sie eigentlich hingehört - zu den Computer-Herstellern, den Computerhändlern und vor allem den Käufern von PCs", sagte AMD-Manager Giuliano Meroni. AMD, der zweitgrößte Chiphersteller der Welt, hatte mit seinen Klagen über die Geschäftspraktiken von Intel vor acht Jahren das Verfahren gegen Intel ins Rollen gebracht.

"Das ist Steuerzahlergeld"
Intel ist der zweite amerikanische IT-Konzern, der von der EU ein gigantisches Bußgeld aufgebrummt bekommt. Im Februar 2008 wurde Microsoft mit einer Strafe von 899 Millionen Euro belegt, gegen die das Unternehmen Widerspruch eingelegt hat. Addiert man alle Bußgelder gegen den Softwaregiganten Microsoft, kommt man sogar auf 1,7 Milliarden Euro. Die Bußgelder werden in die EU-Kasse wandern und die Beiträge der Mitgliedstaaten mindern. "Das ist Steuerzahlergeld", sagte Kroes. "Kein Euro wird in Brüssel bleiben."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele