Neonazi-Störaktion

Polizei ermittelt auch wegen Körperverletzung

Österreich
14.05.2009 14:49
Nach der Neonazi-Störaktion vom Wochenende in Ebensee (Bezirk Gmunden) wird wegen Wiederbetätigung und - wie sich nun herausgestellt hat - auch wegen Körperverletzung ermittelt. Die Jugendlichen sollen mit Steinen geworfen und diese möglicherweise auch als Munition verwendet haben, so die Staatsanwaltschaft Wels am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal". Über zwei 16-jährige Hauptverdächtige war am Mittwoch Untersuchungshaft verhängt worden. Der dritte Jugendliche im Alter von 14 Jahren wurde gegen gelindere Mittel enthaftet.

Petra Stranzinger von der Staatsanwaltschaft betonte, dass von einem "Lausbubenstreich" keine Rede sein könne. Es sei kriminelle Energie an den Tag gelegt und versucht worden, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Die Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass neben den fünf Verdächtigen noch weitere Personen beteiligt gewesen sein könnten. Stranzinger berichtete von mehreren Verletzten, die bereits wieder abgereist sind. Die betroffenen Italiener seien ausgeforscht und würden nun einvernommen.

Die Staatsanwaltschaft Wels hatte am Dienstag zunächst für drei der fünf Verdächtigen Haft angeordnet. Nun hat der zuständige Haftrichter entschieden, dass zwei von ihnen auch weiterhin im Gefängnis bleiben müssen. Die Burschen hatten am Samstag Besucher der KZ-Gedenkstätte in Ebensee mit "Sieg Heil"-Rufen provoziert und mit Softgun-Munition beschossen.

Schüler und Lehrlinge
Bei den Verdächtigen handelt es sich um Schüler und Lehrlinge. Das Quintett ist gut miteinander befreundet. Eine rechtsextreme Gesinnung sei in den Befragungen nicht feststellbar gewesen, erklärte der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl. Sie seien bisher auch nicht in der einschlägigen Szene in Erscheinung getreten. Es seien keine Verbindungen dorthin oder etwaige Hintermänner erkennbar. Auch einschlägiges Material sei nicht bei ihnen zuhause gefunden worden.

Umfeld wird durchleuchtet
Die von ihnen gerufenen Nazi-Parolen könnten allerdings auch nicht von ungefähr kommen, gab Lißl zu bedenken. Ihre Absicht sei gewesen, bei der Gedenkfeier am vergangenen Samstag zur Befreiung des KZ Ebensee im Jahr 1945 zu provozieren und diese zu stören, hätten sie in den Verhören eingestanden. Das jeweilige Elternhaus der Burschen sei unverdächtig. Das Umfeld werde aber noch weiter durchleuchtet. Die Eltern der Verdächtigen seien von den Vorwürfen gegen ihre Kinder zutiefst betroffen gewesen, berichtete Lißl.

"Keine organisierte Gruppe"
Donnerstagnachmittag hat sich der Verteidiger eines 16-jährigen Hauptverdächtigen zu Wort gemeldet: Laut seinem Mandanten, der sich seit Mittwoch in Untersuchungshaft befindet, handle es sich um "keine organisierte Gruppe", auch Hintermänner gebe es nicht. Das erklärte Rechtsanwalt Kurt Waldhör. Der Jugendliche sei voll geständig und bereue die Tat zutiefst.

Der 16-jährige Lehrling verbringe seine Freizeit mit seiner Freundin, berichtete Waldhör. Zu den übrigen Verdächtigen, die er von klein auf aus der Schule kenne, habe er nur losen Kontakt. Die vier Personen, die bereits im Vorjahr wegen wehrsportähnlicher Aktivitäten angezeigt worden waren, seien ihm nicht bekannt. Die Jugendlichen hätten erst vergangenen Freitag und damit einen Tag vor dem Zwischenfall die Idee gefasst, sich bei der KZ-Gedenkstätte zu treffen. Der Anwalt betonte zudem, dass sein Mandant bisher nie polizeilich kontrolliert worden sei und auch kein einschlägiges Material besitze.

"Es tut ihm wirklich leid"
"Es tut ihm wirklich leid, dass er sich hinreißen hat lassen, da mit zu tun", so der Verteidiger über den Burschen, der die Tragweite seines Handelns anfangs nicht begriffen habe. Es werde mit Sicherheit eine offizielle Entschuldigung geben. Von einer Haft- oder Geldstrafe hält Waldhör nichts. Sozialer Dienst, beispielsweise in der Gedenkstätte Ebensee, erscheine ihm viel sinnvoller. Am 27. Mai findet laut dem Anwalt eine Haftverhandlung statt.

Sturmhauben und Uniformen
Die Vorfälle am Samstag haben auch international für Aufsehen gesorgt: Eine Gruppe aus Frankreich war beim Besuch des Besichtigungsstollens, der einst von den KZ-Häftlingen in den Fels geschlagen worden war, von den vier mit Sturmhauben vermummten Burschen in dunkler Uniform-ähnlicher Kleidung tätlich angegriffen worden. Einer der Täter habe eine Schusswaffe bei sich getragen, von ihm existiert sogar ein mit einem Mobiltelefon gemachtes Foto (kl. Bild).

Franzosen mit Softguns beschossen
Zwei der Franzosen sollen von Geschossen - vermutlich Plastikkugeln - getroffen und verletzt worden sein. Die Gruppe dürfte von dem Vorfall derart betroffen gewesen sein, dass sie sofort abreiste und keine Anzeige erstattete. Die Polizei hat mittlerweile Kontakt mit den Franzosen aufgenommen, um authentische Aussagen zu den Vorfällen einzuholen.

"Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen
Kurz nach der Attacke auf die Franzosen begegnete eine rund zehn Personen umfassende, italienische Gruppe auf ihrem Weg von einem Gedenkstein zum Besichtigungsstollen den vier Jugendlichen. Diese hätten "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen und die rechte Hand erhoben - für die Sicherheitsbehörden eindeutig der Tatbestand nationalsozialistischer Wiederbetätigung.

Bis zu zehn Jahre Haft möglich
Den Tätern der Störaktion drohen bis zu zehn Jahre Haft. Für den Strafrechtsexperten Helmut Fuchs von der Universität Wien handelte es sich bei dem Vorfall "klar" um nationalsozialistische Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes, sagte er am Montag. Der Tatbestand ist mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Fuchs vermutet, dass sich die Staatsanwaltschaft im Falle einer Anklage auch auf diesen konzentrieren wird, obwohl auch andere Tatbestände erfüllt sein könnten.

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