"Überall Tote"

Fast 380 Zivilisten bei Artillerieangriff getötet

Ausland
10.05.2009 11:00
Ein schwerer Artillerieangriff im Kriegsgebiet im Nordosten von Sri Lanka hat nach Angaben eines Arztes in der Nacht auf Sonntag 378 Zivilpersonen das Leben gekostet. Mehr als 1.200 seien verletzt worden, und möglicherweise gebe es etliche weitere Todesopfer, erklärte der für die Regierung arbeitende Mediziner V. Shanmugarajah. Noch nie seit der Offensive gegen die tamilischen Rebellen habe es an einem Tag so viele Tote gegeben. Eine den Rebellen nahestehende Website berichtete, es würden bis zu 2.000 Tote befürchtet. Die Regierungstruppen seien für den Angriff verantwortlich. Die Streitkräfte wiesen diesen Vorwurf zurück.

Granaten seien in der Nähe der provisorischen Klinik niedergegangen, sagte Shanmugarajah, der als Arzt im Auftrag der Regierung im Kriegsgebiet arbeitet. "Wir haben nichts unter Kontrolle", sagte er. Er habe Freiwillige gebeten, Gräber auszuheben.

Kanonenfeuer dauerte ganze Nacht
Die Website TamilNet berichtete, der Artillerie-Angriff  in dem von der Regierung als "sichere Zone" ausgewiesenen Gebiet habe am Samstagabend begonnen und die ganze Nacht angehalten. "Überall liegen Tote", hieß es. Die Streitkräfte erklärten, sie würden gegen die separatistischen Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) nur leichte Waffen einsetzen. Es gebe keinen Artillerieangriff, sagte Militärsprecher Udaya Nanayakkara. Man habe am Sonntag mehr als 700 tamilische Zivilisten aus der Gewalt der Rebellen befreit, so der Sprecher weiter. Bei Gefechten seien zudem zahlreiche LTTE-Kämpfer getötet worden.

Regierung lässt unabhängige Beobachter nicht zu
Eine unabhängige Bestätigung für die Berichte von LTTE und Militär gibt es kaum mehr, da die Regierung Journalisten und internationalen Beobachtern den Zugang in das noch von den Rebellen gehaltenen Gebiet verweigert. Die LTTE, die einst weite Teile im Norden und Osten Sri Lankas kontrollierte, ist auf einem nur noch etwa fünf Quadratkilometer großen Küstenstreifen nördlich der Stadt Mullaitivu vom Militär eingekesselt.

Die Regierung hatte vor zwei Wochen zugesagt, den Artilleriebeschuss des kleinen Streifens einzustellen und auch auf Bombenangriffe aus der Luft zu verzichten, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Ärzte haben jedoch immer wieder berichtet, dass die Angriffe mit schweren Waffen unvermindert fortgesetzt würden.

50.000 Flüchtlinge leben in Gebiet
Im Kampfgebiet leben schätzungsweise 50.000 tamilische Flüchtlinge. Laut UNO-Angaben wurden bei der Offensive gegen die LTTE allein in den ersten drei Monaten fast 6.500 Zivilpersonen getötet. Die Regierung wirft den LTTE vor, die Menschen als Schutzschilde zu missbrauchen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf den Regierungstruppen am Samstag Dutzende Angriffe auf Krankenhäuser in der von den Rebellen kontrollierten Zone vor. Es lägen Informationen über mindestens 30 Angriffe seit Dezember vor, erklärte die in New York ansässige Organisation. Dutzende Menschen sollen dabei getötet worden sein. Die Streitkräfte erklärten, sie griffen bei ihren Einsätzen niemals Krankenhäuser an.

Britische Journalisten verhaftet
Nach einem Bericht über die Zustände in Flüchtlingslagern in Sri Lanka und angeblichen sexuellen Missbrauch wurden am Samstag drei Journalisten verhaftet. Ihnen wird nach Polizeiangaben vorgeworfen, dem Ansehen der Regierungstruppen geschadet zu haben. Demnach wurden die Mitarbeiter des in London ansässigen Fernsehsenders Channel 4 in der östlichen Stadt Trincomalee gefasst.

Die Tamilen-Tiger kämpfen seit 1983 für einen eigenen Staat der Tamilen. Der Konflikt hat schon mehr als 75.000 Menschen das Leben gekostet.

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