Nach 30 Jahren

Zeugen Jehovas sind nun Religionsgemeinschaft

Österreich
07.05.2009 16:21
Die Zeugen Jehovas sind nun eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Das teilte der Sprecher von Kultusministerin Claudia Schmied am Donnerstag mit. Die entsprechende Verordnung sei unterzeichnet, in ein bis zwei Tagen werde diese im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Zeugen Jehovas mit ihren über 20.000 Anhängern kämpfen schon seit 1978 für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft.

Die Anerkennung bringt den Zeugen Jehovas etwa den Vorteil, mit klarem Rechtsstatus offen auftreten zu können, heißt es in deren Begründung für das Ansuchen. Weiters hat die Religionsgemeinschaft zukünftig das Recht, Religionsunterricht an Schulen anzubieten. Laut einer Aussendung des Ministeriums werden die Zeugen Jehovas davon aber aus organisatorischen Gründen vorerst keinen Gebrauch machen.

Alle Voraussetzungen erfüllt
Im Jahr 2008 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Erkenntnis festgehalten, dass eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft für jede Gemeinschaft nach der Prüfung objektiver Kriterien erfolgen muss. So muss die Gruppe zunächst als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt sein, bereits hier muss es eine Mindestanzahl von Anhängern geben.

Für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft muss die Gruppe außerdem mindestens 20 Jahre bestehen, davon zehn als Bekenntnisgemeinschaft, sowie mindestens 16.000 Mitglieder aufweisen. Auch eine "positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft" ist Voraussetzung, weiters dürfen Geldmittel nur für religiöse und mildtätige Zwecke verwendet werden. All diese Faktoren werden von den Zeugen Jehovas erfüllt, hieß es seitens des Ministeriums.

Stark ausgeprägte Missionstätigkeit
Grundlage der Lehre der Zeugen Jehovas ist der aus der Bibel abgeleitete "Plan Gottes mit der Menschheit". Dem "allmächtigen Gott und Schöpfer" Jehova oder Jahwe sind seine Zeugen zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Bekannt ist die nunmehrige Religionsgemeinschaft vor allem wegen ihrer stark ausgeprägten Missionstätigkeit, bei der sie von Haus zu Haus ziehen und ihre Zeitschriften "Der Wachtturm" und "Erwachet!" an den Mann bringen wollen. Finanziert werden die Zeugen Jehovas mit - nach eigenen Angaben freiwilligen - Spenden.

Laut Volkszählung aus dem Jahr 2001 haben die Zeugen Jehovas über 20.000 Anhänger und sind damit die fünftgrößte Glaubensgemeinschaft im Land. Der Glaube greift in allen Bereichen stark in das Leben der Anhänger ein. So ist es beispielsweise nicht erlaubt, zu rauchen. Aufmerksamkeit erregen die Zeugen Jehovas auch medial immer wieder wegen der Ablehnung von Bluttransfusionen, was mitunter lebensbedrohlich sein kann.

Gegründet wurde die Gemeinschaft von dem US-Amerikaner Charles Taze Russell Ende des 19. Jahrhunderts als Verlagsgesellschaft der Bibelforscher. 1911 kam Russell erstmals für einen Vortrag nach Wien. Regelmäßige Vorträge gab es ab 1921, ein Jahr später wurde die Tätigkeit auf andere österreichische Städte ausgedehnt.

Von Hitler-Regime verfolgt und getötet
Im Jahr 1938 gab es in Österreich 550 aktive Zeugen Jehovas. Wegen der Verweigerung des Hitlergrußes und des Wehrdienstes kam es zu Verfolgungen durch das Hitler-Regime, etwa ein Viertel der Anhänger der Glaubensgemeinschaft wurde getötet. Nach dem Krieg nahmen die Zeugen Jehovas ihre organisierte Tätigkeit wieder auf.

"Positives Signal für Religionsfreiheit"
Die Zeugen Jehovas sehen ihre Anerkennung als staatliche Religionsgemeinschaft als "positives Signal zur Wahrung der Religionsfreiheit und der Rechte von Minderheiten". Von der nunmehrigen Möglichkeit, Mitgliedsbeiträge einzuheben, wolle man keinen Gebrauch machen, erklärte Johann Renoldner, Vorsitzender der Zeugen Jehovas in Österreich, am Donnerstag. Stattdessen werde man am Prinzip der freiwilligen Spenden festhalten.

"Seit fast hundert Jahren engagieren sich Jehovas Zeugen in Österreich für christliche Werte auf der Grundlage des biblischen Evangeliums, was wir nun als anerkannte Religion noch besser tun können", meinte Renoldner. "Da wir durch unseren neuen Status klare rechtliche Vorgaben erhalten, werden administrative Tätigkeiten in vielen Bereichen einfacher." Die Religionsgemeinschaft erwartet, dass ihre Anerkennung "über Österreich hinaus richtunggebend" sein wird.

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