Fall Mike B.

Erster Zwischenbericht entlastet Drogenfahnder

Österreich
26.02.2009 13:59
Ein erster Zwischenbericht des Büros für besondere Ermittlungen der Wiener Polizei entlastet jene beiden Drogenfahnder, die am 11. Februar den US-Lehrer Mike B. (im Bild und Video oben bei einer Pressekonferenz am Mittwoch) in einer U-Bahn-Station mit einem Dealer verwechselten und daraufhin verprügelt haben sollen. Wie Major Hans Golob am Mittwoch gegenüber krone.at bekräftigte, hätten sich nach Zeugenbefragungen die schweren Vorwürfe gegen die Polizisten nicht bestätigt. Die Beamten bleiben somit im Dienst. Mike B. blieb hingegen bei seiner Darstellung des Vorfalls. Der Fall hat am Mittwochabend auch im "Club 2" des ORF beim Thema "Was ist los in der Polizei?" sehr widersprüchliche Meldungen hervorgerufen.

Laut den Aussagen der Zeugen haben sich die Drogenfahnder gegenüber Mike B. in der U6-Station ordnungsgemäß zu erkennen gegeben. Körperliche Gewalt sei erst eingesetzt worden, als sich der Sportlehrer der Amtshandlung widersetzt habe, so Golob.

Polizeipräsident stellt sich hinter Beamten
Polizeipräsident Gerhard Pürstl sagte, er stehe solange hinter den Beamten, "solange ich merke, dass ihre Amtshandlungen von den gesellschaftlichen und rechtlichen Werten unserer Stadt, unseres Landes getragen sind und das ist nach dem jetzigen Ermittlungsstand der Fall". Im Augenblick gehe er davon aus, "dass es sich um ein Missverständnis handelt und keine böse Absicht hinter dieser Amtshandlung steht". Die gerichtlichen Erhebungen gehen unabhängig davon weiter.

Später im "Club 2" erklärte Pürstl, Verwechslungen wie im Fall des US-Lehrers würden passieren. Das sei bedauerlich, "dafür entschuldige ich mich auch". Der Polizeipräsident meinte aber, es hätten sich die Beamten B. mit den Worten "Stop, police, you are arrested" klar deklariert. Weil B. nach Aussprache der Festnahme eine "Ausweichreaktion" gezeigt habe, sei er unter Einsatz von Körperkraft zu Boden gebracht worden.

Mike B. widerspricht der Polizeidarstellung
Bei einer Pressekonferenz am Mittwochabend meinte der Wiener Rechtsanwalt Oliver Ertl, die Amtshandlung der Polizisten sei "klar rechtswidrig" gewesen. Bezug nehmend auf die Behauptung der Polizei, die Beamten hätten sich ausgewiesen, aber B. habe sich widersetzt, meinte der Anwalt: Auch das rechtfertige nicht eine derartige Gewaltanwendung. Mike B. selbst widersprach der Polizeidarstellung: Einer der beiden Beamten habe sich erst später ausgewiesen, und zwar seiner Freundin gegenüber.

Der an der Vienna International School Englisch und Sport unterrichtende Lehrer blieb auch im "Club 2" bei seiner Version des Vorfalls. Er sei aus der U-Bahn ausgestiegen, die beiden Polizisten in zivil hätten sich auf ihn gestürzt und ihn zusammengeschlagen. In den Augen eines Polizisten "war purer Hass", sagte B. Von den Passanten habe ihm niemand geholfen, nur seine Freundin.

Bisher keine Entschuldigung der Exekutive
Eine Entschuldigung der Exekutive sei bisher ausgeblieben, lediglich seine Freundin habe einen Anruf erhalten. "Es ist brutal, und es gab keinen Grund, dass mir das passiert ist", sagte der Lehrer. Er habe zuvor keinerlei negative Erfahrungen in Wien gemacht, "das Leben war bis zu diesem Zeitpunkt normal". Körperlich gehe es aufwärts: "Ich fühle mich viel besser", sagte B. Er hatte bei dem Vorfall Wirbelverletzungen und Verstauchungen erlitten.

Irritiert zeigte sich das mutmaßliche Prügelopfer darüber, dass die beiden beteiligten Beamten nach wie vor ihren Dienst versehen: "Ich war wirklich schockiert, als ich das gehört habe." In den USA hätten sie sofort eine Untersuchung und eine Suspendierung bekommen, meinte er.

Starre Fronten bei TV-Diskussion
Im "Club 2" legte Rechtsanwältin Nadja Lorenz der Exekutive mangelndes Problembewusstsein beim Umgang mit Misshandlungs- und Rassismus-Vorwürfen zur Last. Lorenz meinte, dass sich zwar in den knapp zehn Jahren seit dem Tod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung viel geändert habe. Aber: "Wenn etwas passiert, wird zuerst gemauert." Die Polizei sei nicht rassistischer als die Gesellschaft. Mit Fremdenfeindlichkeit werde Politik gemacht. Kriminelle und Asylwerber würden in Statistiken des Innenministeriums im selben Atemzug genannt. "Ich höre nicht aus dem Innenministerium, dass die Würde aller Menschen gleich ist."

Kritik an diesen Aussagen kam von der früheren BZÖ-Nationalratsabgeordneten Helene Partik-Pable: "Sie sehen immer nur die eine Seite. Sie reden vom braven Afrikaner und Asylwerber und von der bösen Bevölkerung, die fremdenfeindlich ist." 80 Prozent der Drogendealer seien Schwarzafrikaner, so Partik-Pable. Wenn nichts aufgeklärt werde, sei die Polizei schuld. Sie sah eher ein Medien- als ein Problem der Exekutive, es würden sehr wenige Übergriffe geschehen. "Manche Medien versuchen immer, die Polizei ins schlechte Licht zu rücken."

Welle der Solidarität für Mike B.
Unterdessen hat der Vorfall eine Welle der Solidarität in der Gemeinde der Internet-Plattform Facebook ausgelöst. Die Gruppe "Justice for Mike B." (Gerechtigkeit für Mike B., Anm.) zählte am Mittwochnachmittag bereits 3.740 Mitglieder. Auch ein Blog beschäftigt sich mit den Vorkommnissen rund um die Misshandlungsvorwürfe.

"Er ist mein Lieblingslehrer"
Unter den Postern befanden sich auch viele Schüler der Vienna International School, die Mike B. seine Beliebtheit in der Schule bezeugten. "Ich hoffe, er wird bald gesund, er ist mein Lieblingslehrer", schrieb eine Userin. "Er ist auch mein Lieblingslehrer", hieß es im darauffolgenden Posting. Zahlreiche weitere Beiträge zeigten, dass der Fall auch im Ausland - vor allem in Mike B.s Heimat, den USA - großes Aufsehen erregt hat. Ein Blog in englischer Sprache enthält neben zahlreichen Solidaritätsbekundungen auch ein persönliches Statement von Mike B.

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