Blutiger Ehestreit

Mann zu Unrecht wegen Mordversuchs verurteilt?

Österreich
25.02.2009 14:06
Der Fall eines wegen Mordversuchs verurteilten Mannes aus Niederösterreich sollte nach Ansicht einer Anwältin vom Gericht wieder aufgenommen werden. Der Verein "Bürgerinnen und Bürger - Selbsthilfe Vereinigung" sowie die Juristin Karin Prutsch glauben, dass der heute 39-Jährige im Jahre 2007 am Landesgericht Wiener Neustadt zu Unrecht und mittlerweile rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft wegen versuchten Mordes an seiner Ex-Frau verurteilt wurde. Der Mann sei von der 41-Jährigen zuerst attackiert worden, hieß es am Mittwoch. Die Anwältin stützt sich im Wesentlichen auf ein neues medizinisches Gutachten.

Die Tat hatte sich im Juni 2007 in Mödling abgespielt. Franz A. soll versucht haben, seine damalige Ehefrau mit einem Seil zu erwürgen, so die Exekutive und das Gericht. Der 39-Jährige selbst erlitt Stichverletzungen durch ein Messer, eine davon im Rücken. Die Frau habe angegeben, von dem Mann zuerst angegriffen worden zu sein. Er habe sie von hinten gewürgt, sie sich - vor ihm stehend - verteidigt.

Franz A. wiederum gab gegenüber der Polizei und vor Gericht an, die Geschehnisse hätten sich umgekehrt zugetragen. Er sei von seiner damaligen Frau attackiert worden, sie habe hinter ihm mit einem Messer auf ihn eingestochen. Außerdem habe er der Frau kein Seil um den Hals gelegt, sich aber sehr wohl gewehrt. Der 39-Jährige befindet sich derzeit in der Justizanstalt Graz-Karlau in Haft.

Stichkanal der Wunde erst jetzt untersucht
A. erlitt unter anderem eine Stichverletzung im Rücken auf Höhe der Brustwirbelsäule. Genau diese ist für Prutsch nun ein Anlass, der Darstellung des 39-Jährigen zu glauben. Der Grund dafür ist der Stichkanal, der nun erstmals von einem Gutachter, dem Mediziner Georg Kobinia, im Auftrag der Anwältin untersucht wurde. In der Expertise hält Kobinia fest, dass "die Person, die den Stich durchgeführt hat, links hinter Herrn A. gestanden haben muss, um einen Stich mit dieser Stichrichtung durchzuführen".

Der Stich sei bisher nie analysiert worden. Das Krankenhaus Mödling habe nach dem Vorfall die Wunde vernarbt, der Gerichtsgutachter eine entsprechende Untersuchung nicht durchgeführt, so Prutsch. In den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu den Verletzungen des 41-Jährigen heißt es unter anderem: "Da konkrete Angaben zur Tiefe und insbesondere zum Verlauf der einzelnen Stich-/Schnittverletzungen fehlen, (...), lassen sich aus den ärztlichen Befunden keine genauen Angaben zur Stich- bzw. Schnittführung des Messers ableiten". Nunmehr wurden die Verletzungen im Rücken mittels CT und MR untersucht, erläuterte Prutsch. Die Anwältin wies darauf hin, dass das erste medizinische Gutachten maßgeblich für die Verurteilung von Franz A. gewesen sei. Schon damals habe der Experte alle Möglichkeiten offen gelassen. Nunmehr sei klar: Es sei "nicht möglich", dass sich der Vorfall so zugetragen habe, wie ihn die 41-Jährige geschildert habe.

Neue Befunde "widersprechen Tatverlauf"
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens wurde laut Karin Prutsch am Dienstag am Landesgericht Wiener Neustadt eingebracht. Die Juristin rechnete damit, "in den nächsten Wochen" zu erfahren, ob diesem stattgegeben wird. Dazu bedürfe es einer vermutlich nicht öffentlichen Sitzung am Gericht, so die Anwältin. Prutsch kündigte darüber hinaus einen Enthaftungsantrag an.

Als weiteren mutmaßlichen Entlastungspunkt für den 39-Jährigen führte Prutsch an, dass damals weder am Hals der heute 41-Jährigen noch an den Händen des Mannes Seilspuren festgestellt worden seien. Franz A. habe angegeben, in einer Abwehrhandlung die Frau "mit der linken Hand am Hals" erwischt zu haben. Auch die Verteilung der Blutspuren am Boden nach der Tat spreche für die Version des 41-Jährigen. Die Schwester von Franz A. hatte sich an den Verein "Bürgerinnen und Bürger - Selbsthilfe Vereinigung" gewandt, um auf den Fall aufmerksam zu machen. BBSV-Obmann Robert Gangl konstatierte, dass sich in der Causa "viele kleine Fehler zu einem großen summiert" hätten. Die Untersuchungen wären "nicht mit der richtigen Umsicht betrieben" worden, sagte Gangl.

Gutachten: nur Würgespuren, kein Erdrosseln
In seinem Gutachten hält der Klagenfurter Arzt Georg Kobinia abschließend fest: "Diese Befunde, die auf neuem Datenmaterial beruhen, sind mit den im Urteil vom 17. Dezember 2007 festgestellten Tatsachen nicht vereinbar und widersprechen dem bisher angenommenen Tatverlauf." Unter Berufung auf vorhandenes Material meinte Kobinia, dass die Halsverletzungen bei Frau A. "nur durch Würgen und nicht zirkuläres Erdrosseln erklärbar" seien.

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