Streit um 2 Stunden

Österreichs Lehrer sollen länger unterrichten

Österreich
26.02.2009 13:41
Österreichs Lehrer müssen künftig für das gleiche Gehalt zwei Stunden pro Woche länger in der Klasse stehen. Als Teil der Bildungsreform habe die Regierung diese Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung für alle Lehrer ab kommendem Schuljahr beschlossen, gab Unterrichtsministerin Claudia Schmied am Mittwoch bekannt. Begründung: Nur durch diese "strukturelle Maßnahme" seien Verbesserungen und "die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs" möglich. Heftige Kritik kam von der Gewerkschaft: Schmied impliziere mit ihrem Vorstoß, "dass sie 60.000 faule Hunde als Lehrer beschäftigt", meinte etwa Walter Riegler, der Vorsitzende der Pflichtschulgewerkschaft. Im Falle einer Umsetzung der Initiative kündigt er "gewerkschaftliche Maßnahmen" an.

"Dienstrechtliche Besonderheiten", etwa die durch Schulferien und Feiertage rund vier unterrichtsfreien Monate pro Jahr, "bleiben von dieser Maßnahme unberührt", betonte Schmied. Lehrer sollen weiterhin durchschnittlich 180 Unterrichtstage pro Jahr absolvieren.

Bundes- und Landeslehrer werden künftig laut Schmied aber im Rahmen ihrer bestehenden 40-Stunden-Woche "zwei Stunden mehr in den Klassen bei den Kindern sein". Derzeit unterrichte etwa ein AHS-Lehrers 20 Stunden pro Woche in der Klasse, der Rest gilt als Vorbereitungszeit bzw. wird für das Korrigieren von Hausaufgaben, Schularbeiten etc. verwendet.

Lehrer-Studie: Hoher Verdienst bei wenig Unterricht
Durch diesen Schritt werde die österreichische Unterrichtsverpflichtung an den internationalen Durchschnitt herangeführt, meint Schmied. Dieser liegt nämlich mit 607 Unterrichtsstunden pro Jahr bei Lehrern an AHS-Unterstufe und Hauptschule deutlich unter dem OECD-Schnitt von 717. In der OECD-Studie "Education at a Glance 2008" hatte Österreich damit den 19. von 24 Plätzen der OECD-Länder belegt. Das Einkommen österreichischer Lehrer in diesem sogenannten "Sekundarbereich I" liegt allerdings am Ende der Berufslaufbahn mit durchschnittlich 57.141 Dollar deutlich über dem OECD-Schnitt von 49.778 Dollar.

"Harte Zeiten erfordern von jedem einen Beitrag"
Schmied verwies auch auf eine Studie des Instituts für höhere Studien, das "auch aufgrund dieser Zahlen" festgehalten habe, dass "strukturelle Maßnahmen unabdingbar sind". Finanzminister Josef Pröll habe ihr dafür seine "volle Unterstützung zugesichert". Anders hörte es sich allerdings nach dem ÖVP-Bundesparteivorstand aus dem Mund des Finanzministers selbst an. Pröll kritisierte dabei vor allem die Vorgangsweise von Schmied: "Das ist kein guter Anfang für die Umsetzung des Budgets, via Medien zu diskutieren und nicht mit den Betroffenen."

Pröll kritisiert Vorgangsweise von Schmied
Jedes Ressort hätte innerhalb des ausverhandelten Globalbudgets absolute Gestaltungsfreiheit und könne politische Schwerpunkte setzen. Die Ausweitung der Unterrichtspflicht sei eine Möglichkeit von Schmied. Diesen Punkt müsse sie selbst - mit den Betroffenen und nicht über sie hinweg - ausdiskutieren. Er zeigte sich überrascht darüber, dass die Ministerin mit Details an die Öffentlichkeit ging, zumal Stillschweigen vereinbart worden war, so Pröll. Inhaltlich sprach der Vizekanzler nur von einer "singulären Maßnahmen", über die noch zu diskutieren sein werde.

Ein Sprecher Schmieds betonte hingegen, dass es "klare Zusagen des Finanzministers gegeben hat, die geplanten strukturellen Maßnahmen wie die Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung mitzutragen". Das sei "explizit abgesprochen" und auch im Protokoll der Budgetverhandlungen vermerkt. Der Vorstoß Schmieds könnte sich so auch durchwegs zu einem veritablen Koalitionsstreit auswachsen.

Gewerkschaft kündigt Kampfmaßnahmen an
"Entweder Schmied kommt zur Besinnung und nimmt das zurück", sagte der Pflichtschulgewerkschaftsvorsitzende Walter Riegler, "oder es gibt gewerkschaftliche Maßnahmen - und zwar volle Kraft voraus." Auch die Lehrer-Vertreter an Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) und AHS kündigten Widerstand an. "Die Ministerin vernichtet mit einem Federstrich 10.000 Arbeitsplätze, weil sie nicht mit dem Budget auskommt", kritisierte der Gewerkschafter weiter.

Besonders erbost zeigte er sich darüber, dass laut Schmied zwei zusätzliche Unterrichtsstunden innerhalb der 40 Wochenstunden erledigt werden könnten. Sie impliziere damit, "dass sie 60.000 faule Hunde als Lehrer beschäftigt". Eva Scholik sieht in der Unterrichtszeitausweitung eine Trotzreaktion Schmieds, die "Projekte aufgestellt hat, die ein Heidengeld kosten wie die Neue Mittelschule", aber nun mit einem geringeren Budget auskommen müsse. Gary Fuchsbauer von der BMHS-Gewerkschaft wies darauf hin, dass die Belastung der Lehrer schon jetzt überdurchschnittlich hoch sei.

Keine Einbindung der Lehrervertreter
Der Vorsitzende der Christgewerkschafter und ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl zeigte sich irritiert darüber, dass Schmied diese Initiative ohne Einbindung von Lehrervertretern ergriffen habe, es müsse mit den Lehrern noch diskutiert werden. Die Ausweitung der Unterrichtsstunden werde so "sicher nicht möglich sein", sagte der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer in seiner Funktion als Obmann des Christlichen Lehrervereins für OÖ. Dadurch müssten allein in OÖ im Extremfall 2.000 Lehrer gekündigt werden, was vor allem Junglehrer betreffen würde.

Der Grünen-Bildungssprecher Harald Walser sprach von einer gravierenden Verschlechterung für Lehrer, die schon jetzt unter äußerst schwierigen Arbeitsbedingen leiden würden. Die Schulsprecherin der FPÖ, Monika Mühlwerth, kritisierte, dass sich Schmied "wieder einmal an den Lehrern abputzen" wolle. Das Projekt "neue Mittelschule" habe offensichtlich "schon mehr Geld verschlungen, als vorgesehen und Schmied komme nicht mehr mit ihrem Budget aus".

Elternvertreter unterstützen Schmied
Zustimmung zur Schmied-Initiative kommt hingegen von Elternvertretern: "Wir finden das gut, das liegt auf unserer Linie", sagte der Vorsitzende des Dachverbands der Elternvereine an den Pflichtschulen, Gerald Netzl, am Mittwoch. Dabei gehe es nicht um Mehrarbeit für das gleiche Geld, sondern "um eine Verschiebung von der Vor- und Nachbereitung hin zum direkten Kontakt mit den Kindern", so Netzl. Für Ulf Scheriau, Bundesvorsitzender der Elternvereinigungen an mittleren und höheren Schulen, ist eine Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung, "verstanden als Anwesenheitszeit der Lehrer an der Schule und reine Umschichtungsmaßnahme innerhalb des Tätigkeitsbereichs, im Hinblick auf ein verbessertes Angebot der Schule zu begrüßen". "Das darf aber keine Einsparungsmaßnahme sein", so Scheriau.

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