"Geisel"-Drama

54-jähriger Steirer: “Ich bereue nichts!”

Österreich
20.02.2009 12:39
Am Donnerstag um 4.00 Uhr früh ist das Drama von St. Marein im Mürztal (Steiermark) nach 20 Stunden des Bangens unblutig beendet worden. Der Zugriff der Cobra dauerte knapp zehn Minuten, Geisel gab es keine. Der Verdächtige - er hatte sich mit Benzinkanistern sowie einer Art Lanze in seiner Wohnung verschanzt - wurde mittlerweile nach einem kurzen Verhör in die Justizanstalt Graz-Jakomini gebracht. Die Tat bereut er nicht, ganz im Gegenteil: Jetzt wisse die Öffentlichkeit, dass er von der Justiz dreimal zu Unrecht verurteilt worden wäre. Den teuren Einsatz (angeblich 50.000 Euro) wird der Obersteirer bezahlen müssen - sofern er nicht für unzurechnungsfähig erklärt wird...

Durch die Aktion hatte er auf seine Probleme mit der Justiz aufmerksam machen wollen - doch nach dem Cobra-Einsatz versteckte er seinen Kopf unter einer Jacke. Erst beim Verhör gewann die Persönlichkeit des 54-jährigen Schweißers (kleines Bild) wieder Oberhand: "Ich bereue gar nichts!" Und er sei zufrieden. Er habe das erreicht, was er erreichen wollte, nämlich Aufmerksamkeit, so Chefermittler Anton Kiesl.

Der Mann habe sichtlich Gefallen an der Medienpräsenz gefunden und sei der Meinung, dass er nun die von ihm angeprangerten "korrupten Sachen von Justiz und Staatsanwaltschaft" aufdecken könne (mehr dazu findest du unten). Gleichzeitig habe er den Polizeibeamten bei seiner Festnahme vorgeworfen, "mit der korrupten Staatsanwaltschaft unter einer Decke" zu stecken.

"Waffenarsenal" war harmlos
Der Mann hatte behauptet, eine deutsche Autostopperin bei sich zu haben. Zudem hatte er gedroht, das Mehrparteienhaus, in dem er sich verschanzt hatte, mit Gasflaschen in die Luft zu sprengen. Doch auch mit dieser Drohung hatte der Obersteirer einigermaßen übertrieben. Wie die Untersuchungen des Landeskriminalamtes ergaben, war das Waffenarsenal des vorgeblichen Geiselnehmers ziemlich harmlos, "Sprengfallen", "Molotowcocktails" und Gasflaschen wurden entgegen erster Berichte nicht gefunden.

Lediglich einige Flaschen Benzin, die er angeblich gegen sich selbst verwenden wollte, um eine Verhaftung zu vereiteln, seien laut Chefermittler Kiesl sichergestellt worden. Die "Lanze", von der im Bericht des Einsatzkommandos die Rede war, sei ein "Stecken" mit untauglich befestigter Messerklinge gewesen, um die Türe zu verkeilen. Auch die Propangasflaschen, mit denen er das Haus in die Luft zu sprengen drohte, gab es nicht.

Bilder vom Einsatz St. Marein findest du in der Infobox.

Polizei: "Man muss immer vom Schlimmsten ausgehen"
"Die tatsächliche Gefährlichkeit kann man bei einem Zugriff in der Dunkelheit, wo alles in Sekunden passieren muss, schwer abschätzen", verteidigte der Sprecher der Sicherheitsdirektion, Maximilian Ulrich, die Darstellungen seiner Kollegen, wie sie diese kurz nach der Stürmung und Festnahme in einer improvisierten Pressekonferenz gegeben hatten: "Man muss immer vom Schlimmsten ausgehen." Zudem war ja vom Täter, der sich verbarrikadiert hatte, auch ein Feuerlöscher eingesetzt worden.

Wie Sicherheitsdirektor Josef Klamminger erklärte, habe man sich zu dem Zugriff entschlossen, weil am Abend der bis dahin gute Gesprächskontakt plötzlich abgebrochen war. Zunächst hatte ein Erkundungstrupp das Mehrparteienhaus sondiert, um 4.00 Uhr erfolgte dann der Zugriff.

Täter fühlte sich ungerecht behandelt
Zur Person des Täters gab der Leiter der Verhandlungsgruppe, Herbert Fuik, bekannt, dass er alleinstehend und berufstätig, zuletzt aber im Krankenstand gewesen sei. Er habe sich durch länger zurückliegende Urteile wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung ungerecht behandelt gefühlt und seine Tat schon länger geplant, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Der 54-Jährige schickte auch mehrere Briefe an hohe Persönlichkeiten, u.a. an den Bundespräsidenten und den steirischen Landeshauptmann sowie auch an den steirischen Ombudsman der "Krone".

Die Vorgeschichte
Sein reger Schriftverkehr mit jeder auch nur erdenklichen Obrigkeit begann im Jahre 2002 nach einer Klage, weil der 54-Jährige die Kosten für einen Baustromanschluss nicht bezahlen wollte. Er verlor den Prozess - der Anfang seines Behörden-Marathons. Über die Jahre steigerte sich der Obersteirer in einen Wahn in punkto "Freunderlwirtschaft, Justizterror und Amtsmissbrauch" hinein. Hier einige Auszüge aus seinen Schriften:

  • Über seinen Fall: "Es ist ein gordischer Knoten, der endlich entwirrt gehört."
  • Über seine 127 Tage U-Haft wegen gefährlicher Drohung: "(...) wehe dem, der mich mit Terror verfolgt, der versucht, mich zu vernichten."
  • Über seine Einstellung zu Gewalt: "Du sollst das Böse aus der Welt entfernen. So bin ich zum Beispiel bei Mord (...) und Freiheitsentziehung für die Wiedereinführung der Todesstrafe."
  • Über seinen Bezug zur Gerechtigkeit: "So würde ich nicht davor zurückschrecken, um meine Freiheit und meine Ehre zu verteidigen, dafür mein Leben zu opfern."
  • Trotz des "Justiz-Terrors", der ihm widerfahren sei, sinne er nicht nach Rache, sondern "nur nach Gerechtigkeit".

Enormer Aufwand für Einsatzkräfte
Das Großaufgebot der Exekutive  - insgesamt waren 100 Personen bis zu 20 Stunden im Einsatz - dürfte sich übrigens rein kostenmäßig auf eine "jedenfalls fünfstellige Euro-Summe" belaufen, rechnete Sicherheitsdirektion-Sprecher Ulrich vor. Dazu kämen auch noch starke Einheiten des Roten Kreuzes inklusive Notärzte sowie Assistenzkräfte der Feuerwehr.

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