Blutgruppen-Trend

Blutgruppe verrät den Charakter des Menschen

Gesund
17.02.2009 14:03
Eine Frage beherrscht derzeit Japan bei allen Gelegenheiten: "Zu welcher Gruppe gehören Sie?", heißt es auf Partys, im Bewerbungsgespräch, beim Flirt oder im Kaufhaus. Die Antwort sollte man sich gut überlegen, denn hier geht es weder um Berufsgruppe noch um Einkommens-, Sport- oder Altersgruppe. Es geht um die Blutgruppe - und die kann angeblich Aufschluss über die Persönlichkeit eines Menschen geben...

Aus der Blutgruppe lassen sich - so die Überzeugung vieler Japaner - intimste Details zur Persönlichkeit ableiten. Im vergangenen Jahr enthüllten vier der zehn meistverkauften Bücher ihren Lesern, was die Blutgruppe eines Menschen über seinen Charakter verrät. Insgesamt verkaufte die Serie - mit jeweils einem Band für die Gruppen A, B, AB und 0 - über fünf Millionen Exemplare.

Taku Kabeya, Geschäftsführer des Verlags Bungeisha, führt den Erfolg der Reihe darauf zurück, dass die Leser ihr Selbstbild bestätigen, wenn sie bestimmte Charakterzüge von sich selbst oder von anderen bei der Lektüre wiedererkennen. 

Charaktereigenschaften der Blutgruppen

  • Laut den Ratgebern sind  Menschen mit Blutgruppe A empfindsame Perfektionisten, allerdings etwas ängstlich.
  • Typ B tendiert zur Frohnatur, ist aber gleichzeitig exzentrisch und egoistisch.
  • Fließt  Blut der Gruppe 0 durch die Adern eines Menschen, so ist dieser neugierig und großzügig, aber stur.
  • Und AB-Träger sind geheimnisvoll und unberechenbar.

Der Ministerpräsident bekennt sich zu A
Hierzulande mögen solche Pauschalurteile nach billigem Hokuspokus klingen. In Japan dagegen macht die Begeisterung selbst vor höchsten Regierungsämtern nicht halt. Ministerpräsident Taro Aso enthüllt auf seiner offiziellen Internetseite nicht ohne Stolz, dass er der Blutgruppe A angehört. Sein Rivale Oppositionsführer Ichiro Ozawa verkündete dagegen, er trage den Typ B.

Schrille Blüten des Trends
Welche schrillen Blüten der Trend noch treibt, zeigen die folgenden Beispiele: Die Spielkonsole Nintendo DS berücksichtigt in einem Spiel die Blutgruppe. In Kaufhäusern können Frauen sich "Glückstaschen" kaufen, deren Inhalt speziell auf ihr Blutprofil zugeschnitten ist.

Kontaktbörsen achten bei der Partnervermittlung auf kompatible Blutgruppen, und Unternehmen machen das Einsatzgebiet ihrer Angestellten vom jeweiligen Typus abhängig.

Manche Kindergärten teilen die Kinder inzwischen nach Blut in Gruppen auf, und das japanische Softball-Team der Frauen orientierte die Trainingsprogramme der Athletinnen an dem Körpersaft - offensichtlich mit Erfolg, die Mannschaft holte in Peking Gold.

Mediziner warnen vor „Blutgruppen-Gängelung“
Aber die Hysterie nimmt zunehmend bedenkliche Formen an. Schon ist die Rede von "Bura Hara", der Blutgruppen-Gängelung. Inzwischen erkundigen sich immer mehr Arbeitgeber bei ihren Bewerbern nach der Blutgruppe, wie Junichi Wadayama vom Arbeits- und Gesundheitsministerium beklagt. "Das ist schon so üblich, dass die meisten Unternehmensmitarbeiter gar nicht wissen, dass diese Frage diskriminierend ist", sagt Wadayama.

"Das ist genau wie Rassismus"
Die Wurzeln der japanischen Blutbegeisterung lassen sich in die 1930er-Jahre zurückverfolgen. Damals übernahm die japanische Militärregierung die Rassenideologie der Nationalsozialisten mit dem Ziel, bessere Soldaten zu züchten. Das Projekt scheiterte, der Spuk schien vorbei. Eine Renaissance erlebte die Idee dann in den 70er-Jahren, als der Journalist Masahiko Nomi in seinen Büchern die Blutgruppen mit bestimmten Persönlichkeitstypen verband. Nach dem Tod des Autors trat sein Sohn Toshitaka in die Fußstapfen. Er betreibt unter wissenschaftlichem Deckmäntelchen das Unternehmen Human Science AB0 Center. Es gehe nicht darum, Menschen einzuordnen, sondern darum, das eigene Talent zu fördern, so Nomi junior.

Psychologe spricht von „Scheinwissenschaft“
Für sachliches Denken bleibt da wenig Raum. Fast schon hilflos klingt die nüchterne Erläuterung von Satoru Kikuchi. Die Blutgruppe beruhe auf Proteinen und habe nichts mit der Persönlichkeit zu tun, betont der Psychologe von der Universität Shinshu. "Das ist schlicht Scheinwissenschaft", sagt er. "Die Idee ermutigt dazu, andere nach ihrem Blut zu beurteilen, ohne zu verstehen, dass es sich um Menschen handelt. Das ist genau wie Rassismus."

Blutgruppendiät ist Unsinn
Auch die Blutgruppendiät, die Anfang der Jahrtausendwende besonders in Europa Anhänger fand und immer noch findet, halten Mediziner übrigens für Humbug. Die Versprechen der sogenannten Blutgruppendiät seinen wissenschaftlich nicht haltbar. Diese Art der Ernährung sei weder ein Schutz gegen Zivilisationskrankheiten, noch ein Allheilmittel gegen Übergewicht.

Die Blutgruppendiät von dem US-amerikanischen Naturheilkundler Peter J. D’Adamo basiert auf der Annahme, dass mit der Nahrung bestimmte Proteine in die Blutbahn gelangen und dort "verklumpen". Dieser Effekt wirkt der Theorie zu Folge beim Zusammentreffen von bestimmten Blutgruppen mit bestimmten Lebensmitteln besonders stark. Deshalb sollten Menschen mit bestimmten Blutgruppen bestimmte Nahrung meiden.

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