Verlies-Drama

Bezirkshauptmann: “Haben keine Fehler gemacht”

Österreich
16.02.2009 10:11
Eine tragende Rolle im Verlies-Drama ist auf Behördenseite dem Bezirkshauptmann von Amstetten, Hans-Heinz Lenze, zugekommen. Im Gespräch mit der Austria Presseagentur lässt der 64-Jährige die dramatischen Geschehnisse seit April 2008 Revue passieren.

Herr Lenze, die Frage nach etwaigen Behördenfehlern war unmittelbar nach Bekanntwerden des Inzest-Falls eine allgegenwärtige. Wie sieht rückblickend ihre Conclusio dazu aus?

Lenze: Die Printmedien haben viele richtige und einige unrichtige Darstellungen gebracht. Faktum ist, dass im Rahmen der Vollziehung des Jugendwohlfahrtgesetzes, was den Fall F. betrifft, keine Fehler auf Behördenseite festzustellen waren. Der immer wieder gekommene Vorwurf, dass vor der Genehmigung der Adoption keine Strafregisterauskunft der Adoptiveltern eingeholt worden sei, trifft nicht zu. Im Rahmen der von der Familie F. getätigten Adoption bzw. Pflegeübernahmen von insgesamt drei Kindern wurde im Jahre 1994 ein Strafregisterauszug eingeholt, aus dem hervorging, dass keine Verurteilung im Strafregister vorlag.

Sie haben sich Ende April 2008 dafür ausgesprochen, dass auch getilgte Straftaten, die im Zusammenhang mit Sexualdelikten stehen, im Fall des Falles den Behörden zugänglich gemacht werden sollen. Wie beurteilen Sie diese Forderung nun?

Lenze: Ich nehme an, dass das kommen wird. Im Sommer haben sich Strafrechtsexperten bei einem Symposium damit befasst. Das ist aber eine Frage, die der Gesetzgeber zu lösen hat. Grundsätzlich ist der Strafrahmen für Sexualverbrecher ausreichend.

Hätten Sie es im Zuge der Adoption der Kinder von Josef F. für möglich gehalten, dass sich dahinter so ein dramatischer Kriminalfall verbirgt?

Lenze: Ich bin kein Freund von Kaffeesudlesen. Zum damaligen Zeitpunkt hat niemand - weder die Staatsanwaltschaft, noch die Kriminalabteilung, noch die Mitbewohner des Hauses - Verdachtsmomente gekannt. Zu dem immer wieder vorgebrachten Argument, warum bei der Auffindung der Kinder keine DNA Analyse durchgeführt wurde, darf ich bemerken, dass zum damaligen Zeitpunkt diese Technik in der Entwicklung war und weder der Vater bekannt war noch jemand wusste, wo sich die Mutter aufhielt. Und wer hätte damals angesichts des beigelegten Briefes vermuten sollen, dass sich dahinter ein Kapitalverbrechen verbirgt?

In der Geschichte der Verbrechen dieser Welt kommt es immer wieder vor, dass raffinierte Täter jahrelang unentdeckt bleiben, weil sie perfekte Doppelleben führen oder auf sehr intelligente Art und Weise ihre Taten planen und umsetzen. Doch wie man auch in diesem Fall sieht, ist nichts so fein gesponnen, dass es nicht kommt an die Sonnen. Generell kann ich sagen, dass wir im Rahmen der Vollziehung des Jugendwohlfahrtgesetzes unsere Pflicht getan haben.

Sind der Tochter und den Kindern von Josef F. mittlerweile neue Dokumente, etwa Geburtsurkunden, ausgestellt worden?

Lenze: Was die Opfer anbetrifft, erhalten Sie von mir keine Auskunft. Aus der Sicht der Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten ist der Fall abgeschlossen. Kernpunkt und zugleich mein sehnlicher Wunsch ist, dass die Kinder und ihre Mutter - eine sehr starke Frau - wieder glücklich werden können. Das habe ich auch unmittelbar nach Bekanntwerden des Falls schon gesagt. Persönlich (selbst dreifacher Vater erwachsener Kinder, Anm.) ist mir das monatelang psychisch nahegegangen: Die Gedanken, was die Kinder durchmachen mussten, wie sie in Zukunft mit ihrem Schicksal, ihrer Lebensgeschichte umgehen können, befassen mich noch immer sehr intensiv.

Wissen Sie, wie viele Medienkontakte Sie im Zusammenhang mit dem Fall hatten? Und sind Sie nun angesichts des bevorstehenden Prozesses in St. Pölten mit Anfragen konfrontiert?

Lenze: Mitgezählt habe ich nicht, aber es waren unzählige. Die Zeitungsberichte habe ich in einem Ordner gesammelt, vielleicht werde ich sie in der Pension einmal lesen. Natürlich kommen jetzt wieder Anfragen, wobei ich mich auf das knappste beschränken werde.

Hat sich die durch den Inzest-Fall gestiegene Sensibilisierung, nämlich "hin- statt wegschauen", bei der Behörde in Zahlen niedergeschlagen? Gab es vermehrt Hinweise auf möglichen Missbrauch?

Lenze: Nein. Es gibt Jahr für Jahr Verdachtsfälle, denen nachgegangen wird. Einen Anstieg gab es 2008 nicht.

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