Woge der Empörung

Polizei verweist auf “Mitwirkungspflichten”

Wien
16.02.2009 17:24
Im Fall des am Mittwoch von der Wiener Polizei mit einem Drogendealer verwechselten US-Lehrers Michael B., der nach eigenen Angaben in der U-Bahn-Station Spittelau von zwei Beamten gefasst und dabei verletzt wurde, gehen die Wogen nach wir vor hoch. Laut seinem Anwalt wartet er noch immer auf eine Entschuldigung durch die Polizei. Die Exekutive sorgt unterdessen mit ihrem Hinweis auf "Mitwirkungspflichten" von Verwechslungsopfern an der Klärung von Sachverhalten für Empörung.

"Das ist ja haarsträubend!", meinte Anwalt Alexander Hofmann am Dienstag. "Wie hätte mein Mandant auf die Verwechslung hinweisen sollen, nachdem man sich auf ihn gestürzt und auf ihn eingeprügelt hatte, ohne dass er wusste, dass es sich um eine Amtshandlung der Polizei handelte?"

Michael B. sei mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufgeschlagen, dann habe man ihn festgehalten. Erst nach drei Minuten habe einer der Beamten "Polizei, Polizei" gerufen, auf die Aufforderung der Lebensgefährtin des Lehrers, die Dienstmarken vorzuweisen, hätten die Polizisten zunächst nicht reagiert. Erst als die Frau nach mehreren Minuten gedroht habe, den Polizeinotruf zu wählen, hätten sich die Männer als Beamte zu erkennen gegeben, erläuterte Hofmann.

Eine Chronologie von Missbrauchsvorwürfen gegen die Wiener Polizei: siehe Infobox!

Hofmann wirft den beiden Beamten neben einer Verletzung interner Richtlinien Körperverletzung und Amtsmissbrauch vor. Der Ermittlungsakt wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wien noch am Montag an die Oberstaatsanwaltschaft weitergeleitet.

"Polizisten sind nicht suspendiert"
Von der Bundespolizeidirektion bisher bestätigt ist die Verwechslung des US-Lehrers mit einem mutmaßlichen Drogendealer. "Die Polizisten sind nicht suspendiert, weil nach Dienstrechtsparagraf 112 das Ansehen des Amtes und des Dienstes dadurch nicht gefährdet sind", erklärte Sprecherin Iris Seper.

Welche Konsequenzen eine derartige Verwechslung für die betreffenden Beamten haben kann, sei von Fall zu Fall verschieden. "Es gibt nichts Grundsätzliches, wir müssen da erst die Ermittlungsergebnisse abwarten", so die Sprecherin. "Sollte es Konsequenzen geben, kommt der Fall zu einer unabhängigen Disziplinarkommission. Es kann vom Verweis bis zu einer Entlassung gehen."

Anti-Rassismus-Verein kritisiert "Unverhältnismäßigkeit"
Der Anti-Rassismus-Verein ZARA kritisierte die Äußerungen der Polizei bezüglich der Mitwirkungspflicht von Verwechslungsopfern und nannte diese "mehr als zynisch". Die Formulierung von Landespolizeikommandant Karl Mahrer, es müsse nun geklärt werden, "warum Gewalt eingesetzt wurde", stelle darüber hinaus einen Versuch dar, Michael B. einen Teil der Schuld zuzuschieben.

"Nicht die angebliche Verwechslung ist das Problem, sondern die Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes", kritisierte ZARA-Geschäftsführerin Barbara Liegl am Dienstag. Es sei eine grobe Verletzung von Menschenrechtsstandards, sollten die Beamten sich tatsächlich nicht als Polizisten zu erkennen gegeben haben.

Produktiver Umgang mit Fehlern muss möglich sein
"Die Vorgangsweise der Polizeiführung zeigt, dass weiterhin großer Handlungsbedarf beim Umgang mit Misshandlungsvorwürfen besteht", erklärte der Verein. Dringend nötig sei daher die Entwicklung einer Kultur innerhalb der Polizei, in der ein produktiver Umgang mit Fehlern möglich ist. Zugleich zeige der Fall auf, welche Konsequenzen "racial profiling", also die Einordnung von Tatverdächtigen aufgrund ihrer Hautfarbe, haben kann, so ZARA.

Major Martin Schlosser, der Leiter der Aufnahme, Aus- und Fortbildung im Landespolizeikommando, betonte, dass im Rahmen der verpflichtenden Fortbildungswoche für Polizisten (drei Tage alle zwei Jahre) das Thema Polizei und Menschenrechte seit kurzem ein wesentliches Trainingsmodul sei. 3.500 Beamte nehmen daran allein in Wien teil. Zu diesen Schulungen werden externe Fachleute von Menschenrechtsorganisationen beigezogen.

Grüne empört: "Zynische Reaktion" der Polizei
Der Hinweis auf "Mitwirkungspflicht" rief bei den Grünen umgehend Empörung hervor: Die Behörde suggeriere damit, dass der Geschädigte selbst Schuld daran hätte, dass er von den Polizisten verprügelt wurde, kritisiert Klubobfrau Maria Vassilakou und spricht von einer "zynischen Reaktion". Die Politikerin verlangt eine persönliche Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung für das Opfer sowie Konsequenzen für das Personalmanagement der Polizei.

Freiheitliche verteidigen Polizei
Auch die Freiheitlichen nahmen Stellung: "Dass der polizeiliche Zugriff bei Festnahmen - gerade bei Personen mit erhöhter Gewaltbereitschaft wie Drogendealern - nicht zuletzt aus Gründen der Eigensicherung mit einer gewissen Vehemenz und Zielstrebigkeit zu erfolgen hat, ist grundsätzlich nicht verwerflich, ebenso auch nicht das Fixieren von festgenommenen Personen auf dem Boden", erklärte der Nationalratsabgeordnete Werner Herbert, Vorsitzender der AUF/Exekutive. Dass daraus aber fast reflexartig ein Misshandlungsvorwurf erhoben und ein vermeintlicher Polizeiübergriff konstruiert werde, erscheine nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch höchst eigenartig. "Die Verwechslung eines unbescholtenen Menschen mit einem Drogendealer sollte natürlich nicht passieren", meinte Herbert.

Symbolfoto

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