Amtsverzicht

Wagner: “Widerstand war unbarmherzig”

Österreich
16.02.2009 17:52
Im Zusammenhang mit der umstrittenen Ernennung des Pfarrers von Windischgarsten, Gerhard Maria Wagner, zum Linzer Weihbischof hat es Sonntagabend eine unerwartete Wendung gegeben: Wagner hat einen Rückzieher gemacht und um die Rücknahme seiner Ernennung gebeten. Der Heilige Stuhl hat dieser Bitte bereits entsprochen. Ungeachtet des überraschenden Verzichts von Wagner haben sich Österreichs Bischöfe am Montag wie geplant zu einer Sonderberatung in Wien getroffen (siehe Bericht in der Infobox). Wagner selbst zeigte sich am Montag "erleichtert", den regen Widerstand gegen seine Person habe er als "unbarmherzig" empfunden. In seiner Pfarre spricht man von der Causa als "unglaubliche Sauerei".

"Dieser Rücktritt geschieht aus freien Stücken", sagte Wagner im Radio Ö1. "Ich bin sehr erleichtert aufgestanden, im Vergleich zu den letzten Nächten." Er habe "von Anfang an, als ich ernannt wurde, natürlich den Widerstand gespürt", bekannte der Geistliche - er müsse "auch ehrlich sagen, auf sehr oft unbarmherzige und lieblose Weise". Er habe sich oft die Frage gestellt, was er tun soll, was gut sei für die Kirche. "Das war dann letztlich auch für mich jetzt die Entscheidung, dass ich gesagt habe, ich gebe den Auftrag an den Papst zurück", so Wagner.

Es sei "innerlich frei" und glücklich über diese Entscheidung, "wenngleich ich weiß, es gibt andere, die darüber nicht glücklich sind". Zu seiner persönlichen Zukunft erklärte Wagner, er wolle weiterhin in seiner Pfarre tätig sein: "Ich bin bisher Pfarrer in Windischgarsten gewesen und werde auch in Zukunft Pfarrer in Windischgarsten sein." Er habe sich "bisher gefreut und freue mich jetzt auch wieder, mich dieser Aufgabe ganz widmen zu können".

Kirchenkrise durch Papst, Williamson und Wagner
Wegen Wagner und auch der Aufregung um die päpstliche Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson war die Kirche in Österreich in den letzten Wochen in die Krise geraten. Es gab einen massiven Anstieg der Kirchenaustritte.

Auch zu einer Übertrittswelle zur evangelischen Kirche soll es bereits gekommen sein. "Viele verärgerte Mitglieder der Katholischen Kirche wenden sich derzeit an die evangelische Internet-Seelsorge, mit der Frage, was sie denn tun müssten, um evangelisch zu werden", berichtete am Sonntag die geistliche Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche in Österreich, Hannelore Reiner.

Schwarz will vorerst keinen Weihbischof beantragen
Der Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz zeigte sich am Abend erleichtert über den Amtsverzicht Wagners. "Es ist eine neue Situation, die mit dieser Entscheidung ausgebrochen ist, und etwas leichter fühle ich mich auch", sagte Schwarz. Zuvor hatte er gegenüber Kathpress gesagt, der Rücktritt Wagners sei "im Interesse und zum Wohl der Diözese Linz" erfolgt. Wagner war ursprünglich nicht auf dem von Schwarz nach Rom geschickten Dreiervorschlag gestanden, sondern vom Papst im Alleingang ernannt worden. In der Diözese Linz tobt überdies schon seit Jahren ein Kampf zwischen einem fortschrittlichen und konservativen Lager.

Schwarz will jetzt vorerst noch keinen Weihbischof beantragen: "Jetzt machen wir einmal eine Pause", erklärte der Bischof Montag Nachmittag im Anschluss an die Bischofskonferenz. Dass in der Diözese ein Auxiliarbischof nötig sei, bleibe aber unverändert, erklärte Schwarz. Wann er nun ein neues Ersuchen an Rom schicken wird, ließ der Bischof aber offen: "Nicht heute."

Khol: "Ich bin der glücklichste Mensch"
Auch Kirchenkritiker zeigten sich erleichtert über den Verzicht Wagners. "Ich bin der glücklichste Mensch", äußerte sich etwa der ÖVP-Politiker und Initiator der Katholischen Laieninitiative, Andreas Khol, Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum". Der Pastoraltheologe Paul Zulehner zollte Kardinal Christoph Schönborn Respekt für dessen Rolle als "Troubleshooter". Auch der Bischofsvikar der Diözese Linz, Wilhelm Viehböck, ortet nun eine "gewisse Entspannung der momentanen Situation". Er zollte Wagner "Respekt vor so einer Entscheidung" - "aber es bleibt noch viel zu tun".

"Im Gebet zu dem Entschluss gekommen"
Wagner hat seinen Rücktritt nicht direkt verkündet, sondern Schwarz gebeten, eine knappe Stellungnahme an die Öffentlichkeit zu übermitteln. Sie lautet wörtlich: "Angesichts der heftigen Kritik bin ich im Gebet und nach Rücksprache mit dem Diözesanbischof zu dem Entschluss gekommen, den Heiligen Vater in Rom um Rücknahme meiner Ernennung zum Weihbischof von Linz zu bitten."

Die Erklärung ist über das Kommunikationsbüro der Diözese Linz Sonntagabend an die Medien ergangen. Auf Nachfrage teilte dessen Leiter Ferdinand Kaineder mit, vorerst seien keine weiteren Veröffentlichungen geplant. Er verwies auf die in Wien angesetzte Sondersitzung der Österreichischen Bischofskonferenz.

Thema der Sitzung ist offiziell die "derzeitige Situation der Kirche in Österreich". Nur die Diözesanbischöfe inklusive Militärdiözese sind zu der Sonderberatung zur Krise eingeladen, was Wagner von vornherein ausschloss. Erwartet wurde dabei allerdings kein "Sturz" des umstrittenen Geistlichen, sondern vielmehr ein entschlossenes Bekenntniss zum Zweiten Vatikanischen Konzil sowie eine Aufforderung an Wagner, der Aufgabe der Bischöfe und Weihbischöfe zu entsprechen - nämlich "das Volk der Gläubigen zu einen und nicht zu spalten", wie es von vielen Seiten hieß.

Maulkorb nach "Homosexualität ist heilbar"-Sager
Wagner verbrachte - neben einer Reihe anderer Bischöfe - die vergangenen Tage in Rom, wo er sich unter anderem seine "Dienstkleidung" besorgte. Zuvor war über ihn eine Interview-Sperre verhängt worden, nachdem er in einem Interview mit "profil" Homosexualität als Krankheit bezeichnete, die "heilbar" sei - eine Meinung, die übrigens auch andere heimische Bischöfe mit ihm teilen. Oberösterreichische Dechanten hatten darauf in einer Abstimmung mit großer Mehrheit gegen Wagner rebelliert.

Am Sonntag war sogar von einer geplanten "Volksabstimmung" in Pfarren in Oberösterreich die Rede. Auch Bischof Schwarz hätte davon überzeugt werden sollen, Wagner nicht zu weihen. Wäre es am 22. März trotz des Widerstands zur Bischofsweihe gekommen, hätten sich die Dechanten während der Feier zu Wort gemeldet und ihren Unmut über die Bestellung geäußert, wie es hieß.

Windischgarsten: "Das ist eine unglaubliche Sauerei"
In seiner Heimatpfarre Windischgarsten im oberösterreichischen Bezirk Kichdorf ist Wagners Rücktritt Gesprächsthema Nummer eins. Für die zum Teil heftige Kritik am 54-jährigen Pfarrer zeigt hier aber niemand Verständnis. "Ich finde das eine unglaubliche Sauerei", sagte Pfarrgemeinderatsobmann Stefan Edelsbacher.

"Das ist eine Frechheit", machte auch Johanna R. (48) ihrem Ärger Luft. In Windischgarsten sei immer klar gewesen, dass der Pfarrer "zu etwas Höherem berufen ist". Er sei für alles zu haben und zu motivieren, so Reiter, die nicht versteht, dass Diözesanbischof Ludwig Schwarz sich nichts sagen traue. "In unserer Gesinnung stinkt es gewaltig." Theresia R. (79) findet es einen "Horror", was Wagner angetan worden sei. "Fehler hat ein jeder", erklärte die Pensionistin. Die jüngste Entwicklung bezeichnete sie als eine "Erleichterung" für Windischgarsten. "Der Pfarrer hat uns wirklich schon leidgetan."

"Wagner hätte sicher für die gesamte Kirche etwas bewegen können", ist Obmann Edelsbacher überzeugt, der sich derzeit auf einer von der Pfarre organisierten Reise in Indien befindet. Der 34-Jährige sieht eine "Riesenchance" vertan, habe doch der Geistliche auch in Windischgarsten "irrsinnig viel geleistet". Edelsbacher hofft, dass Wagner der Gemeinde erhalten bleibt. Auch Markus B. glaubt, dass ohne ihn etwas fehlen würde. Manche seiner Ansichten findet der 15-Jährige zwar übertrieben, aber: "Ein neuer Pfarrer wäre nicht so gut." Wagner selbst habe sich bis Ende der Woche zurückgezogen, hieß es im Pfarrhof. Den für Dienstag angesetzten Gottesdienst werde ein anderer Geistlicher leiten.

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