Jagd auf Phantom

Nazi-Verbrecher Heim offenbar schon lange tot

Steiermark
06.02.2009 11:01
Der als "Schlächter von Mauthausen" und "Dr. Tod" berüchtigte NS-Verbrecher Aribert Heim ist offenbar schon seit vielen Jahren tot. Der frühere KZ-Arzt und zuletzt meistgesuchte Nazi-Scherge starb laut Angaben seines Sohnes bereits am 10. August 1992 in Kairo an Darmkrebs. Der gebürtige Steirer hielt sich demnach nahezu 30 Jahre in der ägyptischen Hauptstadt vor den Ermittlern versteckt. Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum, das nach Nazi-Kriegsverbrechern sucht, reagierte zurückhaltend auf die Enthüllung.

Aribert Heim wurde am 28. Juni 1914 in Bad Radkersburg in der Steiermark als Sohn eines Polizeibeamten und einer Hausfrau geboren und promovierte im Jahr 1940 in Wien zum "Doktor der gesamten Heilkunde". Das "Simon Wiesenthal Center" in Jerusalem hatte die österreichische Bundesregierung einst aufgefordert, Heim den Doktortitel abzuerkennen. "Er steht auf einer Stufe mit Dr. Mengele", begründete der Leiter des Centers, Efraim Zuroff. Die Medizinische Universität Wien stellte jedoch im September 2005 fest, dass "nach österreichischem Recht die Aberkennung akademischer Grade - so sie rechtmäßig erworben sind - nicht möglich ist".

Heim war im Konzentrationslager Mauthausen unter anderem als "Dr. Tod" berüchtigt und soll 1941 als SS-Arzt zahlreiche Häftlinge mit Injektionen ins Herz gefoltert und getötet haben. Nach dem Krieg arbeitete er als Frauenarzt in Süddeutschland. Als Anfang der 1960er-Jahre Anklage gegen ihn erhoben wurde, tauchte er unter.

Als Tarnung zum Islam konvertiert
Den Recherchen von ZDF und "New York Times" zufolge konvertierte Heim an seinem Zufluchtsort Kairo Anfang der 80er-Jahre sogar zur Tarnung zum Islam und trug seitdem den Namen Tarek Farid Hussein. Vorher habe er unter seinem zweiten Vornamen als Ferdinand Heim in Kairo gelebt, erzählte Heims Sohn Rüdiger. Er habe ihn Mitte der 1970er-Jahre erstmals in Kairo besucht und ihn später nach einer Krebsoperation Anfang 1990 über mehrere Monate gepflegt. 1992 sei Aribert Heim schließlich gestorben.

Nach Angaben seines Sohnes reiste Heim nach der Ausstellung des Haftbefehles 1962 über Frankreich, Spanien und Marokko auf dem Landweg nach Ägypten. Das Geld für seinen Lebensunterhalt sei ihm von seiner Schwester in unregelmäßigen Abständen überwiesen worden, berichtete das ZDF. Sie stammten demnach aus den Einnahmen eines Mietshauses in Berlin, das Heim gehörte.

Eindeutige Beweise in Aktentasche gefunden
Bei Recherchen in Ägypten sprach das ZDF nach eigenen Angaben mit Augen- und Zeitzeugen und fand die Aktentasche Heims mit mehr als 100 Dokumenten. Unter ihnen befänden sich die Kopie eines ägyptischen Passes, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen, Kontoauszüge, persönliche Briefe und medizinische Unterlagen, die Heim bis zu seinem Tod in seinem Zimmer in einem Kairoer Hotel aufbewahrt habe. Danach lasse sich zweifelsfrei nachweisen, dass Hussein und der Nazi-Verbrecher ein und dieselbe Person seien.

Sohn traf Heim ab 1975
Im ZDF-Interview berichtet Rüdiger Heim detailliert über die Begegnungen mit seinem Vater zwischen 1975 und 1992. Dabei habe er ihn auf die Vorwürfe angesprochen, die ihm im Detail aber erst ab der Medienberichterstattung über das sogenannte Sühneverfahren gegen Aribert Heim im Jahr 1979 bekannt geworden seien: "Dann habe ich ihm natürlich diese Frage gestellt, ob er diese Person ist. Und ich kann jetzt nur wiedergeben, was er mir gesagt hat - ich bin kein Staatsanwalt, ich bin kein Richter - er hat das von sich gewiesen." Ein Berliner Gericht hatte Heim damals in Abwesenheit zu einer Geldstrafe von umgerechnet 255.000 Euro verurteilt.

Umfeld in Kairo wusste nichts - Grab auf Armenfriedhof
Ägyptische Freunde, Bekannte und auch der Arzt Heims wussten nichts von der Vergangenheit des KZ-Doktors. Übereinstimmend hätten sie aber die Umstände um die Krebserkrankung und den Tod Heims im Sommer 1992 bestätigt. Heim wollte seinen Leichnam medizinischen Zwecken zur Verfügung stellen, doch sei dies nach islamischem Recht verboten. Daher sei Heim auf einem Armenfriedhof nahe der Kairoer Altstadt begraben worden. Die Grabstellen würden nach wenigen Jahren wieder freigegeben, sodass die Chance, sterbliche Überreste zu finden, gering sei.

Wiesenthal-Zentrum reagiert zurückhaltend
Heim war seit dem Vorjahr die Nummer eins auf der vom Simon-Wiesenthal-Zentrum geführten Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher. Der Direktor des Wiesenthal-Zentrums, Ephraim Zuroff, vermutete ihn bisher in Südamerika, wo ihm seine uneheliche Tochter Waltraud Zuschlupf gewährt haben könnte. Die österreichische Regierung hatte im Jahr 2007 eine Prämie von 50.000 Euro für zweckdienliche Hinweise zur Ergreifung Heims ausgeschrieben.

Zuroff sagte am Mittwochabend in einer ersten Reaktion auf den ZDF-Bericht, es sei gut möglich, dass Heim vor 16 Jahren in Kairo gestorben sei. Die angeführten Dokumente müssten aber erst von Experten begutachtet werden. Er wies darauf hin, dass die Leiche von Aribert Heim fehle. "Es gibt kein Grab, es gibt keine Leiche und keine DNA-Nachweise." Ein Sprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg sagte ebenfalls, dass die Recherchen noch "amtlich überprüft" werden müssten. Sie passten aber zu den jüngsten Erkenntnissen der Behörde.

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