Verhärtete Fronten

Eluana darf sterben – Italien gespalten

Ausland
05.02.2009 13:34
Die italienische Politik ist tief gespalten in Bezug auf das Schicksal der Koma-Patientin Eluana Englaro, die in einer Privatklinik in Udine sterben soll. Die Familie der 38-Jährigen hat die Frau am Dienstag von dem Krankenhaus in der lombardischen Stadt Lecco, in der Eluana jahrelang lag, in die Privatklinik "La Quiete" ("Die Ruhe") in Udine, der Heimatstadt des Vaters der Patientin, überführt. Die Klinik hat sich bereit erklärt, Eluana aufzunehmen, um sie noch in dieser Woche mit der Aussetzung der künstlichen Ernährung in den Tod zu begleiten. Die Überstellung hatte sich schwierig gestaltet, da Euthanasie-Gegner den Krankenwagen in Lecco am Wegfahren hindern wollten (rechtes Bild).

Dabei trommelten die Demonstranten auf die Windschutzscheibe des Fahrzeugs und brüllten: "Wach auf Eluana, sie wollen dich töten!" Erst durch das Einschreiten der Polizei konnte der Transport fortgesetzt werden.

Medizinisches Protokoll vereinbart
Die Privatklinik in Udine hat erklärt, sich strikt an ein medizinisches Protokoll halten zu wollen, das mit der Familie vereinbart wurde. Eluana war 1992 nach einem Autounfall ins Koma gefallen und ist seitdem nicht wieder aufgewacht.

Der Fall erhitzt seit Monaten die Gemüter. Staatspräsident Giorgio Napolitano appellierte an das Parlament in Rom, so rasch wie möglich klare gesetzliche Regelungen für Patientenverfügungen zu verabschieden. Ein solches Gesetz könne nicht mehr hinausgeschoben werden, sagte Napolitano.

Scharfe Kritik der Gesundheits-Staatssekretärin
Italiens Staatssekretärin für Gesundheit, Eugenia Roccella, meinte, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung für Eluana in einer italienischen Klinik mit den Pflichten des nationalen Gesundheitssystems absolut unverträglich sei. "Wir werden uns über die Klinik in Udine informieren, in der sich Eluana befindet, und dafür sorgen, dass die Regeln des italienischen Gesundheitssystems berücksichtigt werden", sagte Roccella.

Für Aufregung sorgte auch der konservative Präsident der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini, der zum Respekt für die Familie Englaro aufrief. "Ich selber habe keine feste Meinung zum heiklen Thema der Sterbehilfe, beneide jedoch diejenigen, die sich sicher sind, wie man in diesem Fall zu handeln hat. Ich selbst habe nur Zweifel. Ich glaube, dass nur Eluanas Eltern die Antwort in diesem Fall geben können. Und ich verspüre die Pflicht, diese Meinung zu respektieren", erklärte Fini.

Opposition fordert Respekt und Zurückhaltung
Oppositionschef Walter Veltroni mahnte die Politik zu Zurückhaltung. "In derart heiklen Fällen, in denen es um Leben und Tod leidender Personen geht, muss die Politik Respekt und Zurückhaltung zeigen. Es gibt im Fall Eluana einen Gerichtsbeschluss, der respektiert werden muss", erklärte Veltroni. Ein Urteil des Kassationsgerichts, der dritten und letzten Instanz im italienischen Justizsystem, hatte dem Vater Eluanas im vergangenen November das Recht zugesprochen, die künstliche Ernährung für seine Tochter einstellen zu lassen.

Der christdemokratische Parlamentarier Maurizio Ronconi rief die Regierung Berlusconi auf, ein Dekret zu verabschieden, um die Umsetzung des rechtlichen Urteils zu stoppen, mit dem die künstliche Ernährung für die Koma-Patientin abgebrochen werden darf. Mit diesem Dekret sollte auf dem gesamten italienischen Territorium die Aussetzung der künstlichen Ernährung verboten werden, meinte Ronconi.

In die Debatte schaltete sich auch Ex-Gesundheitsminister Umberto Veronesi ein. "Im Fall Englaro sind wir beim unvermeidbaren Ende angelangt. Das Kassationsgericht hat festgestellt, dass Eluana eine Fortsetzung der Therapie abgelehnt hätte. Der Wille des Patienten muss immer berücksichtigt werden", sagte der bekannte Onkologe.

Vatikan: "Man muss die Hand des Mörders stoppen"
Der Vatikan protestierte heftig gegen die Überführung Eluanas in die Privatklinik, in der sie sterben soll. Die von den Richtern gebilligte Einstellung der künstlichen Ernährung für Eluana widerspreche dem Tötungsverbot, erklärte der Präsident des Päpstlichen Rats für Krankenpastoral, Kardinal Javier Lozano Barragan. In einer solchen Situation Nahrung und Flüssigkeit zu verweigern hieße, einen Menschen "durch Hunger und Durst zu einem schrecklichen Tod zu verurteilen". "Man muss die Hand des Mörders stoppen", appellierte Barragan. Der Erzbischof von Udine, Pietro Brollo, meinte, zum ersten Mal seit 1948 werde in Italien wieder ein Mensch hingerichtet.

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