Verlies-Drama

Anklageschrift gegen Josef F. ist rechtskräftig

Niederösterreich
01.12.2008 10:17
Die Anklageschrift gegen den Tatverdächtigen im Verlies-Drama von Amstetten ist jetzt rechtskräftig, sein Verteidiger Rudolf Mayer keinen Einspruch eingelegt: Josef F. (im Bild bei einer Tatortbegehung im September) wird sich daher vor Gericht wegen Mordes zu verantworten haben. Darüber hinaus wird der 73-Jährige wegen Sklavenhandels, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schwerer Nötigung und Blutschande angeklagt. Die Anklageschrift enthält erschütternde Details über die 24-jährige Gefangenschaft von Elisabeth F. Wann Josef F. vor Gericht stehen wird, ist noch nicht bekannt. 2009 werde der für mehrere Verhandlungstage anberaumte Prozess stattfinden, hieß es. Aus Justizkreisen ist von März die Rede.

Die Anklageschrift, die vor ca. zwei Wochen veröffentlicht wurde, enthält erschütternde Details: Laut Anklageschrift wurde die damals 18-Jährige im ersten dreiviertel Jahr ihrer Gefangenschaft mit einer Eisenkette bewegungsunfähig gemacht, die Josef F. seiner Tochter um den Bauch schlang und mit einem Vorhängeschloss an einem Eisenpfosten fixierte. Das Mädchen musste in weiterer Folge in dem 18,64 Quadratmeter großen fensterlosen Kellerraum, in den Josef F. sein Opfer geschleppt haben soll, nachdem es heimtückisch mit einem Betäubungsmittel außer Gefecht gesetzt worden sein dürfte, ein unfassbares Martyrium erdulden.

Der Vater versetzte ihr "fortwährend Schläge und Fußtritte", hielt ihr den Mund zu und verlangte ihr teilweise mehrmals täglich sexuelle Dienste ab, die sich mitunter über Stunden erstreckten.

Pornofilme mit der Tochter nachgestellt
Die Frau musste mit ihrem Peiniger unter anderem Pornofilme nachstellen, die er zuvor in dem Keller abgespielt hatte. Das Opfer habe "aufgrund der Aussichtslosigkeit ihrer Situation resigniert" und den anfänglichen Widerstand aufgegeben, heißt es in der Anklage. In dem Gefängnis gab es keine Frischluft, kein Warmwasser, keine Heizung, dafür eine motorbetriebene, mehrfach gesicherte Tür zum Verlies, zudem eine absperrbare Brandschutztüre und einen speziell gesicherten Schleuseneingang.

Sieben Geburten "unter widrigsten Umständen"
Im Detail wird in der Anklageschrift geschildert, wie die Tochter ihre Kinder zur Welt brachte. Als sie ihre Schwangerschaft bemerkte, soll Josef F. ihr erst auf ihr Drängen hin ein Buch über Geburtsvorbereitung überlassen haben. Sie "gebar ohne jegliche medizinische Versorgung, unter widrigsten Umständen, lediglich mit einer Schere, einer Decke zum Einwickeln des Neugeborenen und Windeln ausgestattet", ist dem Schriftstück zu entnehmen.

"So, wie's kommt, so kommt's"
Als die Tochter am 28. April 1996 Zwillinge zur Welt brachte, kam es in dem Verlies zu Komplikationen. Josef F., der zuvor mit den Gefangenen abendgegessen hatte, war bei der Geburt dabei und bemerkte laut Anklage, dass eines der Babys Atemprobleme hatte, sich blau verfärbte und Verhärtungen an den Beinen aufwies. Nach Ansicht der Staatsanwältin war ihm klar, dass Todesgefahr gegeben war. "Anstatt sich um die entsprechende medizinische Versorgung zu kümmern, unterließ der Angeklagte die Setzung lebensrettender Maßnahmen und sagte 'So, wie's kommt, so kommt's!'", beschreibt die Staatsanwältin seine unzureichende Reaktion, die sie Josef F. nun als Mord in Form von vorsätzlich unterlassener Hilfeleistung zum Vorwurf macht.

Leiche eines Säuglings verbrannt
Der Säugling starb am 1. Mai 1996, wobei die Anklägerin davon überzeugt ist, dass eine intensivmedizinische Betreuung in einem Spital das vermutlich durch eine Infektion ausgelöste Atemnotsyndrom beheben und das Kind, das die Mutter "Michael" nannte, überleben hätte können. Josef F. verbrannte laut Anklage die Leiche in einem Heizofen, die Asche soll er der Anklage zufolge in den Garten gebracht haben. Immer wieder erkrankten auch die Tochter und die mit ihr gezeugten beiden Buben und das Mädchen, die in dem Verlies leben mussten, schwer. Zahnschmerzen wurden laut Anklage ebenso mit Hustensaft, Tropfen und Aspirin behandelt wie schwere grippale Infekte.

Mit "Todesfallen" bedroht
Um bei seinen Gefangenen keinen Gedanken an Flucht aufkommen zu lassen, soll Josef F. diese mit dem Tod bedroht haben, indem er ihnen mitteilte, er habe eine Lichtschranke installiert, die mit einer Stromfalle verbunden sei, welche "losschlage", sollten sie aus dem Keller gelangen wollen. Auch eine "Gasfalle, die innerhalb weniger Minuten tötet" und einen "Draht, der unter Hochspannung steht" soll er ins Treffen geführt haben. Außerdem stehe die Außentür unter Strom, schüchterte Josef F. gemäß der Anklage seine Opfer ein.

Sechs schwere Delikte in der Anklageschrift
Insgesamt beinhaltet die 27 Seiten umfassende Anklage gegen Josef F. sechs Straftaten. Zum Vorwurf des Sklavenhandels wird darin erläutert, dass der 73-Jährige seine Tochter durch die Gefangenschaft vom 29. August 1984 bis 26. April 2008 in eine "sklavereiähnliche Lage" gebracht habe. Er habe die Frau "verschleppt und eingesperrt", Josef F. habe die heute 42-Jährige in "vollständige Abhängigkeit" gebracht, ihr "sexuelle Dienste" abverlangt und über sie "wie über sein Eigentum" verfügt.

Josef F. soll seine Tochter "in einer Vielzahl von Tatangriffen regelmäßig zum Beischlaf genötigt haben", heißt es zum Anklagepunkt Vergewaltigung von der Staatsanwaltschaft St. Pölten. Er habe die 42-Jährige und drei der Kinder "durch Einsperren in einem beengten, feuchten Kellerverlies seines Hauses ohne Fenster und somit ohne Tageslicht und direkter Frischluftzufuhr widerrechtlich gefangen gehalten".

"Höhergradige seelisch-geistige Abartigkeit"
Zusätzlich zur Verhängung einer entsprechenden Strafe hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten auch die Unterbringung von Josef F. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt. Nach dem psychiatrischen Sachverständigengutachten sei der Angeklagte für gesamten Tatzeitraum als zurechnungsfähig anzusehen, weise jedoch eine höhergradige seelisch-geistige Abartigkeit auf.

Nach österreichischern Rechtslage findet bei einer Verurteilung wegen mehrerer Delikte eine Zusammenrechnung der Strafen nicht statt. Die Strafe richtet sich nach dem mit der strengsten Strafe bedrohten Delikt - hier Mord. Von der Staatsanwaltschaft wurde betont, dass weitere Auskünfte zur Anklage nicht erteilt werden.

Das Verlies-Drama von Amstetten
Am 27. April 2008 ist in Amstetten bekanntgeworden, dass Josef F. seine Tochter 24 Jahre lang in einem Verlies eingesperrt und sexuell missbraucht haben soll. Während der Gefangenschaft hat der Mann mit der heute 42-jährigen Frau sieben Kinder gezeugt. Eines von ihnen ist nach der Geburt gestorben, das tote Baby soll der 73-Jährige in einem Heizofen verbrannt haben. Josef F. ist weitgehend geständig, er befindet sich seit April in Untersuchungshaft.

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