"Gezähmter Tiger"

Tom Jones im krone.at-Interview

Musik
26.11.2008 19:33
Die letzten vier Jahrzehnte hat er fast ausnahmslos mit den Liedern anderer Künstler Karriere gemacht: Von "Green Green Grass of Home" (Claude Putman), "She's A Lady" (Paul Anka) bis Princes "Kiss" - selbst die größten Hits "It's Not Unusual", "Delilah" oder "Sex Bomb" stammen nicht aus seiner Feder. Mit 68 ist in Sir Tom Jones jetzt plötzlich der Songwriter erwacht. Auf seinem neuen Album "24 Hours" finden sich nur zwei Coverversionen, Jones schrieb die restlichen Songs alleine oder zumindest mit. Das Ergebnis: Ein sehr persönliches Album, auf dem sich der ewige Las-Vegas-Showkönig nicht hinter der Maske des "Tigers" versteckt. "Ich hab' den Tiger für dieses Album gezähmt", lacht Jones im krone.at-Interview.
(Bild: kmm)

Den Mutigen gebührt das Glück, könnte man über den "King of Covers" respektvoll sagen. Kein Künstler der Welt hat je solchen Erfolg mit den Liedern anderer erreicht. Als Jones "Green Green Grass of Home" Anfang der Sechziger herausbrachte, war erst wenige Wochen zuvor kein Geringerer als Jerry Lee Lewis mit seiner Version der traurigen Midtempo-Ballade über einen Hinrichtungskandidaten in den Charts gescheitert. Dass Tom Jones mit "Kiss" 1988, zwei Jahre nach Prince, einen Top-Five-Hit in Großbritannien landete, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Faszination am "Tiger" zu einem Gutteil Persönlichkeit und unverwechselbare Stimme ausmachen.

"24 Hours" klingt beim ersten Hinhören so, wie jedes andere Tom-Jones-Album auch. Zeitgemäßige, flippige Beats, jede Ballade ein Kraftakt sondergleichen. Den Sound von "Feels Like Music" könnte man auch bei Amy Winehouse finden, beim Opener "I'm Alive" - dem ersten von zwei Coversongs - spielt er seinen vollen Stimmumfang von fünf Oktaven aus. Bruce Springsteens "The Hitter" wird zum Groove-Spektakel, "Sugar Daddy" wurde Jones von den U2-Masterminds Bono und The Edge auf den Leib geschrieben. Doch es gibt zwischendurch Ausreißer: Bei "The Road", dem sechsten Track auf "24 Hours", spürt man, dass etwas anders ist. Jones legt viel Gefühl in den Lovesong, denn er schrieb ihn für seine Frau, mit der er seit seinem 17. Lebensjahr verheiratet ist. "Dieses Lied ist mir der wichtigste Song des ganzen Albums", sagt er im krone.at-Interview mit sonorem walisischen Akzent - Jones wuchs in einer Kleinstadt nahe Cardiff auf, erst seit den Siebzigern lebt er in Los Angeles. Treu war der "Tiger" seiner geliebten Ehefrau Linda in allen den Jahren nicht immer, aber die beiden verbindet offenbar etwas, das über solche scheinbaren Vertrauensgrenzen hinausreicht. Misses Jones sei mit ihrem umtriebigen Gatten derzeit so zufrieden, wie schon lange nicht mehr, berichtet Sir Tom: "Meine Frau liebt '24 Hours', sie findet, es ist meine beste Arbeit seit vielen Jahren. Sie meint, es klingt zum ersten Mal wie ich. Und sie hatte bisher bei all meinen Hits und Flops im Vorhinein eine gute Nase."

Ein weiterer Song auf dem Album, wo man das Gefühl nicht los wird, es sei - trotz poppiger Produktion - mehr dahinter, ist "Seasons". "Das sind die Jahreszeiten meines Lebens", singt Jones. Fragt man ihn, in welcher Jahreszeit er gerade lebt, so kommt es wie aus der Pistole geschossen: "Sommer - was sonst? Bei mir ist immer Sommer. Seit meinem ersten Hit im Jahre 1965 ist für mich Sommer." Über die dunkleren Zeiten - die Jahre in Las Vegas hinterließen ihre Spuren - will er nicht sprechen. Das Album sei persönlich genug und zurzeit habe er eine Hochphase - vor allem kreativer Natur.

Jones bestreitet trotzdem weiterhin, ein Songwriter zu sein. Genauso, wie er bestreitet, jemals Coverversionen gemacht zu haben. "Ich habe nie Demos nachgesungen. Ich mache jeden Song, den ich aufnehme, zu einen von meinen. Weil ich ihn singe!", fährt er im Interview dazwischen, als zum ersten Mal das Wort "Cover" fällt. Auch "24 Hours" sollte ursprünglich wieder nach diesem Schema der Jones'schen "Songveredelung" ablaufen. Tom Jones wartet zuhause bis jemand mit guten Ideen kommt, denen er dann den entscheidenden Feinschliff geben kann. Aber: "Die Stücke, die man mir für dieses Album vorgespielt hat, haben mir einfach nicht gefallen. Ich hätte einen Song von den Arctic Monkeys covern sollen und das passt ja nun wirklich nicht zu mir!" Also engagierte er den Mann, der es ihm am besten macht - sich selbst. "Ich wurde sozusagen aus Notwendigkeit zum Songwriter", lacht Jones. "Ich hatte es auf einmal satt, dauernd die Lieder von anderen zu singen. Ich habe mir zwar immer nur welche ausgesucht, die zu mir passen und die ich auch selbst gern geschrieben hätte. Aber irgendwie benötigte ich diesmal mehr, um zufrieden zu sein. Also habe ich beschlossen, selbst zu schreiben."

"Ich habe den Tiger für dieses Album sozusagen gezähmt", lacht er am Ende des Gesprächs. Dann blitzen die Augen auf, Sir Tom schmunzelt: "Aber ich weiß nicht, ob er brav bleibt..."

Von Christoph Andert

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