"Schwer kriminell"

Geiselnehmer droht lange Haft

Österreich
01.11.2008 10:49
Jenem 43-jährigen Bosnier, der am Donnerstag eine Raiffeisenbank-Filiale im vorarlbergischen Feldkirch ausgeraubt hat und anschließend mit einer 37-jährigen Bankangestellten als Geisel fünf Stunden lang quer durchs Land raste, droht eine lange Haftstrafe. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch gab am Freitag bekannt, dass wegen des Verdachts des schweren Raubes, der erpresserischen Entführung und wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt wird. Die Pistole des Geiselnehmers - sie war mit einem Schalldämpfer versehen - deute daraufhin, dass der Mann in "schwer kriminellen" Kreisen verkehre, meinte indes Hardy Tschofen vom Landeskriminalamt Vorarlberg. Auch sieht es danach aus, als wäre der Mann nur für den Coup nach Österreich gekommen.

Der als "sehr gefährlich" eingeschätzte Bankräuber hat am Donnerstag die Polizei gut fünf Stunden lang mit einer spektakulären Fluchtfahrt durch halb Österreich in Atem gehalten. Er hatte am Morgen das Geldinstitut in Feldkirch überfallen und war mit der 37-jährigen Bankangestellten in seiner Gewalt in deren VW Golf geflüchtet. Der 43-Jährige, der in einem Hotel in Feldkirch einquartiert war und von dort aus wohl schon länger die Bank ausspionierte, ließ sich dabei die ganze Zeit von der Frau chauffieren! Am frühen Nachmittag, auf dem Weg Richtung Wien, konnten die Fahnder schließlich auf einem Autobahnparkplatz nahe Enns in Oberösterreich zugreifen und das Drama unblutig beenden.

Bis zu 15 und 20 Jahre Haft pro Delikt drohen
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch ermittelt nun wegen des Verdachts des schweren Raubes, der erpresserischen Entführung und wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, sagte Heinz Rusch von der Staatsanwaltschaft Feldkirch. Sollte es bei einer Schwurgerichtsverhandlung zu einer Verurteilung des 43-jährigen Tatverdächtigen kommen, erwarten den Mann langjährige Haftstrafen: Schwerer Raub ist laut dem Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren bedroht, bei erpresserischer Entführung liegt die Strafandrohung bei zehn bis 20 Jahren Haft.

Der Mann ist noch in der Nacht auf Freitag in die Justizanstalt Feldkirch eingeliefert worden, sagte Rusch. Man habe den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft gestellt. Der zuständige Ermittlungsrichter werde wahrscheinlich noch am Freitag darüber entscheiden. Rusch stellte weitere Ergebnisse der Vernehmungen für kommende Woche in Aussicht.

Weil der Mann nur schlecht Deutsch spricht, finden die Vernehmungen unter Beiziehung eines Dolmetschers statt, hieß es am Freitag bei den Behörden. Der 43-Jährige wird dabei zahlreiche offene Fragen beantworten müssen. Neben dem noch unbekannten Motiv ist etwa unklar, warum der Mann überhaupt eine Geisel genommen hat. Ebenso noch nicht geklärt ist, warum er sich gerade die Feldkircher Bank aussuchte. Der Mann dürfte laut dem derzeitigen Ermittlungsstand eigens für den Überfall nach Vorarlberg angereist sein. Auch das Ziel der Fahrt – bei der Ergreifung war man unterwegs Richtung Wien – interessiert die Ermittler.

Bankangestellte wieder bei ihrer Familie
Die 37-jährige Bankangestellte, die sich fünf Stunden in der Gewalt des Mannes befand und ihn quer durch Österreich fahren musste, ist inzwischen wieder bei ihrer Familie. Sie hat einen schweren Schock erlitten und wird weiter psychologisch betreut.

Spektakuläre Flucht quer durchs Land
Äußerst spektakulär hatte sich am Donnerstag die fünfstündige Fahrt des Bosniers mit seiner Geisel gestaltet. Über 100 Exekutivbeamte in Österreich und Deutschland waren im Einsatz, das Fluchtfahrzeug war von der Polizei laufend verfolgt worden. Und zwar ohne dass der Mann es bemerkt hätte, schilderte der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl, in dessen Zuständigkeitsbereich dann der Zugriff durch Fahnder und Cobra-Polizisten erfolgte. An sämtlichen Ausfahrten und Parkplätzen sei man postiert gewesen, um jederzeit zugreifen zu können.

Die Fluchtroute führte über Deutschland, wo das Fahrzeug bereits von der deutschen Polizei beobachtet wurde. In Salzburg übernahm wieder die österreichische Exekutive von ihren deutschen Kollegen. In Oberösterreich sei das Fahrzeug dann bis zum Zugriff nahe Enns begleitet worden, so Lißl. Kurz vor Enns gelang es der Frau, ihren Peiniger zu überzeugen, sie auf die Toilette gehen zu lassen. Sie stieg aus, der Geiselnehmer wartete währenddessen in ihrer Nähe. Diesen Moment nutzte die Polizei für den Zugriff.

Mehrere Beamte stürzten sich auf den Mann und rissen ihn zu Boden. Er habe die Hand am Körper gehabt, offenbar um zur Waffe greifen zu können, berichtete Major Andreas Feilmayr von der Cobra. Der Mann war mit einer Pistole der Marke Mauser inklusive Schalldämfper bewaffnet. Die mickrige Beute - verstaut in einem Plastiksack - konnte sichergestellt werden.

Zweite Bankangestellte war nicht im Kassenraum
Der Alarm in der Feldkircher Raiffeisen-Filiale, der die Polizei auf den Plan rief, wurde von der zweiten Bankangestellten ausgelöst. Sie befand sich nicht im selben Raum, bemerkte den Überfall aber aus dem Hinterzimmer. Es sei besser gewesen, dass die Frau nicht in Erscheinung getreten sei, betonte Hardy Tschofen vom Landeskriminalamt Vorarlberg. "Sonst hätten wir womöglich zwei Geiseln gehabt", so der Ermittler. Bei dem Fall handelte es sich um eine "absolut traurige Premiere" in Vorarlberg, so Tschofen.

Raiffeisen froh über Ausgang
"Sie können sich nicht vorstellen, wie schlimm das ist. Und dann dieses stundenlange Warten. Wir sind sehr froh!" So fasste am Donnerstagnachmittag Richard Erne, Vorstandsdirektor der Raiffeisenbank Feldkirch, die Stimmung in der Bank nach dem glimpflichen Ausgang der Geiselnahme zusammen. Für ihn sei vor allem überraschend, was ein Täter bereit sei zu tun, noch dazu für eine verhältnismäßig geringe Beute von nur 3.055 Euro, so Erne.

Diese Summe habe sich aus der Kassaaufnahme ergeben, die nach dem Überfall durchgeführt wurde. Den betroffenen Mitarbeitern werde psychologische Betreuung angeboten. Bei der 37-Jährigen, die als Geisel genommen wurde, handle es sich um eine langjährige Mitarbeiterin. Die zweite Bankangestellte stehe unter Schock, sie habe der Polizei aber Auskunft geben können, so Erne. Die dritte Mitarbeiterin sei zum Zeitpunkt des Überfalls gerade zur Arbeit gekommen, habe aber nur mehr den Wagen wegfahren sehen.

Die Raiffeisen-Mitarbeiter nehmen laut Erne regelmäßig an Überfallschulungen des Landespolizeikommandos teil. Dabei werde man etwas vorbereitet auf solche Situationen. Es habe bereits vor einigen Jahren einen Überfall auf die Filiale gegeben, "aber noch nie etwas in diesem Ausmaß", so der Vorstand. Die Angelegenheit sei "sehr schockierend". Die Bankfiliale bleibe am Donnerstag geschlossen, am Freitag werde der Betrieb wieder aufgenommen.

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