Schräges Schauspiel

“Jerk” – brutaler Serienmord als Kopfkino

Steiermark
19.10.2008 17:10
Als Puppentheater und Anti-Thriller präsentiert "Jerk" den Fall des Killers David Brooks (im Bild Protagonist Jonathan Capdevielle). Der von Jonathan Capdevielle virtuos gespielte Theatermonolog setzt sich im intimen Rahmen des Festivalzentrums mit einem absurd brutalen Serienmord auseinander. Reduktionistisch und zumindest ein wenig verstörend.

Das Werk des amerikanischen Schriftstellers und Journalisten Dennis Cooper kreist monoman um extreme Gewalt und Sex. In "Jerk" dokumentiert der umstrittene Autor die Verbrechen des Serienkillers "Candyman" Dean Corll, der zwischen 1970 und 1973 in Texas mindestens 27 Teenager bestialisch zu Tode folterte.

In der Massenkultur hat die Darstellung von blankem Sadismus ein eigenes Genre ausgeformt. Reißerische Serienkiller-Romane überbieten sich gegenseitig mit dem Grad präsentierter Grausamkeit, und im Film spekulieren Hollywood-Produktionen wie "Saw" und "Hostel" mit der Folter als Schauwert.

Radikal neues Konzept
Die von Regisseurin Gisle Vienne konzipierte Umsetzung von Coopers "Jerk" schlägt einen radikal entgegengesetzten Weg ein. Corlls Untaten werden hier von seinem Komplizen David Brooks erzählt, mit Handpuppen, welche die Grausamkeit der Handlung abstrahieren. Vienne setzt weitere Brüche, lässt einige Passagen des Textes zum Stilllesen ans Publikum verteilen. Endgültig angeworfen wird das Kopfkino, wenn Brooks am Ende in Bauchredner-Manier beim Erzählen nicht einmal mehr den Mund bewegt.

Jonathan Capdevielle stellt diesen Wort-Thriller, dieses unheimliche Puppen-Märchen virtuos dar. Ein verunsicherter, tief verletzter Mann im extrem dünnen Nervenkostüm, der die Innensicht des Grauens präsentiert, wobei sich die Aufarbeitung des Kriminalfalls nicht an Konventionen des Thrillers oder Sozialdramas orientiert. "Jerk" dockt eher an die extremen literarischen Entgrenzungs- und Orgienszenarien eines Georges Bataille an. Das freilich macht den Abend nicht weniger verstörend.

von Martin Gasser, "Steirerkrone"
Bild (c) Alain Monot/"steirischer herbst"

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Steiermark



Kostenlose Spiele