Sein letzter Weg

30.000 bei Trauerfeier für Jörg Haider in Kärnten

Österreich
19.10.2008 16:04
Rund 30.000 Menschen wohnten am Samstag den Trauerfeierlichkeiten für den vor einer Woche bei einem Autounfall getöteten Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bei. Das „Staatsbegräbnis auf Landesebene“ begann im privaten Rahmen im Landhaus und endet mit der Beisetzung der Urne in einer kleinen Kapelle im Bärental wieder im Kreis der Familie. Dazwischen wurden am Neuen Platz in Klagenfurt von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Weggefährten Haiders Trauerreden gehalten, ein feierliches Requiem fand im Dom statt. Als Haiders Sarg um 15 Uhr am Nachmittag vom Domplatz fuhr, applaudierten Hunderte Menschen einem der bekanntesten und umstrittensten Politiker Österreichs ein letztes Mal.

Mit Chorgesang und einem Auftritt der Musikkapellen am Neuen Platz hatten die Trauerfeierlichkeiten am späten Vormittag begonnen. Die Familienangehörigen, engste Freunde und die Ehrengäste versammelten sich vor dem offiziellen Auftakt des Staatsbegräbnisses im Wappensaal des Landhauses, wo der Sarg Haiders aufgebahrt war. Witwe Claudia mit ihren Töchtern Ulrike und Cornelia und deren Ehemännern, die 90-jährige Mutter Dorothea sowie Haiders Schwester Ursula Haubner nahmen auf ihrem Weg in den Wappensaal zahlreiche Kondolenzbekundungen entgegen.

Es kondolierten unter anderem Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und dessen Vize Wilhelm Molterer, die gesamte BZÖ-Spitze und auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Nach der privaten Zeremonie im Saal kam die Witwe Hand in Hand mit ihren Töchtern wieder über die Stiege herunter, dahinter die Schwiegersöhne Paolo Quercia und Benjamin Mathis sowie Haiders Schwester mit ihrer Mutter. Das erste Gebet im Landhaushof sprach dann Militärpfarrer Emmanuel Longin. Die Bestatter trugen den über und über mit Rosen geschmückten Sarg über die Treppe in den Landhaushof, begleitet von einem Trommelwirbel. Der Sarg wurde auf die bereitgestellte Lafette gelegt, die von einem Pinzgauer des Bundesheeres gezogen wurde. Am Neuen Platz wurden dann gemäß des „Staatsbegräbnisses auf Landesebene“ die Trauerreden gehalten. Zuschauer vor Ort konnten alles auf großen Videoleinwänden mitverfolgen, der ORF übertrug live. 

30.000 Menschen erwiesen Haider die letzte Ehre
Insgesamt dürften 30.000 Menschen an den Trauerfeierlichkeiten teilgenommen haben, unter ihnen auch hochrangige Staatspersonen. Etwa der Dalai Lama schickt einen Vertreter; der Ministerpräsident der Uralrepublik Swerdlovsk, Viktor Kokscharow, reist ebenso nach Klagenfurt wie die italienischen Regionspräsidenten Renzo Tondo und Giancarlo Galan. Teilgenommen hat auch Saif Gaddafi, Sohn des libyschen Revolutionsführers und persönlicher Freund Haiders. Auch viele Weggefährten und Freunde erweisen ihm die letzte Ehre: darunter etwa Riccardo Illy, Karl-Heinz Grasser, Susanne Riess-Passer, Franz Klammer, Rainer Calmund, Waffenproduzent Gaston Glock und Hypo-Boss Tilo Berlin. Um für deren Sicherheit zu sorgen, waren rund 1.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, auch die Anti-Terror-Einheit Cobra hatte man beigezogen.

Verabschiedung am Neuen Platz
Am reichlich mit Blumen geschmückten Neuen Platz sprachen dann insgesamt sechs Redner. Nach Kärntner Liedern und einem Gebet machte Haiders langjähriger Bergkamerad Teddy Inthal den Anfang. Anschließend hat der designierte Kärntner BZÖ-Obmann Landesrat Uwe Scheuch gesprochen. Nach ihm war Klagenfurts Bürgermeister Harald Scheucher (ÖVP) an der Reihe, Scheucher war mit Haider gut befreundet und half ihm 1989 als damaliger ÖVP-Chef in den Landeshauptmannsessel. Der amtsführende Landeshauptmann Gerhard Dörfler hielt ebenfalls eine Ansprache. Danach trat Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber in seiner Funktion als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ans Rednerpult, den Abschluss machte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Es wurden die Bundeshymne und das Kärntner Heimatlied gesungen, bevor der Sarg um ca. 13 Uhr auf einer Lafette zum Dom gebracht wurde, gefolgt vom Trauerzug.

Gusenbauer: „Respekt und Anerkennung“
Die Würdigung des Menschen Jörg Haider stand im Mittelpunkt der Trauerreden. Dass die Persönlichkeit des vor einer Woche bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Landeshauptmannes die Menschen bewegt habe, wurde von allen Rednern hervorgehoben. Vor allem Bundeskanzler Alfred Gusenbauer strich auch die Vielschichtigkeit der Persönlichkeit Haiders hervor und zollte ihm „Respekt und Anerkennung“. Gusenbauer appellierte, jetzt zu versöhnen, was im Leben nicht versöhnlich gewesen sei. Über alle politischen Grenzen hinweg müsse man Haider Respekt und Anerkennung zollen. Er sei immer vom Willen getragen gewesen, das Beste für seine Heimat zu tun. Haider habe vieles gewollt, nicht alles, aber sehr viel erreicht.

Die große Anteilnahme zeige, dass Haider die Menschen bewegt habe. Man müsse anerkennen, dass er ein Mensch gewesen sei, „der außergewöhnlich war“. Er sei imstande gewesen, viele Menschen zu begeistern, aber auch Widerspruch auszulösen, sagte der scheidende Bundeskanzler. Haider habe niemanden kalt gelassen, im positiven wie im negativen Sinne. Haider habe auch ein „sehr feines Gespür für das, was sich ändern muss“, gehabt, sagte Gusenbauer. Diese Sensibilität habe ihn von anderen herausgehoben, auch wenn seine Antworten nicht immer von allen anerkannt worden seien. Oft sei aber der Fehler gemacht worden, dass schon seine Kritik an Verhältnissen kritisiert worden sei. Das sei aber ein Fehler, weil Kritik sei das Salz der Demokratie, gab sich Gusenbauer versöhnlich.

Der Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber meinte, Jörg Haider sei für Veränderung und Tradition, für Bewegung und Polarisierung, aber auch für Lösungen gestanden. Gleichzeitig verwies der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz auch darauf, dass Haider zuletzt die „Kraft zum gemeinsamen Handeln“ in den Vordergrund gestellt habe. Die Landeshauptleute seien gekommen, um Kärnten die Verbundenheit und die Wertschätzung für den verstorbenen Kollegen auszudrücken.

Die Leistungen Haiders vor allem für Kärnten würdigte der amtsführende Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Haider habe hinterlassen, dass alle Menschen gleich seien, es kein Oben und kein Unten gebe. Er habe das Land offener, jugendlicher, moderner und damit „sommerlicher“ gemacht. Und er habe das Land sozialer gemacht. Haider sei davon beseelt gewesen, dass es allen Menschen besser gehe. Darüber hinaus habe er Kärnten Selbstbewusstsein gegeben. „Du wirst immer da sein, deine Spuren sind ewig“, verabschiedete sich Dörfler. Dörflers Ansprache hatte bei einigen Zuhörern zwischenzeitlich für Unmut gesorgt. Dörfler hatte nämlich zahlreiche politische Projekte erwähnt, die während Haiders Regierungszeit in Angriff genommen oder vollendet worden waren. Vor allem die Tatsache, dass sich der Verkehrslandesrat in erster Linie auf Infrastrukturprojekte konzentrierte, wurde kritisiert. „Da will er ja nur seine eigenen Erfolge verkaufen“, ärgerte sich eine junge Frau. Ein älterer Mann meinte: „Politik hat bei einem Begräbnis nichts verloren, das gehört sich einfach nicht.“

„Jörg, wir passen auf dein Kärnten auf“, versprach nach Dörfler der designierte Kärntner BZÖ-Obmann Landesrat Uwe Scheuch. Er appellierte an alle Menschen, das Erbe Haiders weiter zu tragen und Kärnten nach seinen Zielen weiter zu gestalten. „Wir sind es unserem Jörg schuldig, in seinem Sinne weiter zu machen.“ In sehr persönlichen Worten schilderte Scheuch die Reaktion seines elfjährigen Sohnes auf die Todesnachricht Haiders: „Papa, das kann nicht sein, unser Landeshauptmann kann nicht sterben“, habe der Bub geantwortet und er glaube, sein Sohn habe das richtig gesagt, meinte Scheuch.

Der Klagenfurter Bürgermeister Harald Scheucher nannte Haider einen „ganz Großen“, der als Politiker und als Freund neue Maßstäbe gesetzt habe. Er zog einen Vergleich mit einem Kartenspiel und sagte: „Der Herzkönig und das Trumpfass sind nicht mehr im Spiel.“ „Du bleibst unvergessen“, verabschiedete sich der ÖVP-Politiker von seinem persönlichen Freund.

Kapellari: Ein „brennender Mensch“
Ruhig und ohne Zwischenfälle ist nach den Trauerreden der Trauerkondukt mit dem Sarg des verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes vom Neuen Platz zum Klagenfurter Dom verlaufen. Bei der Totenmesse im Dom waren nur die Familie und rund 600 geladene Gäste zugelassen. Die Kirche selbst war - in deutlichem Gegensatz zum Blumenmeer draußen - sehr schlicht geschmückt. Lediglich zwei Gestecke in den Kärntner Landesfarben gelb-rot-weiß rahmten den Altar ein. Bischof Egon Kapellari nannte Haider einen „brennenden Menschen“.

Diözesanbischof Alois Schwarz zelebrierte die Totenmesse für den gläubigen Katholiken Haider. Vom Domchor Klagenfurt, dem Kammerchor Klagenfurt-Wörthers noch rechtzeitig vor dem Trauergottesdienst fertiggestellt wurde.

Der Dom war nur für geladene Gäste und einige wenige Journalisten und Fotografen zugänglich, für die übrigen Besucher der Trauerfeier waren vor der Kirche sowie am Alten Platz Videowalls aufgestellt worden, auf denen auch schon die Feier am Neuen Platz zu sehen gewesen war. Der jetzige steirische und langjährige Kärntner Diözesanbischof Egon Kapellari begann seine Würdigung Haiders mit einem Augustinus-Zitat: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott.“ Man nehme in christlicher Weise in dieser Stunde Abschied, sagte Kapellari, der auf ausdrücklichen Wunsch der Familie zur Messe gekommen war. Über Haider sagte er: „Er war ein Brennender, ein über sein Lebensalter hinaus mit jugendlicher Dynamik ausgestatteter Mensch.“ Haider habe andere verletzt und sei selbst verletzt worden.

Kapellari würdigte Haiders Handschlagqualität, die er als Bischof in vielen Jahren erleben habe können. „Nun hat das unruhige, dynamische Herz des Jörg Haider zu schlagen aufgehört.“ Die Fürbitte für den Verstorbenen las seine Tochter Ulrike, die ruhig und gefasst sagte: „Lieber Vater, wir sind noch alle ganz erschrocken über deinen Tod.“ Das Mozart-Requiem, dessen Musik Kapellari „herzbewegend“ genannt hatte, ging den Trauergästen sichtlich unter die Haut, viele hatten Tränen in den Augen.

Berührende Worte von Claudia Haider
Zum Abschluss des Requiems im Klagenfurter Dom hat Haiders Witwe Claudia das Wort ergriffen. Sie sprach eine Danksagung und bat abschließend um ein gemeinsames Vaterunser „für meinen geliebten Mann Jörg“. Claudia Haider erklärte „im Namen der Familie“, sie könne allen versichern: „Es gibt viel Trost auf dem langen steinigen Weg der Trauer.“ Sie bedankte sich bei der Geistlichkeit, die der Familie „in vielen Gesprächen, Begegnungen und Gesten Trost zu spenden versuchte, und es gelang auch.“ Besonders hob sie Bischof Egon Kapellari vor, der ihr in dieser ihrer dunkelsten Stunde ein Licht angezündet habe.

Haider nannte auch ihre Schwiegersöhne Benedikt und Paolo, und „ganz besonders meiner kleinen Nichte Viktoria, sie erschien mir in dieser Stunde wie ein Geschenk Gottes“. Man müsse nie verzweifeln, wenn etwas verloren gehe, sei es „ein großes Glück, eine helle Freude, ein geliebter Mensch“. Denn es komme alles noch viel herrlicher zurück: „Was abfallen muss, fällt ab, was bei uns bleiben muss, bleibt.“ Alles gehe nach viel größeren Gesetzen vor sich, man müsse in sich selbst leben und an das ganze Leben denken, „an all seine Millionen Möglichkeiten“, sagte Claudia Haider.

Letzter Applaus für Haider  - Beisetzung im Bärental
Nach dem Auszug aus dem Dom - Sargträger waren Bergführer aus Heiligenblut - wurde der Sarg in den Konduktwagen verladen, ein Schlussgebet gesprochen, zur Abfahrt des Autos wurde der Zapfenstreich intoniert. Als der Wagen abfuhr, applaudierten die Hunderten Anwesenden. Damit endete die offizielle Verabschiedungsfeier. Haiders Leichnam wurde anschließend nach Villach gebracht, wo die Einäscherung vorgenommen wurde. Wann die Urne in der Kapelle Alt St. Michael im Bärental im engsten Kreis der Familie beigesetzt wird, darüber herrschte Stillschweigen.

Da es in den vergangenen Tagen wiederholt zu pietätlosen Postings gekommen ist, bleibt das krone.at-Forum aus Rücksicht auf die Familie Jörg Haiders geschlossen. Wir ersuchen die krone.at-Leser um Verständnis.

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