"Er war ein Mensch"

Erste Guevara-Büste Europas in Wien enthüllt

Österreich
10.10.2008 07:58
Real existierender Sozialismus im Wiener Donaupark: Bei trübem Wetter hatten sich am Donnerstag zahlreiche Anhänger Che Guevaras versammelt, darunter Wiens Bürgermeister Michael Häupl, SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger und Stefan Weber von Drahdiwaberl. Es galt, die erste Büste des kubanischen Revolutionärs in einer europäischen Stadt zu enthüllen. Mit grabesschwerer Stimme erinnerte SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha an den 41-jährigen Jahrestag der Ermordung des Revolutionärs: "In seinem Denkmal hier lebt Che weiter."

Leider sei dieser oft verkannt und falsch interpretiert worden, obwohl er seinen Idealen stets treu geblieben sei, so Blecha. "Wir wollen einem der außergewöhnlichsten Menschen der vergangenen 100 Jahre auch in Wien ein Denkmal setzen", erinnerte Blecha an den Revolutionär, den er 1965 in Algier leibhaftig erleben durfte. Che Guevara habe auf seiner Mütze nur einen Stern getragen, den Armen jedoch die Sterne vom Himmel geholt. Zugleich pries Blecha Michael Häupl, der Seite an Seite mit den Denkmal-Initiatoren marschiert sei.

Häupl: "Er war ein Mensch"
Der Bürgermeister zeigte sich vornehmlich von der 70 Zentimeter hohen Che-Bronzebüste der Künstlerin Gerda Fassel begeistert, "die unser Wissen und unsere Gefühle optimal umgesetzt hat". Die Behauptung, Che sei ein Mörder gewesen, sei heute genauso falsch wie vor 41 Jahren: "Er war ein Mensch." So sei auch das Bekenntnis zum Denkmal keine Relativierung von Werten, denn Sozialismus sei ohne Freiheit nicht denkbar, und man müsse Solidarität mit den Unterdrückten der Welt üben. "Ich hoffe, Sie tragen ein kleines Stückchen Che Guevara in Ihrem Herzen mit nach Hause", grüßte Häupl die Anwesenden, darunter vornehmlich Altersgenossen Che Guevaras und die diplomatischen Vertreter Kubas, der Dominikanischen Republik, Ecuadors und Argentiniens. Zum Abschluss der Feier stimmte die Formation "Cuba Si" das berühmte "Comandante Che Guevara" an, wenn auch eher in gemächlichem Tonfall.

"StraCHE"-Anhänger und ÖVP protestieren
Proteste gegen die Büste kamen dagegen von FPÖ und ÖVP. 25 Freiheitliche demonstrierten still am Rande der Veranstaltung. Es verwundere schließlich, wenn Häupl einen Gewalttäter ehre, der unzählige Menschenleben auf dem Gewissen habe und die Welt in einen Atomkrieg stürzen wollte, so FPÖ-Gemeinderat Toni Mahdalik, der ein Schild mit den Namen von 135 Toten in den Händen trug, für die Che Guevara direkt verantwortlich gewesen sei. Es sei kein Widerspruch für ihn, dass die FPÖ im Wahlkampf mit "HC StraCHE" geworben habe, zumal man in dem Rap-Song (siehe Infobox) immer betont habe: "Adios Che - Viva Stra-Che". Für die SPÖ sei aber offensichtlich ein linker Massenmörder ein guter Massenmörder. Er fordere deshalb eine erklärende Tafel neben der Büste und werde eine solche am Freitag selbst provisorisch anbringen.

Auch ÖVP-Landesgeschäftsführer Norbert Walter äußerte in einer Aussendung seinen Unmut über Häupl: "Meinetwegen kann Häupl gerne in Che-Guevara-Bettwäsche schlafen." Es sei jedoch geschmacklos, für eine derartige Büste öffentliche Gelder auszugeben: "Der merkwürdige Kult um Che Guevara und die Stilisierung zum Popstar und zur Projektionsfläche stalinistischer Träumereien hat auch vor dem Bürgermeister nicht haltgemacht."

Jelinek und Schmidt-Dengler sammelten Geld für Büste
Die Initiative für das Wiener Che-Projekt kam von der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft, wobei von einem Prominentenkomitee unter Beteiligung Elfriede Jelineks und des jüngst verstorbenen Germanisten Wendelin Schmidt-Dengler 28.000 Euro gesammelt wurden. Neben Che Guevara finden sich im Donaupark bereits Denkmäler für den Freiheitskämpfer Simon Bolivar und den ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador Allende.

Revolutionär, Politiker, Held - und Mörder?
Der vor 41 Jahren in Bolivien erschossene Ernesto "Che" Guevara (1928-1967) kam aus einer bürgerlichen argentinischen Familie. Als Student wurde er auf eine wirtschaftliche Ungleichheit von Landbevölkerung und Großgrundbesitzer in Südamerika aufmerksam und widmete sein Leben fortan einer Revolution gegen soziale Ungerechtigkeit. Nach der kubanischen Revolution, die er gemeinsam mit Fidel Castro anführte, versuchte er auch in Kongo-Kinshasa und Bolivien zu wirken. Ohne Erfolg, 1967 wurde er erschossen. Als umstritten gilt Che Guevara aufgrund von Vorwürfen, die sich u.a. auf Exekutionen von Regimegegnern beziehen.

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