Klage gegen Island

Großbritannien will Geld von Sparern zurückholen

Ausland
08.10.2008 16:13
Mit einem beispiellosen Notfallplan kämpft die britische Regierung gegen die Finanzkrise. Das britische Finanzministerium stellt dem angeschlagenen Bankensystem des Landes mindestens 200 Milliarden Pfund (257 Milliarden Euro) zur Verfügung und kündigte am Mittwoch die Teilverstaatlichung von acht der größten Geldhäuser an, um die Stabilität auf dem Finanzmarkt wiederherzustellen. Premierminister Gordon Brown sprach von "radikalen" Eingriffen ins Bankensystem. Zudem kündigten er und Finanzminister Alistair Darling (im Bild) einen Rechtsstreit mit Island an, um die Einlagen von 300.000 britischen Sparern bei der verstaatlichten Landsbanki zurückzuholen.

Zur Wiederherstellung von Stabilität auf dem Finanzmarkt will die britische Regierungen Banken teilverstaatlichen. Bei den acht Geldinstituten handelt es sich um Abbey, Barclays, HBOS, HSBC, Lloyds TSB, Nationwide Building Society, Royal Bank of Scotland (RBS) und Standard Chartered. Der sogenannte Rekapitalisierungsplan umfasst bis zu 50 Milliarden Pfund, rund 64 Milliarden Euro, die in Vorzugsaktien investiert werden sollen.

Die Bank von England werde außerdem weitere kurzfristige Kredite anbieten. Mindestens 200 Milliarden Pfund sollten für bis zu drei Monate bereitgestellt werden. Finanzminister Alistair Darling betonte aber, es gehe "absolut nicht" darum, die Kontrolle über die Banken zu übernehmen. "Wir reden nicht darüber, die Banken in Zukunft selbst zu betreiben", erklärte er.

Rechtliche Schritte gegen Island geplant
Mit rechtlichen Schritten will die britische Regierung für die Einlagen britischer Sparer bei der verstaatlichten isländischen Landsbanki kämpfen. Berichten zufolge haben 300.000 Briten Millionen bei deren Internet-Filiale Icesave angelegt, wo keine Abhebungen mehr möglich sind. Im britischen Fernsehen sagten Darling am Mittwoch: "Glauben Sie es oder nicht: Die isländische Regierung hat mir gestern gesagt, dass sie nicht beabsichtigt, ihren Verpflichtungen in Großbritannien nachzukommen."

Beratungen auf höchster Ebene
Darling und Premierminister Gordon Brown hatten zuvor mit den Chefs der Zentralbank und der Finanzaufsicht über Auswege aus der Krise beraten. In den vergangenen Tagen büßten einige der großen britischen Banken nahezu die Hälfte ihres Börsenwertes ein. Einige Investoren befürchten gar deren Zusammenbruch, wenn ihnen nicht mit einem Multi-Milliarden-Pfund-Programm unter die Arme gegriffen wird.

Mit den Maßnahmen will die Regierung sicherstellen, dass die Banken des Landes mit ausreichend Eigenkapital im klassischen Sinn (sogenanntes Tier-1-Kapital) ausgestattet bleiben. Mit dem Geld der britischen Steuerzahler soll ein Zusammenbruch des britischen Bankensystems verhindert werden.

Gemischte Gefühle bei Börsianern
Händler und Analysten zeigten sich angesichts des Rettungspakets hin- und hergerissen. "Es ist ein nützlicher Schritt, aber dass es keine Details über die genaue Höhe der jeweiligen Kapitalspritzen gibt, ist eine Enttäuschung", sagte ein Analyst. Auch das angestrebte Ziel für die Kernkapitalquote fehle und dies sei einer der Kernaspekte. Ein weiterer Börsianer rechnet damit, dass diese Maßnahme dem Markt helfen sollte. Es gebe durchaus Punkte des Pakets, die eine positive Überraschung darstellten. "Wir haben ein bisschen mehr bekommen, als wir erwartet haben", sagte der Marktteilnehmer.

"Damit macht die britische Regierung ganz klar einen größeren Schritt, als ihn andere Regierungen gewagt haben. Die Maßnahme unterscheidet sich beispielsweise deutlich von den Plänen des US-Pakets, da die britische Regierung die Möglichkeit hat, Anteile der betroffenen Banken zu erwerben", so ein weiterer Experte.

Paris begrüßt Londons Schritt
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde begrüßte den Rekapitalisierungsplan Londons. Dieser werde der Stabilität der britischen Finanzinstitutionen dienen, erklärte die Ministerin. Sie betonte, die Maßnahmen stünden in Einklang mit der Doktrin des Pariser Krisengipfels vom Samstag. Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien waren dabei übereingekommen, ein Scheitern von Banken mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln abzuwenden.

EU für Erhalt des Geldkreislaufs
EU-Industriekommissar Günter Verheugen erklärte, die europäischen Regierungen sollten in der Finanzkrise notfalls Banken verstaatlichen. "Ich würde auch vor sehr unkonventionellen Schritten nicht zurückschrecken, selbst wenn am Ende eine kurzfristige Verstaatlichung von Instituten die einzige Möglichkeit ist, den Kollaps zu verhindern", sagte Verheugen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". In der jetzigen Krise gehe es nicht um ordnungspolitische Diskussionen, sondern um den Erhalt des Geldkreislaufs.

Auch Italien plant Rettungspaket
Indes plant auch Italien ein milliardenschweres Rettungspaket für die Banken des Landes. Die Regierung in Rom arbeite an einem Programm, das wahrscheinlich ähnlich aussehe wie das von Großbritannien angekündigte Paket, hieß es am Mittwoch aus Kreisen. Angesichts der anhaltenden Finanzkrise wird der Ministerrat in Rom am Mittwochabend eine Reihe von Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensystems und zum Sparerschutz ergreifen, teilte das Büro von Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit.

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