"Aus Mitleid"

Salzburger Mediziner wegen Mordes angeklagt

Österreich
07.10.2008 18:16
Ein außergewöhnlicher Prozess wird seit Dienstag am Salzburger Landesgericht verhandelt: Der frühere Lungenfacharzt Helmut Wihan ist wegen Mordes angeklagt, er soll im Juni 2006 einer depressiven, lebensmüden 70-jährigen Frau auf deren Wunsch drei tödliche Injektionen verabreicht haben. Der Angeklagte wies den Mordvorwurf zurück rechtfertigte seine Tat bisher mit "Sterbehilfe aus Mitleid". Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass die Frau wegen ihrer psychischen Krankheit nicht in der Lage war, einen ernsthaften und freien Sterbewillen zu bilden. Der Prozess wird am 16. Oktober und 16. Dezember fortgesetzt.

Zugetragen hat sich der Vorfall in einem Haus in Obertrum im Flachgau. Laut Anklage hat der heute 67-jährige Wihan seiner langjährigen guten Bekannten drei Injektionen Tramadol und Methadon in die Beine gesetzt. Nach einem psychiatrischen Gutachten hätte dem Mediziner aber klar sein müssen, dass die an Depressionen, Hypomanie, Epilepsie und Demenz leidende Frau, die auch dem Alkohol zugetan und Kettenraucherin war, keinen freien Tötungswillen mehr bilden habe können. Die Staatsanwaltschaft sieht deshalb nicht den Tatbestand "Tötung auf Verlangen" verwirklicht, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht ist, sondern "Mord" (zehn bis 20 Jahre oder lebenslänglich).

Angeklagter bekennt sich "nicht schuldig"
"Nein, ich bin nicht schuldig", sagte Wihan zu Beginn des Prozesses. In den vergangenen fünf Jahren ihres Lebens habe die Frau immer wieder einen Sterbewillen geäußert, da habe er ihr noch zugeredet, "du bist reich, genieße das Leben". Doch im letzten Jahr sei es mit der Frau rapide bergab gegangen. Sie hatte eine Herzoperation, "schwerste Durchblutungsstörungen, Verkalkungen und Aufweichungen im Gehirn". Ein Selbstmordversuch der Frau durch einen Medikamenten-Cocktail rund vier Monate vor ihrer Tötung am 13. Juni 2006 sei gescheitert.

"Zum Schluss war sie ganz eingefallen und weiß im Gesicht, wie ein Geist. Sie sagte zu mir: 'Jetzt musst du mir helfen. Jetzt ist der letzte Moment, wo ich noch alle Sinne beieinander habe, um das zu entscheiden'. Wenn sie mir nicht so leidgetan hätte, wenn es ihr nicht so schlecht gegangen wäre, hätte ich ihr auch nicht geholfen", betonte der Mediziner, der die Frau bereits 50 Jahre gekannt hatte.

Vor den Injektionen noch Sekt getrunken
Die Frau habe sich zwei Spritzen Morphium selbst gespritzt, danach habe er ihr eine dritte Injektion gesetzt. Verlangt habe er dafür nichts, so der Beschuldigte, die Frau habe ihm aber ein Kuvert mit 27.000 Euro übergeben. Bevor die Injektionen verabreicht wurden, sollen die beiden noch zusammen Sekt getrunken haben. Am nächsten Morgen betrat die Haushälterin das unverschlossene Haus und entdeckte die Tote. Der Arzt war von den Behörden via Handy-Datenauswertung ausgeforscht worden. Die 27.000 Euro übergab er den Ermittlungsbeamten.

"Ich steh' dazu, auch wenn Sie mich einsperren, es ist egal, ob ich hier oder dort schlafe, so toll ist die Freiheit daheim auch nicht. Sie können mich nach Sibirien schicken", beschimpfte er einen Gutachter und bezeichnete ihn als "Affen", als "Seelenlosen". Von Tramadol- oder Methadon-Injektionen, wie es in der Anklage steht, wisse er gar nichts. Ebenfalls nicht bekannt sind ihm Einstiche in die Füße.

Gutachter widersprechen Angeklagtem zum Teil
Die Gutachter untermauerten Wihans Aussagen nicht in allen Punkten. So konnte Gerichtsmedizinerin Edith Tutsch-Bauer an der Leiche der Frau keine Einstichstellen an den Armen finden, wie dies der Arzt behauptet hatte. Und die von ihr vorgefunden Einstichstellen an den Füßen seien für einen Laien sehr ungewöhnlich, weil es schwierig sei, dort die Venen so punktgenau zu treffen, wie es der Fall war. Außerdem sei die 70-Jährige nicht todkrank gewesen. Der Toxikologe wiederholte seine Aussage, wonach die Frau an einer Mischintoxikation von Tramadol und Methadon gestorben sei und nicht an Morphium. Dieses habe man im Körper gar nicht gefunden.

Da der Angeklagte eine psychiatrische Untersuchung im Ermittlungsverfahren verweigert hatte, gab der renommierte Gerichtspsychiater Reinhard Haller aufgrund von Videoaufzeichnungen und seinen Beobachtungen in der Verhandlung eine Stellungnahme ab. Eine Geisteskrankheit könne er mit hinreichender Sicherheit ausschließen, so Haller, Wihan weise aber eine auffallende Persönlichkeit auf: "Er ist emotional instabil und neigt zu Übertreibungen." Die Persönlichkeitsstörung sei aber nicht so schwer, dass sie die Zurechnungsfähigkeit aufhebe.

Der Prozess wurde gegen 16.15 Uhr auf Wunsch des Beschuldigten vertagt, der sich gesundheitlich am Limit fühlte. Weitere Verhandlungstage sind für 16. Oktober und 16. Dezember angesetzt.

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