Abschiedstour

Gusenbauer: Wahlergebnis “Protest gegen die VP”

Österreich
05.10.2008 19:19
Der scheidende Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) findet, eine Große Koalition wäre wieder "das Vernünftigste für das Land", obwohl er der ÖVP die "Hauptschuld" an den schlechten Wahlergebnissen der beiden Großparteien zuschreibt. SP-Chef Werner Faymann werde es aber "gar nicht einfach haben, eine Koalition zusammenzubringen", sagte er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Allerdings könnte Josef Prölls Bestellung zum neuen ÖVP-Chef ein Signal in Richtung einer "Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP in einer neuen Form" sein. Er selbst werde einer neuen Bundesregierung keinesfalls mehr angehören, hielt er fest.

"Das Wahlergebnis ist, wie es ist", stellte Gusenbauer fest. Er findet es allerdings "weder besonders glorreich noch so eine Katastrophe, wie manchmal getan wird". FPÖ und BZÖ hätten Protestwähler angezogen, andere Wähler hätten auf ihre Stimmabgabe verzichtet, was "eigentlich für unser System das Allergefährlichste" sei. Den Protest sieht er aber vor allem auf die ÖVP gemünzt: Die habe versucht, mit "Oppositionspolitik in der Regierung" Platz eins zu erobern. "Das war eine Protestwahl gegen das Spiel der ÖVP, die SPÖ hat leider auch ihr Fett abbekommen."

Interne Turbulenzen bei der SPÖ
Allerdings hätten die internen Turbulenzen in der SPÖ auch etwas dazu beigetragen, räumte Gusenbauer ein. Sein Fazit: "Staatstragende Parteien müssen verantwortungsvoll und kooperativ handeln, und wenn sie so streiten, dass es in Neuwahlen geht, dann darf man sich nicht wundern, dass die Menschen ihnen kein staatstragendes Ergebnis liefern."

Koalition SPÖ/ÖVP "das Vernünftigste fürs Land"
Nach wie vor findet der Kanzler aber, eine SPÖ-ÖVP-Regierung sei "das Vernünftigste für das Land". Eine Woche nach der Wahl ortet er bei der ÖVP indes noch "allgemeine Verwirrung". Es gelte abzuwarten, welche Meinung sich in der ÖVP durchsetze. "Aber ich habe den Eindruck, dass mit der Wahl von Josef Pröll zumindest der Versuch unternommen wird, dass es die Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP in einer neuen Form geben könnte. Ob das Erfolg haben wird, weiß niemand." Eine "Lehre aus der Vergangenheit" sei jedenfalls: "Eine Koalition, die von vornherein nur auf Konflikt ausgelegt ist, hilft nichts."

EU-Frage nicht so wichtig
Apropos Konflikt: Keine zentrale Frage für ein allfälliges Regierungsübereinkommen ist nach Gusenbauers Ansicht das Thema Volksabstimmungen über EU-Verträge. Ein solch wesentlicher Vertrag werde wohl während der nächsten Legislaturperiode gar nicht anstehen, meinte er. Den EU-Brief an die "Krone" hätten er und Faymann "nicht aus Jux und Tollerei" geschrieben, sondern mit "wesentlichen Spitzen der Sozialdemokratie" abgesprochen.

Zukunft in der Wissenschaft?
Was seine persönliche Zukunft anbelangt, hält sich Gusenbauer noch bedeckt. Nur so viel: "Sie können davon ausgehen, dass ich der nächsten österreichischen Bundesregierung nicht angehören werde." Künftig werde er entweder in der "internationalen Wirtschaft oder der europäischen Politik oder der internationalen Wissenschaft" tätig sein.

ÖVP: "Trotzige Abrechnung und Legendenbildung"
Die ÖVP hat die Äußerungen von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in der "Pressestunde" als den "durchsichtigen Versuch einer trotzigen Abrechnung und Legendenbildung" bezeichnet. Gusenbauer wolle das Scheitern der Großen Koalition "einseitig der ÖVP in die Schuhe schieben", ärgerte sich Norbert Walter, Landesgeschäftsführer der ÖVP Wien, in einer Aussendung.

Walter erklärte, es werde "nun darauf ankommen, ob die neue SPÖ-Führung besser als Gusenbauer in der Lage sein wird, mutig ein modernes Zukunftsprogramm für Österreich nicht nur anzukündigen, sondern auch in der eigenen Partei - inklusive neu erstarktem Gewerkschaftsflügel - verlässlich durchzutragen." Walter bezweifelte, dass bereits in sechs Wochen - gezählt vom Regierungsbildungsauftrag am kommenden Mittwoch - eine Regierung stehen könnte, wie es SPÖ-Chef Werner Faymann hofft.

Grüne: Keine Anzeichen für Neubeginn
Eine Rüge an beide Großparteien kam von den Grünen: "Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter", mahnte deren Bundesparteisekretär Lothar Lockl. "Nicht einmal die Finanzkrise ist für SPÖ und ÖVP Anlass genug, das Hick-Hack um Posten und Macht einzustellen", rügte er. "Für einen Neubeginn gibt es derzeit keine Anzeichen."

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